Jaffrennou, P.-A. (Kawka - Vaillancourt)
Propos. Werke für unterschiedliche Besetzungen
|
|
Info |
Musikrichtung:
Neue Musik Ensemble
VÖ: 01.01.2012
(Aeon/Outhere / Note 1 / CD / DDD / 2011 / Best. Nr. AECD 1112)
Gesamtspielzeit: 66:48
|
|
|
VIELSCHICHTIG
Mit einem fortgesetzten Eklat von Instrumentaleinsätzen beginnt Chronorhythmie, das jüngste Werk auf dieser eindrucksvollen Porträt-CD des französischen Komponisten Pierre-Alain Jaffrennou (geb. 1939).
Das für zwei Instrumentalgruppen besetzte Werk erfährt durch das Nouvel Ensemble Moderne und das Ensemble Orchestral Contemporain unter der Leitung von Lorraine Vaillancourt eine hellwache, klangscharfe Deutung. Nach den martialischen, schwarz-weißen Setzungen im ersten Teil schließt sich nach einem kurzen Übergang ein expressiver Choral an, der in einen ebenso bedrohlichen wie hymnischen Part der Blechbläser mündet – wie eine Vision des Jüngsten Gerichts. Es folgt gebrochen-romantische Streicher-Kantilene, die von ausdrucksvollen Harmonien der Holzbläser interpunktiert wird. Der letzte Teil führt in ein exotisch koloriertes Niemandsland; daran schließt sich als kurze Coda ein geisterhaftes Echo des Beginns an. Die Texturen des Stücks werden durch subtile elektronische Klänge, die von den Orchestermusikern ausgelöst werden, weiter angereichert.
Auf solche stilistischen Wandlungen und den poetischen Gehalt der Musik nehmen die eher technischen Beschreibungen im Beiheft keinen Bezug. Die Vielschichtigkeit und der assoziative Reichtum von Jaffrennous Musik entfalten sich erst beim Hören. Faszinierend, wie er diese eigentlich doch sehr heterogenen musikalischen Welten so zusammenbringt, dass es nicht zusammengesucht wirkt.
Beim titelgebenden Propos gibt es eine vergleichbare Dramaturgie: Heftig deklamierende Attacken der beiden Sängerinnen und der sieben Musiker verwandeln sich nach und nach ein zartes, fragiles Gespinst aus weiten Kontrapunkten des Holz- und Fellschlagzeug, in das die zunehmend sinnlicheren, ja melodischeren Vokalpartien eingeflochten sind. Der Pointilismus lässt an die Musik der 1950er Jahre denken (Boulez Le Marteau sans maître z. B.), die immer deutlicher sich entfaltenden Bögen und feinen klangfarblichen Schattierungen scheinen dem Impressionismus abgelauscht (und sind doch ganz eigen). Das Libretto beruht übrigens auf Interviewausschnitten aus den späten 1990er Jahre (das Stück wurde 1998/2001 komponiert) Die Worte stammen von Sinéad O’Connor, Laetitia Casta sowie von drei Arbeiterinnen einer britischen Hähnchenfabrik. O’Connors Anti-Papst-Rhetorik entspricht dem expressiven Beginn, die Worte des Starlets dem mittleren und die eher erschütternden Aussagen der drei Arbeiterinnen über ihren Arbeitsalltag dem feingliedrigen, von verhaltener Melancholie geprägten letzten und längsten Abschnitt der Komposition. In dieser Mischung entsteht allerdings kein dokumentarischer, sondern eher ein surrealer Effekt.
Auch das zweisätzige Du ciel et de la terre für Streichsextett und Elektronik setzt auf Kontraste: Pointilistische Texturen verwandeln sich im ersten Teil nach und nach in melodische und wandern dabei aus der Höhe in die tieferen Register. Der zweite Teil ist ein wildes polyphones Mäandern und Wogen im Sekundabstand.
For Three ist ein echtes Kleinod, bei dem die Musik wie eine Delikatessen-Menü serviert wird. Eine subtil eingesetzte Elektronik bereichert die Klänge von Cello, Posaune und Schlagzeug, lässt sie unwirklich, verschwommen, traumverloren erscheinen. Mal wirkt das Stück wie eine psychedelische Jazz-Fantasie, dann wieder denkt man an eine auf den Kopf gestellte Romantik oder Filmmusik ohne Bilder.
Abgesehen von der exzellenten Interpretation ist diese CD auch klangtechnisch vorzüglich.
Georg Henkel
Trackliste |
01 Chronorhythmie (2008) 20:50
02-03 Du ciel et de la terre (1997) 14:30
04 For Three (2006) 14:18
05 Propos (1998-2001) 17:10 |
|
|
|
|
Besetzung |
Brigitte Pyré: Sopran
Isabel Soccoja: Mezzo-Sopran
Ivo Nilsson: Posaune
Benjamin Carat: Cello
Jonny Alexsson: Schlagzeug
Solisten des L’Orchestre Natrional de Lyon
Nouvel Ensembel Moderne
Ensemble Orchestral Contemporain
Daniel Kawka & Lorraine Vaillancourt: Leitung
|
|
|
|