Monteverdi, C. (Pluhar)
Vespro della Beata Vergine
|
|
Info |
Musikrichtung:
Barock Geistliche Musik
VÖ: 28.01.2011
(Virgin / EMI / CD & Bonus-DVD / DDD / 2010 / Best. Nr. 64199429)
Gesamtspielzeit: 75:09
|
|
|
AUF DIÄT
Das Coverbild, eine fotografische Impression von unbewegter Meeresoberläche und stillem Himmel, scheint mit seiner abstrakten Kühle zunächst gar nicht zu einem sinnlichen barocken Sakralwerk wie der Marienvesper von Claudio Monteverdi zu passen. Doch immerhin trifft das Bild den Geist der Interpretation perfekt: In ihrem Bemühen, diesem vielgespielten Meisterwerk eine neue Seite abzugewinnen, wählen Christina Pluhar und L’Arpeggiata nicht nur die bislang schnellsten Tempi, sondern singen die mehrchörigen Psalmen, Motetten, Solokonzerte und Hymnen mit einer fast schon objektiven Beiläufigkeit. Von gelegentlichen Aufrauhungen der Oberfläche und des Continuo–Basses abgesehen, wirkt dieser Monteverdi im Ausdruck glatt, um nicht zu sagen flach. Musizieren ohne Punkt und Komma – das erreicht mitunter die „Qualitäten“ einer Neuen Sachlichkeit, trägt aber nichts zur Klangrede bei, für deren Gestaltung es etwas mehr Zeit und Mut zur individuellen Charakterisierung vor allem der Soli bräuchte. Bereits Rinaldo Alessandrini hat gezeigt, dass man auch die Chorsätze wie ausdrucksvolle Madrigale singen kann. Das muss man gar nicht genauso machen. Aber wenn schon schneller, dann bitte leidenschaftlich schneller!
Dass das just einem Ensemble von ausgewiesenen und musizierfreudigen Barockspezialisten passiert, ist schon erstaunlich. Kaum zu glauben, dass das dieselben MusikerInnen und SängerInnen sind, die diesem Komponisten noch im Teatro d‘amore als Jazzer entdeckten. Selbst die extemporierten Verzierungen wirken bei der Vesper kaum mehr als routinierte Schlenker! Sollte es tatsächlich Demut vor dem Text sein, führt diese im Ergebnis aber zu Eintönigkeit und Langeweile.
Was ist da bloß passiert? Wieso gibt es außer kontrapunktischer Mechanik im zehnstimmigen Nisi Dominus nichts anderes zu entdecken und zu erleben? Das ist ein vielstimmiger Himmelsgesang, nicht nur eine polyphone Übung! Das Ave maris stella wirkt, als werde hier wenig begeistert zur Seite gesungen. Wieso nur gibt Emiliano Gonzalez Torro das Nigra sum so zurückhaltend, dass man gar nicht bemerkt, dass dieses Stück vor mystischer Erotik strotz? Das angestrengte Vibrieren der Stimme kann es doch wohl nicht gewesen sein! Und was ist der Grund dafür, dass die instrumentale Begleitung beim selben Stück beziehungslos vor der Singstimme steht?
Überhaupt klingt die Aufnahme insgesamt wenig schmeichelhaft: Da kommen viele der Ausführenden so herüber, als würden sie nur mit halber Kraft singen. Manche von ihnen kann man auf anderen Einspielungen wesentlich glutvoller, engagierter, volltönender erleben. Hat hier der Tontechniker oder die Ensembleleiterin die SängerInnen auf Diät gesetzt? Auch angesichts der großen Konkurrenz guter und sehr guter Aufnahmen ist keine schmeichelhaftere Bewertung möglich
Georg Henkel
Besetzung |
L'Arpeggiata
Christina Pluhar: Theorbe & Leitung
|
|
|
|