Musik an sich


Reviews
Meister, J. F. (Goebel)

Il giardino del piacere - Sonaten


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 18.2.2011

(Berlin Classics / Edel / CD / DDD / 2004 / Best. Nr. 0016742BC)

Gesamtspielzeit: 66:40

Internet:

Reinhard Goebel



ULTIMATIV

Eine neue CD von Musica Antiqua Köln? Kann doch gar nicht sein - die haben sich doch 2006 aufgelöst! Ja, das haben sie tatsächlich, aber im Archiv schlummerte noch eine 2004 in Co-Produktion mit dem WDR entstandene Aufnahme, die Berlin Classics nun ans Licht befördert. Sozusagen diskographisch das letzte Wort eines Ensembles, das über viele Jahre die Alte Musik-Szene nicht nur in Deutschland geprägt hat.
Aber: "Im eigentlichen Sinne ´zu entdecken´ (...) gibt es übrigens gar nichts, überhaupt nichts", so will es Reinhard Goebel den Feuilletonisten laut Booklet ins Stammbuch geschrieben wissen. Alles erhaltene Notenmaterial sei bereits irgendwo katalogisiert und zumindest zur Kenntnis genommen worden. Wenn Goebel dann andererseits den um 1637 in Peine geborenen Johann Friedrich Meister als "unbekannte" Größe des barocken Musiklebens präsentiert, ist auch dies genau genommen tatsächlich keine "Entdeckung". Aus Meisters Sammlung von Sonaten für zwei Violinen und Basso Continuo nämlich haben andere bereits früher einen Ausschnitt vorgestellt: das ensemble musica poetica Freiburg präsentierte 1999 in einer sehr geschmackvollen Sammlung mit Barockwerken aus Nord- und Mitteldeutschland (hänssler classics) die Sonata g-moll. Musica Antiqua Köln realisierte dann 2004 diese Aufnahme mit sechs anderen Sonaten des Komponisten. Und diese sind aller Beachtung wert, ja - soviel Wortwitz mag gestattet sein - geradezu "meisterlich" zu nennen. Meister greift Einflüsse Lullys auf und kombiniert sie mit dem strengen, oft gelehrt wirkenden Stil der deutschen Schule á la Reincken oder Rosenmüller. Die sangliche Ausformung der virtuosen Melodiestimme wird dabei angereichert durch eine eigenständig, oft sogar geradezu eigensinnig angelegte Mittelstimme und eine Harmonik mit deutlich expressiven Zügen. Tanzbar ist hier also gar nichts, wenngleich die Titel mancher Sätze (Ciaconna, Sarabanda, Gigue usw.) anderes vermuten lassen. Der Satz wirkt insgesamt bemerkenswert dicht und komplex, so dass die Sonaten weit über Unterhaltungs- oder bloße Übungsmusik hinausgehen.

Goebel bleibt in der Interpretation einer früheren Aussage treu: "Ich sehe auch den barocken Bogen also eher als eine Säge an, denn als ein Instrument mit dem man die Geige streicheln sollte." Sein Ansatz ist bei aller technischen Perfektion also vergleichsweise druckstark, was zum einen dazu führt, dass die erste Violine im insgesamt sehr präsenten Gesamtklang die zweite Violine und das Violoncello in den Hintergrund drängt, zum anderen aber auch das expressive Moment hervorhebt. Alles andere als "easy listening" also, so dass dem Hörer mit sechs Sonaten am Stück schon einiges an Konzentration abverlangt wird.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1-6 Sonata Nr. 2 d-moll
7-11 Sonata Nr. 4 e-moll
12-19 Sonata Nr. 5 C-Dur
20-25 Sonata Nr. 6 a-moll
26-31 Sonata Nr. 10 c-moll
32-38 Sonata Nr. 11 D-Dur
Besetzung

Musica Antiqua Köln:
Reinhard Goebel, Stephan Schardt: Violine
Klaus-Dieter Brandt: Violoncello
Léon Berben: Cembalo


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