Musik an sich


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Händel, G.F. (Curtis)

Fernando


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 26.01.2007

Virgin Classics / EMI (2 CD (AD: 2005) / Best.nr. 0946 3 65483 2 6)

Gesamtspielzeit: 149:19

Internet:

Virgin Classics



SOLIDE

Was dem Geldanleger der Bundesschatzbrief, das sind dem an der Barockoper interessierten Hörer die Händel-Produktionen mit Alan Curtis: Vor unangenehmen Überraschungen ist man hier (fast) immer sicher, aber wirklich Aufregendes wird einem dafür auch selten geboten. Das Publikum goutiert dies offenbar, denn nahezu zeitgleich mit dem bei Virgin Classics erschienen "Fernando" bringt die Deutsche Grammophon in ihrer Archiv-Reihe Händels "Floridante" mit Curtis am Pult seines Ensembles Il Complesso barocco heraus.

Eine Oper namens "Fernando" allerdings wird auch den eingefleischten Händel-Fans nicht auf Anhieb bekannt vorkommen. Es handelt sich um die ursprüngliche Version seiner 1732 uraufgeführten "Sosarme". Die kurzfristig von Händel selbst vorgenommene, umfassende Umarbeitung zur "Sosarme" wurde wohl aus politischer Rücksichtnahme auf die Beziehungen zu Portugal erforderlich, denn im "Fernando" kommt ein portugiesischer König namens Dionisios nicht eben gut weg.

Hier ist nun also die Urfassung jener Oper zu erleben, die allerdings über weite Strecken den barocken Musikkonventionen verhaftet bleibt und nicht zu Händels stärksten Werken gezählt werden kann. Eine Freude ist es aber dennoch, Veronica Cangemis vielgestaltiger, beweglicher Sopranstimme zu lauschen (fulminant etwa in der Arie "Dite ´pace´"). Demgegenüber ist Marianna Pizzolatos Vortrag zwar technisch einwandfrei, aber zu nüchtern.

Hinsichtlich der Kastratenpartien hat Curtis sich für die Besetzung mit Countertenören entschieden. Dabei macht Lawrence Zazzo seine Sache in der Titelrolle durchaus gut, doch bleibt seine Stimme oftmals schmal. Max Emanuel Cencic - anfangs stimmlich nicht immer ganz schlackenfrei - lässt bei der Gestaltung des Sancio die ihm früher eigene Differenziertheit und Schattierungskunst vermissen.

Sehr erfreulich ist die Leistung der beiden jungen Tenöre Filippo Adami und Neal Banerjee. Antonio Abetes abgründig tiefer Bass passt wunderbar zu der Figur des finsteren Altomaro, doch agiert Abete recht eindimensional und in der Auftrittsarie sogar geradezu provokant gelangweilt.

Während diese international erfahrenen Sänger in den Rezitativen durchweg herrlichen Furor entfachen, hält Curtis sie - wie auch sein Orchester - in den Arien distinguiert an der kurzen Leine. Dadurch geht der innere dramatische Zusammenhang verloren, das Werk zerfällt in bloße Einzelstücke. Zugleich kommen die Affekte nur gedämpft zur Geltung, was es gerade bei der CD ohne nachvollziehbare Bühnenaktion zusätzlich erschwert, der Handlung zu folgen.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Fernando: Lawrence Zazzo, Countertenor
Elvida: Veronica Cangemi, Sopran
Dionisio: Filippo Adami, Tenor
Isabella: Marianna Pizzolato, Mezzosopran
Alfonso: Neal Banerjee, Tenor
Sancio: Max Emanuel Cencic, Countertenor
Altomaro: Antonio Abete, Bass



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