Musik an sich


Reviews
Verdi, G. (Welser-Möst)

La Traviata (DVD)


Info
Musikrichtung: Oper

VÖ: 23.11.2005

Arthaus Musik / Naxos (DVD (AD: 2005, live) / Best.nr. 101 247)

Gesamtspielzeit: 128:00

Internet:

Arthaus Musik



EVA MEI BRILLIERT

Regisseur Jürgen Flimm nähert diese "Traviata" behutsam der Jetzt-Zeit an, indem er die Zeitlosigkeit des Stoffes, des Seelendramas der Violetta hervorhebt. Ihn interessiert vorrangig der psychologische Aspekt. Das eher düster gehaltene, wandlungsfähige Bühnenbild und die Ausstattung der Festszenen kommen ohne Plüsch und Pomp aus. Violetta erscheint als moderne Frau, emanzipiert, bisweilen zynisch, innerlich zerrissen und am Schluß eher zornig, als schicksalsergeben.
Diese Zerrissenheit wird in der Darstellung der Sopranistin Eva Mei höchst engagiert herausgearbeitet. Ihr nimmt man die inneren wie äußeren Konflikte ohne weiteres ab, was für das Leiden der Protagonistin, insbesondere im letzten Akt, nicht im gleichen Maße gilt. Stimmlich brilliert Eva Mei mit einem großartigen messa di voce und zumal im Pianissimo mit erstaunlicher Differenziertheit. Die stimmlichen Extravaganzen, die Verdi der Violetta zugeschrieben hat, stellen für diese Ausnahmekünstlerin kein Problem dar. Selbst in den schwierigsten Koloraturen und höchsten Spitzentönen bleibt ihre Stimme tragfähig und tonschön.

Was die Rolle des Giorgio Germont angeht, so dürfte derzeit kaum jemand die Partie darstellerisch wie sängerisch so perfekt ausfüllen, wie der Bariton Thomas Hampson, obgleich er noch etwas zu viel jugendlichen Elan ausstrahlt, um den gramgebeugten Vater auch physisch plausibel zu machen. Sein Zwiegespräch mit Violetta im zweiten Akt gerät jedenfalls zu einem echten Opernleckerbissen.
Mit diesem Spitzenniveau drücken die beiden dann leider den Dritten im Bunde, Piotr Beczala in der Rolle von Violettas Liebhaber Alfredo, regelrecht an die Wand. Diesem scheint jemand gesagt zu haben, dass die Partie mit Gefühl und affektstarkem Ausdruck dargeboten sein will. Beczala versteht darunter unglücklicherweise, schon bei der ersten Begegnung mit Violetta jedem Ton ein Schluchzen beizugeben, wie es schlimmster Stadttheater-Manier entspricht. Zudem macht dieser Alfredo im Laufe des Stücks keinerlei Veränderung durch, so eindimensional ist die stimmliche Ausdeutung, die der junge polnische Tenor hier vornimmt. Warum Violetta sich für einen derartigen Langweiler interessieren sollte, wird dadurch nun wirklich nicht plausibel.

Franz Welser-Möst dirigiert einen braven, bisweilen gar zu samtigen Verdi. Ein bißchen mehr Mut zum Risiko wäre hier angezeigt gewesen, obschon durch diesen Ansatz das Finale in einem überzeugend verklärten Licht erscheint.
Bei den Chorszenen fehlt es dem Mitschnitt an der notwendigen Transparenz, zumal ohnehin das Klangbild im Forte sehr wuchtig und basslastig daherkommt.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Violetta Valéry: Eva Mei, Sopran
Alfredo Germont: Piotr Beczala, Tenor
Giorgio Germont: Thomas Hampson, Bariton
u.a.

Chor und Orchester des Opernhauses Zürich

Regie: Jürgen Flimm

Ltg.: Franz Welser-Möst


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