Lasso, Orlando di (Gaden)
Bußpsalmen II (Ps. 51, 102, 130, 143)
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Info |
Musikrichtung:
Ensemblemusik der Renaissance
VÖ: 01.02.2005
Capriccio / Deltamusic CD DDD (AD 2004) / Best. Nr. 67 130
Gesamtspielzeit: 67:23
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EINDRUCKSVOLL - UND TROTZDEM ZWIESPÄLTIG
In Orlando di Lassos (1532-1594) umfangreichen Werk nehmen die ab 1559 entstandenen Bußpsalmen noch einmal einen besonderen Rang ein. Der Zyklus entstand im Auftrag des bayerischen Herzogs Albrecht V. und wurde in einer vierhundertseitigen Prachthandschrift publiziert, die durch den Miniaturisten Hans Mielich mit schier atemberaubender Kunstfertigkeit und Phantasie illuminiert wurde.
Vom Ansatz her versucht die Interpretation von Gerhard Schmidt Gaden nichts weniger, als unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes diesem visuellen Reichtum durch eine ebenso üppige, bis ins Detail durchdachten Interpretation zu entsprechen. „Üppig“ meint hier sowohl die Beteiligung von zahlreichen Instrumenten wie auch die Rekonstruktion der Verzierungen, durch die Musik in ihrer Wirkung noch tiefer ausgeschöpft wird. Zu den zahlreichen Details gehört die Entscheidung für einen hohen Stimmton und die mitteltönige Stimmung (mit verkleinerten Quinten) sowie die Besetzung der hohen Diskantpartien mit Knabenstimmen. Deren heller Klang wurde im 16. Jahrhundert so geschätzt, dass man sogar vor der Entführung guter Sänger nicht zurückschreckte (Lassus, der als Kind selbst eine herausragende Stimme besaß, wurde insgesamt dreimal geraubt)! Der Klangeindruck unterscheidet sich in mancher Hinsicht von den bisherigen Rekonstruktionsversuchen. Das von der Solostimme her gedachte Klangbild ist sehr viel weniger kompakt und homogen, als man es von reinen, auf perfekte Verschmelzung hin angelegte Vokalbesetzungen gewohnt ist. Im durchgängigen Einsatz des Continuos oder einer großen „Hofkapelle“ an herausragenden Stellen spiegeln sich die musikalischen Darstellungen im Manuskript. Der hohe Stimmton und die charakteristischen Knabentimbres verleihen dem Satz zudem einen besonderen Schimmer, den man auch mit sehr androgynen, schlanken Frauenstimmen nicht wirklich imitieren kann.
Trotzdem überzeugt mich das Ergebnis mit Solisten des Tölzer Knabenchores nicht. Dass man sich nicht an heutigen Geschmacksvorstellungen, sondern an historischen Tatsachen orientiert, hat sich in der Geschichte der Aufführungspraxis ja schon mehr als einmal als zukunftsweisend erwiesen. Doch dazu gesellte sich auch immer wieder die Einsicht, dass man manche Rädchen nicht mehr zurückdrehen kann. Die Kastraten des 17. und 18. Jahrhunderts sind so ein unwiederholbares Phänomen. Reife, durchsetzungsfähige Knabenstimmen sind dagegen aufgrund des immer früheren Stimmbruchs rar geworden. So fehlt es auch hier an einer entscheidenden technischen Voraussetzungen: Knabenstimmen, die ihre schwierigen Partien nicht nur korrekt ausführen, sondern mit musikalischem Leben füllen. Der Eindruck, dass sich manche Phrase intonatorisch auf schwankendem Boden bewegt, rührt gewiss nicht nur von der mitteltönigen Stimmung her. Und die Tempi sind, Buße hin, Buße her, einfach zu schleppend, die Phrasierung aufgrund des knappen Atems über weite Stellen zu löcherig. Zu häufig spürt man zudem, wie sich die erwachsenen Sänger an ihre jungen Kollegen anpassen müssen. Der Fluss der Musik gerät immer wieder ins Stocken.
Es ist wie einst bei den frühen Bach-Produktionen von Harnoncourt mit den Tölzern. Man spürt sofort: So muss es gewesen sein. Und zugleich hat man den Eindruck, dass das erahnte Ideal heute nicht mehr überzeugend realisierbar ist.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Quartus Psalmus Poenitentialis | 20:07 |
2 | Quintus Psalmus Poenitentialis | 25:08 |
3 | Sextus Psalmus Poenitentialis | 07:59 |
4 | Septimus Psalmus Poenitentialis | 14:09 |
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Besetzung |
Tölzer Knabenchor Musicalische Compagney Berlin
Ltg. Gerhard Schmidt-Gaden
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