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Reviews
Bach, J. S. u. a. (Goebel)

Lamento


Info
Musikrichtung: Kantate

VÖ: 10.01.2005

Deutsche Grammophon Archiv / Universal
CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. 474 1942


Gesamtspielzeit: 55:13



BEWEGEND UNKONVENTIONELL

Ursprünglich sollte dieses Album unter dem Titel Bachiana III eine von Reinhard Goebel konzipierte Trilogie mit Instrumental- und Vokalwerken der Bachfamilie beschließen. Das Renommee von Goebel und seiner Musica Antiqua Köln ist gewiss sehr groß, doch verkauft sich ein solch ambitioniertes Projekt immer noch leichter über einen Star, der nicht auf ein bestimmtes Repertoire festgelegt ist. In diesem Fall ist es die tschechische Sängerin Magdalena Kožená, die die Besetzungsliste anführt. Und weil’s weniger speziell klingt, wurde die Platte jetzt schlicht mit Lamento betitelt. Obwohl: Nur auf das erste Stück der Platte, die herrliche Kantate Ach, dass ich Wassers g’nug hätte aus der Feder des Bachahnen Johann Christoph Bach, will das Etikett „Klagegesang“ passen. Die anschließende, von J. S. Bach in Köthen aufgeführte Kantate Languet anima mea von Francesco Bartolomeo Conti bedient sich dieses Affekts schon nicht mehr durchgängig. Auch die beiden Beiträge von J. S. Bach wissen wenig von Trübsinn. Und erst recht wollen sich die die klassizistischen Vokalkompositionen seiner Söhne Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Christoph Friedrich Bach mit ihrem reichen Ausdrucksspektrum nicht mehr in ein barockes Affekt-Schema pressen lassen.

Sei’s drum: Diese Produktion verdient möglichst viele Hörer/innen, und dies nicht allein wegen der intelligenten, abwechslungsreichen Programmatik! Vom ersten bis zum letzten Ton ist die Zusammenarbeit von MAK und Kožená eine einzige Freude. Dass Goebels Begleitung technisch vollkommen, ausdrucksintensiv und dabei auch immer wieder anregend unkonventionell ist, braucht eigentlich kaum erwähnt werden.
Zum Ereignis wird die Einspielung allerdings durch die bewegende Interpretation von Magdalena Kožená, die mit ihrer schönen weißgoldenen, zu vielen Schattierungen fähigen Stimme erneut ihre Qualitäten unter Beweis stellt. Schon wie sie bei Johann Christoph Bachs eindrucksvoller Miniatur ein Maximum an Differenzierung erreicht, indem sie jede Wiederholung immer neu durch die Gewichtung der Worte, des Tempos und der Stimmfarbe variiert, bezeugt ein tiefes Verständnis für diese Musik. Gleiches gilt für die anspruchsvoll virtuose Conti-Kantate, deren sakrale Erotik Kožená auf die sinnliche, makellos geführte Stimme maßgeschneidert scheint. Das leichte, samtige Brustregister ist mit der leuchtenden Höhe perfekt verblendet.
Ein weiterer Höhepunkt ist dann die Darbietung der Bachkantate BWV 170 Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust. Eine willkommene Herausforderung an die Hörgewohnheiten ist Goebels Betonung des tänzerischen Duktus der Eröffnungsarie; das geschmeidige Tempo kehrt „Vergnügen“ und „Seelenlust“ gegenüber der meist im Vordergrund stehenden „Ruhe“ heraus! Der Verwendung einer Soloflöte statt des Orgelpositivs in der Schlussarie erweist sich ebenfalls als überzeugende Lösung.
Die Beiträge der Bachsöhne, die Liedkomposition Selma und die Scena Die Amerikanerin verlassen das Terrain der geistlichen Vokalmusik und leiten über in eine Epoche, die neue Möglichkeiten – auch Extreme - des Ausdrucks erkundet (vor allem in den erregten Passagen von Johann Christoph Friedrich Bachs exotischer Liebeklage). Mit ihrer instrumental geführten Stimme fängt die Sängerin auch hier das ganze Spektrum an Emotionen ein, die von elegischer Klage über Schwärmerei bis zur spätbarocken Exaltation reichen.



Georg Henkel



Trackliste
01 Johann Christoph Bach: Ach, dass ich Wassers g’nug hätte 07:22
02-06 Francesco Bartolomeo Conti: Languet anima mea 13:24
07-11 J. S. Bach: Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust 17:49
12 J. S. Bach: Bekennen will ich seinen Namen 03:21
13 Carl Philipp Emanuel Bach: Selma 02:05
14-17 Johann Christoph Friedrich Bach: Die Amerikanerin 11:12
Besetzung

Magdalena Kožená, Mezzosopran

Musica Antiqua Köln
Reinhard Goebel, Ltg. und Violine



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