Stravinsky, I. (Ehnes, J. – BBC Philharmonic – Davis, A.)

Violinkonzert, Apollo Musagète u.a.


Info
Musikrichtung: Klassische Moderne / Konzert, Orchester

VÖ: 05.01.2024

(Chandos / Note 1 / CD / SACD hybrid / 2023 / CHSA 5340)

Gesamtspielzeit: 69:56



GESCHLIFFEN

Bookletautor Paul Griffith bezeichnet Igor Stravinskys Kompositionsstrategien der 1920er und 30er Jahre als "esterartig". Und hört man das Violinkonzert von 1931, das der Geiger James Ehnes mit dem BBC Philharmonic unter Sir Andrew Davis hier in einer ebenso geschliffenen wie brillant funkelnden Einspielung vorlegt, kann man buchstäblich in jedem Satz, ja in jedem Takt erleben, wie der Komponist sich nonchalant aus Musikhistorie bedient, dabei Extreme wie Bach, Jazz und Zirkuskapelle zusammenschmilzt. Um nur einige der Elemente zu nennen, die Eingang in dieses „neo-klassische“ Werk gefunden haben. Wobei wohl eher der Barock mit seiner formalen Strenge als die lyrischere Klassik das Grundgerüst bietet, um die Fülle zu einer Einheit zusammenzuführen. Und Stravinsky leugnet in keinem Moment die Modernität der Musik, selbst wenn er auf vermeintlich „Altes“ zurückgreift.

Das hat Tempo, da blitzt ein manchmal schräger Humor auf und auch Ironie kommt nicht zu kurz. Ehnes Spiel ist von disziplinierter Virtuosität und lässt sich genussvoll auf die vielen kleinen dialogischen Szenen und Kapriolen mit dem farbigen Orchester ein, die Stravinsky da komponiert hat. Das angenehm abschattierte Timbre von Ehnes Violine passt gut zum durchaus expressiven, aber nicht expressionistischen Ansatz des Solisten. Sir Andrew Davis sorgt für eine stimmige Balance zwischen der vorwärtsdrängenden Motorik und den eher entwicklungslosen instrumentalen „Bildern“, die Stravinsky hier montiert.

Das Album erweist erneut, wie vielfältig und kreativ Stravinsky mit vorgefundenen Materialien, Formen, Stilen und Genres experimentiert hat. Auf dem nämlichen Niveau unterhält auch das robuste „Scherzo à la Russe“ von 1945, das Stravinsky für eine amerikanische Jazz-Band geschrieben hat. Leichthändiger – da buchstäblich von Klavierduos für Kinder abgleitet – kommen die beiden kurzen Orchestersuiten aus den 1920er Jahren daher.

Den Abschluss macht eine glänzende Wiedergabe von „Apollon Musagète“, eine für sechsstimmiges Streichorchester gesetzte Ballettmusik von 1927. Der volle und satte, dabei ausgewogene Ton des Ensembles und die elegisch-nostalgische Färbung der Musik, die von französischen Hofballetten des 17. Jahrhundert inspiriert ist, werden vom Orchester wie seinem Dirigenten geschmeidig und in ruhig atmenden Bögen realisiert.



Georg Henkel



Trackliste
Violinkonzert, Scherzo a la Russe; Orchestersuiten Nr. 1 & 2; Apollon Musagete
Besetzung

James Ehnes, Violine

BBC Philharmonic

Sir Andrew Davis, Leitung


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