Rachmaninoff, S. - Rameau, J.-Ph. – Bach, J. S.
OVER TIME. Suiten & Variationen für Klavier
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Moderne / Klavier
VÖ: 09.02.2024
(Fuga Libra / Note 1 / CD / DDD / 2023 / FUG 823)
Gesamtspielzeit: 58:14
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DIE UNERBITTLICHKEIT DER ZEIT
Ein Programm über die Unerbittlichkeit der Zeit und die Hoffnung, es möge nicht alles vom Mahlstrom der Vergänglichkeit verschlungen werden – und wenn am Ende doch nichts bleibt, so gibt es gegenwärtig zumindest den Trost durch die Musik: So in etwa lässt sich die Idee hinter dem neuen Album von Konstantin Emelyanov zusammenfassen, in dem Stücke von Jean-Philippe Rameau, J. S. Bach und Sergei Rachmaninoff kombiniert werden. Zwei barocke Suiten der ersteren bilden einen Rahmen um das zentrale Werk, Rachmaninoffs Corelli-Variationen, wobei das zugrundeliegende volksmusikalische La-Folia-Thema von Corelli nicht selbst erfunden wurde. So wurzelt auch Rachmaninoffs Komposition zum einen im Barockzeitalter und zum anderen in noch tieferen Schichten der Musikgeschichte.
Für Bach und Rameau betreibt Emelyanov eine gewisse pianistische Mimikry, wenn er seinen Bechstein-Flügel „cembalisiert“. Ein konsequentes trockenes Non-Legato rückt den perkussiven Klavierklang nahe an das ältere Instrument mit seinem gezupften Sound heran. Das wirkt, beispielsweise beim eröffnenden „Les Tricotets“ („Die Strickwaren“) aus Rameaus Suite in G, modern, stellenweise fast wie eine Player-Piano-Studie von Conlon Nancarrow oder gibt doch zumindest einen Vorgeschmack auf die Minimal Music. Dank der fabulösen Spieltechnik des Interpreten, der auch sehr dichte Repetitionen und Verzierungsketten auf dem Klavier durchhörbar zu realisieren vermag, entsteht vor den Ohren der Zuhörenden eine sinnenverwirrende „Strickmuster“-Impression. Hört man da gar die Nadeln klappern? Mit seinem sehr klaren, analytischen Spiel entdeckt Emelyanov den Kunstmusiker Rameau, der selbst über das Gacker-Drama eines Huhns („La Poule“) eine elaborierten Minitragödie zu komponieren vermochte, ganz zu schweigen von den spätromantisch anmutenden harmonischen Experimenten von "L'Enharmonique".
Bachs 3. Französische Suite über stilisierte barocke Tanzsätze ist da in den Titeln abstrakter konzipiert, erfährt aber eine nicht minder sorgfältige, alle Details kunstvoll und präsent ausleuchtende Darbietung. Dabei tönt durch die leicht aufgerauten Oberflächen der Allemande und Sarabande eine gewisse Melancholie hindurch, während die schnelleren Sätze von einer nervösen Pulsation vorangetrieben werden – auch hier tickt unablässig die Uhr des Vergehens. Selbst wenn man diesen "neobarocken" Pointilismus im Anschlag nicht schätzen sollte, so eröffnet er doch faszinierende Hörperspektiven.
Bachs unangefochten stabiler Kontrapunkt folgt auf das Herzstück, die Corelli-Variationen Rachmaninoffs, eine wahre Tour de Force, die der Pianist nach der wirklich ergreifend zärtlichen Vorstellung des Themas mit konsequenter Ausschärfung jeder Variation präsentiert. Zumal bei den vehement perkussiven Passagen hält man den Atem an. Dazwischen finden sich immer wieder Inseln von großer Ruhe und Innerlichkeit.
Diese Unerbittlichkeit, mit der der Komponist das Thema seziert, durch verschiedene stilistische Aggregatzustände schickt und am Ende unter heftigen Schlägen auflöst, wird vom Interpreten mit nüchterner Klarheit, aber nicht unberührt präsentiert. Dass dieses unter Emelyanovs Fingern so modern klingende Stück von Rachmaninoff stammt, den man eher für seine – vorsichtig gesagt – überaus gefühlsgesättigten Klavierkonzerte kennt, möchte man zunächst kaum glauben.
Mit seinem neuesten perspektivreichen Konzeptalbum erweis sich Konstantin Emelyanov wieder als einer der interessantesten Pianisten der jungen Generation, der nicht umsonst 2022 den 11. Internationalen Deutschen Pianistenpreis sowie den Publikumspreis gewonnen hat.
Georg Henkel
Trackliste |
Jean-Philippe Rameau; Suite G-Dur aus Nouvelles Suites de Pieces de Clavecin
Sergei Rachmaninoff: Corelli-Variationen op. 42
Johann Sebastian Bach: Französische Suite h-moll BWV 814 |
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