The Hu
Rumble Of Thunder
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The Gereg, das Debütalbum von The HU, öffnete der mongolischen Formation diverse Türen, die sie mit den Videos zu den Songs „Yuve Yuve Yu“ und „Wolf Totem“ aufgeklinkt hatte, ein Stück weiter – trotz gewisser Schwerverdaulichkeit atmete das Material doch einen unverkennbaren Reiz, der sich nicht zuletzt aus der Kombination von angloeuropäischen und zentralasiatischen Stilmitteln speiste und trotz der Existenz einiger zumindest grundsätzlich artverwandter Combos definitiv einen originellen Ansatz für sich beanspruchen darf.
Auch The HU wurden freilich durch die pandemische Situation ausgebremst und konnten nur gelegentlich ihre Livequalitäten unter Beweis stellen, was sie aber nutzten, um schon neues Material anzutesten, das jetzt auf dem Zweitling Rumble Of Thunder in zwölffacher Ausfertigung vorliegt. Und man bemerkt schnell, dass die Truppe einerseits ihre Stärken weiter kultiviert, andererseits aber strukturell noch das eine oder andere dazugelernt und ganz nebenbei auch noch eine personelle und eine stilistische Erweiterung vorgenommen hat. Das Quartett hat sich nämlich mittlerweile zum Oktett verdoppelt, was die bühnenaktiven Festmitglieder betrifft – Chefdenker B. Dashdondog beschränkt sich nach wie vor auf die Rollen als Songwriter und Produzent und ist da zahlenmäßig weder auf dem Erstling noch auf dem Zweitling eingerechnet, aber der mongolische Gitarrist, der E- und Baßgitarrist, der Drummer und der Percussionist sind mittlerweile zu festen Bandmitgliedern mutiert, und obwohl sie in den Kreativprozeß ebensowenig einzugreifen scheinen wie die vier Altmitglieder an den Mikrofonen und den diversen Saiteninstrumenten, mutet ihre Rolle auf dem neuen Album ein wenig stärker hervorgehoben an, ohne dass damit freilich der originelle Touch geschmälert würde. Aber gerade der Baß gibt einigen der neuen Songs ein zugänglicheres Gepräge, die deutlich häufiger eingesetzte E-Gitarre tut das ihrige dazu (auch wenn beide vom gleichen Menschen gespielt werden und daher live zwangsweise noch eine andere Lösung her muß), und der Drummer spielt nicht selten Sachen, die auch jeder nichtmongolische Kollege nutzbringend umsetzen könnte, was für die Konservendrums des Vorgängers analog galt, hier aber eben eine Aufweichung durch den zusätzlichen Percussionisten erfährt. Das alles ist die erwähnte stilistische Erweiterung, die das Material für den gemeinen europäischen Hörer ein wenig zugänglicher macht, wozu dann freilich auch der erwähnte strukturelle Lerneffekt tritt: Anstatt dem Hörer einen langen und schwierigen Erschließungsprozeß zuzumuten, fallen The HU diesmal in Gestalt von „This Is Mongol“ gleich mit einem kompakten flotten Hit ins Haus. Zu einfach wollen sie es einem freilich auch nicht machen: Der Song hat keinen sonderlich einprägsamen Refrain, und selbst wenn er einen hätte, müßte man zum Mitsingen entweder die mongolische Sprache beherrschen oder sich einer rein lautorientierten Mitsingpraxis widmen. Zwar weist der Kreis auf der Rückseite der Inlaycard die Songtitel auch in Englisch aus, und das Booklet listet komplett englische Texte – aber das sind nur Übersetzungen, denn die diversen Sangesaktiven der Formation pflegen nach wie vor ihr heimatliches Idiom, von dem man nur ab und zu mal ein bestimmtes Schlagwort identifizieren kann, wenn man nicht zufällig der Sprache mächtig ist. (Mongolischsprecher können sich auch auf die Suche nach dem in einem der Texte versteckten Dschinghis-Khan-Zitat machen – nicht von der besagten Band natürlich, sondern tatsächlich vom Originalnamenspatron.) Auch der Gesangsstil scheint allerdings leicht in Richtung Zugänglichkeit modifiziert worden zu sein – oder hat sich nur das Ohr mittlerweile an die verschiedenen eingesetzten Substile des mongolischen Kehlkopfgesangs gewöhnt? Möglicherweise liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.
Aber auch ansonsten gibt es gewisse Modifikationen. The Gereg hatte überwiegend temposeitig schleppendes Material enthalten, so dass der gedankliche Zugang aus Richtung des Doom Metals der leichteste gewesen sein dürfte. Das Material von Rumble Of Thunder hingegen fällt wie erwähnt gleich mit dem ziemlich flotten „This Is Mongol“ ins Haus, und das bleibt nicht der einzige Song dieser Kategorie („Triangle“, „Bii Biyelgee“, gerade letzteres mit Partycharakter samt entsprechenden lautmalerischen Einwürfen). Zwar findet sich nach wie vor keine richtige Speednummer im Stile der alles überrennenden Reiterhorden Dschinghis Khans, aber „Yut Hövende“ an zweiter Stelle besitzt einen Rhythmus, der gleichermaßen galoppierend und schwingend daherkommt, was man in der Form auch erstmal hinkriegen muß. Und das neunminütige Epos „Black Thunder“, lange Zeit zunächst elegisch-atmosphärisch und dann stampfend unterwegs, schaltet ab Minute 6 dann tatsächlich in speedigere Gefilde um, eindrucksvoll unterstreichend, dass The HU sowas durchaus umsetzen könnten, wenn ihr Chefdenker ihnen eine solche Nummer schriebe. Die gewisse Monotonie in den Drums bleibt aber auch in dieser Speedpassage (gewollt!) erhalten, während sich die Saitenspieler immer weiter in rauschhafte Zustände manövrieren. Generell fällt allerdings auf, dass die Zahl an dichter arrangierten Nummern gegenüber dem Debüt deutlich angestiegen ist, so dass der Hörer einiges mehr zu entdecken hat als in Teilen des alten Materials, dem hier und da eine bewußte Kargheit eingepflanzt worden war, während andere Nummern schon damals deutlich vielschichtiger in Szene gesetzt waren. Dass The HU um die Bedeutung von Dynamik wissen, zeigen sie auch auf dem neuen Album, indem dem erwähnten furiosen Finale von „Black Thunder“ der balladeske Anfang von „Mother Nature“ folgt, einem weiteren Epos, das bis auf einige rhythmisch vertrackte Zwischenspiele überwiegend im entspannten Bereich bleibt. Hier kann man dann im bombastischen Finale auch problemlos mitsingen, denn die großen Chöre bedienen sich überwiegend international verständlicher Silben. Wer hingegen den alten Doom-Ansatz mochte, wird auf Rumble Of Thunder nicht ganz so oft fündig, aber ganz leer geht er auch nicht aus: Der schwere Stampfer „Shihi Hutu“ etwa fällt in dieses Beuteschema, garniert es indes mit ein paar ungewöhnlichen Zwischenelementen – aber wenn man mal genau auf die im Hintergrund mitlaufenden Pauken hört, wird einem der volle Reiz dieser Herangehensweise erst so richtig bewußt. Und weil The HU das Gebräu in dieser Weise mögen, legen sie den Closer „Tatar Warrior“ abermals ähnlich an, wenngleich ohne Pauken, aber dafür nochmal schleppender, in diversen Breaks wiederum treibender. So entsteht eine reichliche Stunde nach wie vor hochgradig origineller Stoff, dem auch derjenige, der die Grundherangehensweise von The Gereg zwar für interessant befunden, mit der Erschließung des Materials aber so seine Schwierigkeiten hatte, sein Ohr leihen sollte – vielleicht zündet das Material hier schneller.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | This Is Mongol | 3:45 |
2 | Yut Hövende | 5:34 |
3 | Triangle | 4:12 |
4 | Teach Me | 3:59 |
5 | Upright Destined Mongol | 4:50 |
6 | Sell The World | 4:24 |
7 | Black Thunder | 8:59 |
8 | Mother Nature | 6:57 |
9 | Bii Biyelgee | 4:18 |
10 | Segee | 4:40 |
11 | Shihi Hutu | 7:09 |
12 | Tatar Warrior | 5:03 |
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Besetzung |
Galbadrakh „Gala“ Tsendbaatar (Voc, Morin Khuur)
Nyamjantsan „Jaya“ Galsanjamts (Voc, Tumur Khuur, Tsuur)
Enkhsaikhan „Enkush“ Batjargal (Morin Khuur)
Temuulen „Temka“ Naranbaatar (Voc, Tovshuur)
Ayush „Jamba“ Jambaldorj (Mongolische Gitarre)
Byambaa „Davaa“ Nyamdavaa (Git, B)
Gantumur „Odko“ Odbayar (Dr)
Maralkhuu „Unu“ Unumunkh (Percussion)
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