Majestica

A Christmas Carol


Info
Musikrichtung: Symphonic Metal

VÖ: 04.12.2020

(Nuclear Blast)

Gesamtspielzeit: 41:08

Internet:

http://www.facebook.com/majesticametal


Aus ReinXeed (nicht ganz leicht zu merken, was die korrekte Schreibweise angeht) wurden nach sechs Alben nahtlos Majestica (deutlich leichter zu merken, was die Schreibweise angeht), obwohl Chefdenker Tommy Johansson parallel auch noch bei Sabaton einstieg, was sein Zeitbudget nicht eben entlasten half und einigen anderen seiner vielen Tätigkeiten tatsächlich das Dasein kostete – aber das erste eigene Baby will man natürlich nicht sterben lassen, zumal nicht, wenn man sich im Symphonic-Metal-Bereich schon einen ganz guten Ruf erspielt hat, obwohl nicht jeder mit dem opulenten Stil der Schweden klarkam. Was macht Johansson? Er setzt mit Majestica stilistisch genau dort an, wo er mit ReinXeed aufgehört hat (kein Wunder, da keine Umbesetzung stattgefunden hat), und er legt sogar noch eine Schippe drauf, indem er mit Album Nr. 2 gleich mal eine Weihnachts-Metal-Oper rausbringt. Das wird seinen Kritikern natürlich noch tiefere Zornesfalten bescheren – aber auf der anderen Seite könnte es ihm auch ein paar neue Anhänger bringen, die ihn und sein Schaffen bisher nicht auf dem Schirm hatten.
Wie sieht das Ganze nun strukturell aus? Zunächst ist festzuhalten, dass es sich beim zugrundeliegenden Konzept um – der Titel legt es dem Kenner bereits nahe – „A Christmas Carol“ von Charles Dickens handelt. Zwei Instrumentals rahmen sieben Stücke mit Gesang, wobei nicht nur alle vier Bandmitglieder jeweils mehrere Gesangsrollen übernehmen, sondern auch noch drei Gäste hinzutreten. Kurioserweise wird Bob Cratchit, der gutherzige Angestellte des gefühlskalten Hauptcharakters Ebenezer Scrooge, von gleich drei verschiedenen Menschen gesungen, auch einige der kleineren Rollen sind doppelt besetzt – ein konkreter Anlaß hierfür läßt sich spontan nicht erkennen, es sei denn, in der Livesituation müssen bei Dialogen entsprechend variable Konstellationen gefunden werden, und offensichtlich handelt es sich tatsächlich nicht nur um ein Studioprojekt, sondern es gibt jeweils in der Weihnachtssaison auch Liveaufführungen, wobei der Rezensent bisher allerdings keine miterlebt hat und daher nichts Näheres über die Umsetzung sagen kann.
Beschränken wir uns also auf die Betrachtung der reichlich 40 Minuten konservierter Musik. Grundsätzlich fällt auf, dass Johansson grundsätzlich keinen Deut von seinem mit ReinXeed und eben Majestica entwickelten Symphonic-Metal-Stil abweicht und das Spektrum nur an bestimmten Stellen erweitert. Zum einen gibt es wie erwähnt die unterschiedlichen Gesangsrollen, zum zweiten hat man solche zirkusartigen Metal-Motive wie in „Ghost Of Christmas To Come“ zwar schon von Nightwish gehört, aber im Johansson-Kontext noch nicht (und überhaupt gäbe der Song auch eine prima Nightwish-Nummer ab – man höre nur mal die Kinderchor-Arrangements!), und zum dritten baut der Chefkomponist insgesamt 13 Weihnachtslieder in das Material ein, was natürlich trotz teilweise abgewandelter Texte für fröhlichen Wiedererkennungswert sorgt, zumal das Ganze äußerst geschickt eingewoben und umgesetzt ist und etwa die Adaption von „Herbei, o ihr Gläubigen“ auf eine Stufe mit der formidablen metallischen Umsetzung dieses Chorals von den Brasilianern Kratos zu stellen ist. In diesem Fall zieht sich das Thema, wenngleich mollgewandelt, durch weite Teile eines Songs und kommt im Finale „A Christmas Has Come“ nochmal wieder, andere Themen werden nur kurz angespielt, und es ist Johansson hoch anzurechnen, dass er sich nicht auf allgemein geläufiges Liedgut beschränkt, sondern mit „Midnatt Råder“ und „Staffan var en stalledräng“ auch zwei schwedische Lieder verarbeitet, deren Bekanntheitsgrad in Mitteleuropa nicht so groß ist wie der von „Hark! The Herald Angels Sing“ oder „Stille Nacht“. Der große stilistische Bogen spannt sich dahingehend über das Material, dass die ersten Songs insgesamt schroffer daherkommen und sich in gleicher Weise, wie der hartherzige Ebenezer Scrooge den mildtätigen Geist eingepflanzt bekommt, auch die Musik friedlicher gestaltet, zunächst mittels der Ballade „The Joy Of Christmas“ und dann nach der theatralischen Klimax „Ghost Of Christmas To Come“, nach der eben kein großes Bombastfinale anhängt, sondern das feierliche „A Christmas To Come“ und als instrumentales Outro das noch einmal diverse Themen rekapitulierende Instrumental „A Majestic Christmas Theme“, was vom Aufbau her ein wenig an Nightwishs „Imaginaerum“ erinnert. Als vierzehntes „fremdes“ Element tritt übrigens noch Franz Schuberts Militärmarsch Nr. 1 in Erscheinung. Musikalisch muß man natürlich auch mit viel Glockenspiel und ähnlichen Elementen klarkommen, aber der Süßlichkeitsfaktor liegt niedriger als bei vielen Produktionen des Trans-Siberian Orchestra, wobei freilich die These, dass der Anhänger des einen auch mit dem anderen klarkommen dürfte, kaum bestreitbar ist, zumal natürlich auch an den technischen Komponenten nichts auszusetzen ist. Beinharte Agnostiker werden selbstredend auf dem Zahnfleisch gehen, aber das ist sujetbedingt – und vielleicht holt dann doch mal jemand die Dickens-Erzählung heraus und macht sich deren sozialpolitischen Gestus zueigen. Ob man das Werk unbedingt zwischen Februar und November hören muß, ist eine andere Frage, aber für diese Zeit gibt es ja auch die sechs ReinXeed-Alben und das Majestica-Debüt Above The Sky.



Roland Ludwig



Trackliste
1A Christmas Carol1:44
2A Christmas Story5:02
3Ghost Of Marley4:39
4Ghost Of Christmas Past5:09
5The Joy Of Christmas5:35
6Ghost Of Christmas Present4:41
7Ghost Of Christmas To Come4:26
8A Christmas Has Come4:50
9A Majestic Christmas Theme4:59
Besetzung

Tommy Johansson (Voc, Git, Keys, Sleigh Bells)
Alex Oriz (Git, Voc)
Chris David (B, Voc, Sleigh Bells)
Joel Kollberg (Dr, Voc)



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