Janacek, L. – Brahms, J. – Bartok, B.
Duos für Violine und Klavier
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Info |
Musikrichtung:
Spätromantik / Klassische Moderne / Kammermusik
VÖ: 13.01.2023
(Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2022 / Alpha 885)
Gesamtspielzeit: 72:18
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GRENZGÄNGE
Seit rund 20 Jahren kennen sich der Pianist Fazil Say und die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und konzertieren auch miteinander. Mit Say präsentiert die Alpha-Künstlerin nach „Pat & Sol“ ein weiteres, dabei ganz anderes Freundschaftsalbum mit ausgewählter Kammermusik. Dieses Mal sind es Gipfelwerke der Späterromantik und Frühmoderne. Die Trias Brahms – Janacek – Bartok verbindet zunächst eine gewisse zeitliche Nähe, drei Generationen folgen hier aufeinander, die in der nachklassisichen und nachromantischen Epoche nach neuen Wegen gesucht haben.
Janacek und Bartok gingen ihren Weg unter Einbeziehung von traditioneller Folklore, die sie zugleich transformierten und in ihrer Modernität ausstellten. Bei Brahms mag so etwas anklingen, er ist aber von den dreien wohl derjenige, der hier am ehesten noch der klassischen Tradition verbunden ist, wobei die späte Violinsonate gewissermaßen ein Vermächtnis mit Ausblicken nach vorne darstellt.
Freilich werden die Stücke von Say und vor allem Kopatchinskaja mit flexibler (Bogen)Attacke derart akribisch ausgeleuchtet und unter musikalische Hochspannung gesetzt, dass am Ende das Verbindende überwiegt: eine gleichsam protoavantgardistische Musikalität, die Brahms manchmal impressionistische Züge verleiht, Bartok und Janacek hingegen weit ins 20. Jahrhundert hinein projiziert. Insbesondere bei Bartok gibt es dann Klänge, wo sich die Nackenhärchen wohlig aufstellen.
Dieses Spiel wirkt immer wieder erstaunlich spontan und verleiht der Musik eine improvistorische Offenheit: Kammermusik in freier Wildbahn. So ein Ansatz funktioniert bei den beiden moderneren Komponisten besser als beim doch noch etwas gediegeneren Brahms, dessen Architektur in den schnelleren Sätzen rasch zerklüftet wirkt. Da wäre weniger Druck mehr gewesen.
Gleichwohl Die rückhaltlose Emphase und Dringlichkeit, mit der hier musiziert wird, berührt, selbst wenn man angesichts der zwischen den Say und Kopatchinskaja zirkulierenden Klangenergie als Hörer manchmal etwas außen vor bleibt. Wie sagt die Geigerin über ihren Partner: "Musik, die aus allen Poren strömt." Das darf man sicherlich auf beide beziehen.
Und muss man sich auch als Hörender erst einmal einlassen. Angesichts der wagemutigen Grenzgänge der beiden braucht es dafür eine angemessene rezeptorische Betriebstemperatur, um mitwandern zu können. Man sollte die gewählten Routen auch nicht alle auf einmal abschreiten, sondern sich nach ausreichender Einschwingzeit Muße zur Erkundung nehmen. Anfängern seien gemäßigtere Interpretationen empfohlen, die es leichter machen, die Stücke kennen zu lernen.
Klanglich ist die Produktion tadellos, sehr klar, tiefen- und kontrastscharf aufgenommen. Der Booklettext bietet statt Werkeinführung ein Künstlergespräch, das aber mehr über die Beziehung von Kopatchinskaja und Say als über die Stücke aussagt.
Georg Henkel
Trackliste |
Leos Janacek: Violinsonate
Johannes Brahms: Violinsonate Nr. 3 d-moll op. 108
Bela Bartok: Violinsonate Nr. 1 op. 21 |
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Besetzung |
Patricia Kopatchinskaja, Violine
Fazil Say, Klavier
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