Alexander Hawkins Mirror Canon

Break A Vase


Info
Musikrichtung: Avantgarde/Jazz

VÖ: 21.01.2022

(Intakt)

Gesamtspielzeit: 49:34

Internet:

http://www.alexanderhawkinsmusic.com/index.html
https://www.intaktrec.ch/release.htm
http://www.nuzzcom.com/


Der Pianist Alexander Hawkins stammt aus Oxford. Neben dem Piano hat er sich mitunter auch der Hammond-Orgel gewidmet. Mit zahlreichen namhaften Musikern hat er bereits zusammengearbeitet. Grundsätzlich mag man ihn als Jazzmusiker einordnen, doch hat er sich stets durch seine Offenheit ausgezeichnet, spielte mit afrikanischen Musikern, imoprovisierenden Ensembles und auch Funk. Mithin sind seine Spuren stets kreativer Natur gewesen, wie auch auf der aktuellen Platte Break A Vase.

Eingespielt hat der Protagonist diese Platte unter dem Ensemblenamen Alexander Hawkins Mirror Canon. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um ein Trio, mit dem Bassisten Neil Charles und dem Schlagzeuger Stephen Davis. Ergänzt werden die Drei um den Saxofonisten Shabaka Hutchings, den Gitarristen Otto Fischer und den Perkussionisten Richard Olátúndé Baker.

Nach einem mehr als Einleitung anzusehenden Song, nur mit dem Piano, startet die Platte dann mit "Stamped Down, Or Shovelled", das ganz verschiedene Elemente enthält, afrikanische Perkussion trifft auf Jazz und Jazz Rock, ein wenig mit britischer Prägung im Sound der Siebziger. Einige Dissonanzen, von Hawkins mit dem Piano eingestreut, sorgen für eine freie avantgardisch anmutende Auflockerung und zusammen ergibt das eine aufregende und sehr mitreissende Mixtur, die voller explosiver Kraft strahlt.

Im Booklet ist nachzulesen, dass der Pianist im Jahr 2020 Teil eines britischen Quartetts war unter der Leitung von Anthony Braxton, der für seine extravagante musikalische Ausrichtung bekannt wurde. So schreibt Hawkins, dann man sich dermaßen beflügelt fühlte, dass man neue Gebiete suchen und erforschen wollte.

Diese Suche nach musikalischem Neuland veranlasste ihn, ein Ensemble zu gründen, das schließlich in diesen Aufnahmen mündete. Die vielschichtigen musikalischen Ausrichtungen jedes einzelnen Ensemblemitgliedes waren es schließlich, die diesen teils wenig zugänglich wirkenden Sound ergaben. So ist bereits "Sun Rugged Billions" ein äußerst "unbequemer" Song, frei und sehr avantgardistisch gestaltet, spontan muss ich da eine ganz bestimmte Platte denken, "Afternoon Of A Georgia Faun" von Marion Brown (1970). Doch so bleibt es im Verlauf der Platte nicht.

Freie und unstrukturiert wirkende Parts treffen auf perkussive Ausrichtung, auf Strukturen des Jazz Rocks, auf schwebende Passagen im Sinne von Big Band-Arrangements. Dann wieder unterbricht Hawkins wieder mit einem reinen Solo-Beitrag, wie zum Beispiel beim Titelsong, doch die Vase scheint hier nicht unbedingt zu zerbrechen, sie wirkt noch ganz. Dennoch scheinen diverse Splitter herumzufliegen, wenn man "Domingada Open Air" lauscht. Klangfragmente scheinen auf der Suche zu sein, auf der Suche danach, sich wieder zusammenzufügen.

Sie treffen sich dann im "Stride Rhythm Gospel", dass sich zu Beginn anhört wie Musik einer Zirkuskapelle. Dann wird es doch noch relativ ungeordnet, ich assoziiere nun spontan, hin zum bereits erwähnten Anthony Braxton, zu Sun Ra oder auch zum Willem Breuker Kollektief. Otto Fischer wirft mit seiner Gitarre Klangfetzen hinein, zu denen sich auch solche vom Piano gesellen. Nur das Saxofon hält darüber eine gewisse Gradlinigkeit ein, während sich dahinter die Musik aufzulösen scheint. Es wird wuchtiger und freier , man erwartet jeden Augenblick eine definitive Eruption. Doch vielmehr begibt sich die Stimmung in Auflösung, ein Gitarrenlauf schält sich plötzlich heraus, mündet in einem verhaltenen Solo, ab etwa knapp über fünf Minuten Spielzeit hat sich der Song dann wieder formiert, unterstützt von der Perkussion, Ja, das ist ein sehr kraftvoller Song!

Erneut sehr frei und im avantgardistischen Umfeld angesiedelt, werden wir mit "Even The Birds Stop To Listen" verabschiedet. Nun, mögen sich die Vögel auch verweigert haben, ich höre "tapfer" weiter. Denn die Musik dieser Platte muss man mehrfach hören, zu viel gibt es zu entdecken, zu sehr geht sie in Breite, Tiefe und Intensität, man könnte etwas überhören!

Vielleicht als weitere Erklärung zur Musik mag der Ausschnitt aus einer Dankesrede für den Nobelpreis sein, gehalten von Derek Walcott, 1992 Nobelpreisträger für Literatur, hier im Innencover abgedruckt: Zerbrich eine Vase, und die Liebe, die die Fragmente wieder zusammenfügt, ist stärker als die Liebe, die ihre Symmetrie für selbstverständlich hielt, als sie noch ein Ganzes war.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 The Perfect Sound Would Like To Be Unique (1:36)
2 Stamped Down, Or Shovelled (6:44)
3 Sun Rugged Billions (4:29)
4 Generous Souls (5:59)
5 Faint Making Stones (6:05)
6 Break A Vase (1:29)
7 Chaplin In Slow Motion (6:21)
8 Domingada Open Air (6:51)
9 Stride Rhyme Gospel (6:30)
10 Even The Birds Stop To Listen (3:25)
Besetzung

Richard Olátúndé Baker (adamo [talking drum], percussion)
Neil Charles (acoustic bass guitar, double bass)
Stephen Davis (drums)
Otto Fischer (electric guitar)
Alexander Hawkins (grand piano, upright piano, sampler)
Shabaka Hutchings (flute, soprano and tenor saxophones)



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