Darkwoods My Betrothed

Angel Of Carnage Unleashed


Info
Musikrichtung: Black Metal

VÖ: 12.11.2021

(Napalm)

Gesamtspielzeit: 50:35

Internet:

http://www.darkwoodsmybetrothed.com


Darkwoods My Betrothed brachten in den Neunzigern drei Alben heraus, bevor sie auf dem Bandfriedhof verschwanden und sich Bandkopf Teemu Kautonen um andere Dinge kümmerte, u.a. um Wizzard und um das Übersetzen der Texte für In frostigen Tälern von Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus (mit dem im zugehörigen CD-Review beschriebenen kultig-schrägen Ergebnis). Als Gastkeyboarder war damals anfangs ein Jugendlicher dabei, der als Austauschschüler in den USA auf den metallischen Geschmack gekommen war und nicht unmaßgeblichen Anteil daran hatte, dass das blackmetallische Geprügel der Band etwas mehr Atmosphäre und Struktur verliehen bekam als das so mancher Genregenossen, was schon im Sechzehnminüter „Yggdrasil’s Fall“ auf dem Debütalbum Heirs Of The Northstar auffiel. Trotzdem wurde ihm das Korsett bald zu eng, und er machte sich daran, ein Akustikprojekt zu gründen, aus dem dann eine der allerbesten, wenn nicht die beste Formation des Symphonic-Metal-Areals erwachsen sollte: Nightwish.
Die Rede ist, wie man sich denken kann, von Tuomas Holopainen, und der hatte mit Nightwish fortan alle Hände voll zu tun. Als er mal Bandpausen ausrief, entstanden sein (missglücktes) Soloalbum Music Inspired By The Life And Times Of Scrooge (über Dagobert Duck) sowie gemeinsam mit seiner Gattin Johanna Kurkela und seinem Nightwish-Kollegen Troy Donockley das Bandprojekt Auri samt selbstbetiteltem Debütalbum. Nun bremste ein gewisses Virus allerdings auch zahlreiche Nightwish-Aktivitäten, allen voran die Touren zur Promotion des Hvman. :||: Natvre.-Albums, aus, und so hatte Holopainen auf einmal eine Menge Zeit im Kalender frei. Die nutzte er einerseits, um ein weiteres Auri-Album einzuspielen, aber auch, um seine alten Kumpane von Darkwoods My Betrothed wieder zusammenzutrommeln und mit denen ein neues Album einzuzimmern, wobei er diesmal nicht nur Gaststatus hat, sondern offizielles Bandmitglied ist. Drei der vier Ur-Musiker folgten dem Ruf, einzig der Drumhocker blieb verwaist, so dass Holopainen gleich noch Nightwish-Trommler Kai Hahto mit ins Studio schleppte, der allerdings seinerseits nur Session-Mitglied blieb.
Kautonen hatte sich zwischenzeitlich mit Steven Parham zusammengetan und das Albumkonzept für Angel Of Carnage Unleashed entworfen, das auf Basis des 2019 erschienenen Buchs „Murhanenkeli“ aus der Feder des Historikers Teemu Keskisarja entstand, welches Parham in die Lyrics für die acht neuen Songs (dazu kommt ein instrumentales Outro) verwandelte. Im Gegensatz zur Aufarbeitung der nordischen Mythologie („Yggdrasil’s Fall“ war diesbezüglich programmatisch) in der früheren Schaffensperiode geht es diesmal um reales Kriegsgeschehen der nordischen Geschichte, und zwar aus dem Großen Nordischen Krieg, der sich partiell auch auf finnischem Territorium abspielte, wobei die Jahre unter russischer Besatzung von 1714 bis 1721 der finnischen Bevölkerung großen Schaden zufügten, und im Buch geht es generell um die Landbewohner als grundsätzliche Verlierer (nicht nur) dieses Krieges, egal von wem das Areal gerade erobert worden war, wobei die russischen Truppen von Peter I. mit ihrer Taktik der verbrannten Erde allerdings noch eine Schippe aufs allgemeine Leid drauflegten, wenngleich sie damit den Krieg letztlich gewannen (aber die finnischen Eroberungen 1721 beim Friedensschluß trotzdem zurückgeben mußten).
Was bietet Angel Of Carnage Unleashed nun aber musikalisch? Der Opener „Name The Dead“ hebt mit einer etwas verstimmt und zudem arhythmisch anmutenden Orgel an, die „Ein feste Burg ist unser Gott“ intoniert, bevor der Rest des Songs fast komplett aus wildem Black-Metal-Geprügel besteht, gegliedert im wesentlichen nur durch einen langsameren Zwischenteil. Erst Song 2, das achtminütige „In Evil, Sickness And In Grief“, findet zu einem differenzierten und vielschichtigen Aufbau, dem durchaus einiges an Spannung innewohnt und in dem sogar Johanna Kurkela atmosphärische Backing-Vokalisen singen darf. Möglicherweise ist die schroffe Ausrichtung des Openers also storybedingt, denn was die Band wirklich kann (und was von einem gereiften Tuomas Holopainen auch zu erwarten ist), das zeigt sie dort noch nicht, sondern erst ab dem besagten zweiten Song, wobei die metallische Härte nie unterrepräsentiert anmutet: Die Einordnung in den melodisch-sinfonischen Black Metal bleibt unbestritten. Nur mit Jan Holm als gelegentlich das Geschehen voranbringendem Märchenonkel wird man nicht so richtig warm. Dafür müssen dann eben die anderen Beteiligten in die Bresche springen, etwa Markku Kaustia, der als weiterer Gast die Gitarrensoli eingespielt hat, obwohl eigentlich schon drei Gitarristen zur Band gehören (zwei hauptamtliche und dazu Kautonen, der hier zwar als Bassist dabei ist, aber auch Gitarre spielen kann). Die stampfende Hymne „Murktide And Midnight Sun“ an dritter Position läßt Parallelen zu den späteren Werken der Band in ihrer ersten Aktivitätsperiode erkennen, während die enorm vorwärtszerrende Anlage von „Where We Dwell“ in ihrer einleitenden Entwicklung auch als extremere Nightwish-Nummer denkbar gewesen wäre. Mit „In Thrall Of Ironskull’s Heart“ fahren Darkwoods My Betrothed gar zunächst zwei Minuten episch-balladesker Klänge auf, die aber rüde unterbrochen werden – nicht mit einem Übergang in wüsten Black Metal allerdings: Der Rest des Songs offeriert epischen Classic Metal in Reinkultur, Pasi Kankkunen durchgehend clean singen lassend, rhythmisch ein wenig an die Hammerheart-Bathory erinnernd, aber die seither gewonnenen Erfahrungen in Spielkultur, Atmosphäreaufbau und weiteren Tugenden gekonnt einsetzend und damit wohl den Höhepunkt des Albums markierend, wenn man nicht zur Zunft gehört, die das wilde Geprügel vorzieht. Das bekommt man dann in „Massacre“ nach spannender Songentwicklung inclusive sinistrem Synthiesolo Holopainens – aber auch hier wird kontrollierter losgeholzt als im Opener, und nur die Hintergrundvocals klingen derart überdreht, dass Cradle-Of-Filth-Dani dagegen wie ein braver Chorknabe wirkt und man eher vermuten würde, dass man hier eine Parodie vor sich hat (sowas wie Vicki Vomit in „Im Grunde meines Herzens bin ich Elektriker“), was aber offenkundig nicht so gemeint war. Das intelligente Arrangement überzeugt freilich auch hier, und auch „Black Fog And Poison Wind“ reiht sich da ein und könnte bis auf die Blastparts auch für eine Nightwish-Scheibe umgesetzt werden. Nur bleiben auch hier diese seltsam überdrehten Hintergrundschreie nicht aus – die Duette zwischen blackmetallischem Geknurr und einigen Ausflügen ins Death-Metal-Gebrüll muten interessant an, aber spätestens wenn dieses überdrehte vokale Geräusch am Songende auch noch a cappella ertönt, ist man von der Ernsthaftigkeit des hier Gebotenen endgültig nicht mehr überzeugt, sondern weiß nicht so richtig, ob man eher Muppet Show, Sesamstraße oder Ghostbusters hört, zumal schon der Songtitel verdächtig nach Manowar klingt. Daran ändern auch die knapp zwei Minuten filmsoundtrackartiges und orchesterdominiertes, mäßig dramatisches Outro nichts mehr.
So bleibt am Ende ein eher verwirrter Eindruck zurück, warum Darkwoods My Betrothed ein vielschichtiges und interessantes, offenbar ernstes Werk ausgerechnet mit den zwei seltsamsten Nummern rahmen, von denen die eröffnende die folgende Größe nicht mal erahnen läßt und die letzte das Ganze ins Lächerliche zu ziehen droht. Vielleicht gehört ja auch das zur zugrundeliegenden Geschichte, und der Rezensent hat es nur nicht verstanden. Aber das kann auch irgendwie nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Holopainen-Sammler müssen natürlich trotzdem zugreifen.



Roland Ludwig



Trackliste
1Name The Dead5:06
2In Evil, Sickness And In Grief8:14
3Murktide And Midnight Sun4:10
4You Bitter Source Of Sorrow5:52
5Where We Dwell7:04
6In Thrall To Ironskull’s Heart8:25
7Massacre5:05
8Black Fog And Poison Wind4:42
9Outro1:51
Besetzung

Pasi Kankkunen (Voc, Git)
Jouni Mikkonen (Git)
Tuomas Holopainen (Keys)
Teemu Kautonen (B)



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