Valhalla
Ultimate Anthology 84-86
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Der nordreligiöse Himmel dürfte zu den beliebtesten Bandnamen im hart rockenden Sektor zählen. Zum Rezensionszeitpunkt listet die Encyclopedia Metallum allein für die Schreibweise Valhalla 22 Bands auf, davon sieben aus den USA. Eine der sieben siedelte in Pittsburgh, und deren Quasi-Gesamtwerk ist hier auf einer Doppel-CD zusammengefaßt. Dabei hatte Arno Hofmann im ersten Band der US-Metal-Lexikon-Reihe diesbezüglich eher wenig Hoffnung verbreitet: „Auf dieser ... Scheibe wurden zwar kurioserweise Fotos des LP-Produzenten sowie des Engineers abgebildet, eine Kontaktadresse oder ähnliches druckte die Band aus unerfindlichen Gründen jedoch nicht ab. Deshalb bleiben nähere Einzelheiten über diese großartige Eintagsfliege wahrscheinlich für immer im Dunkel der Zeit verborgen.“ Wie wenig zu diesem Zeitpunkt (1996) über Valhalla bekannt war, zeigt die Tatsache, dass Hofmann, durchaus Szenekenner, die Formation in Kanada verortete. Seine Prophezeiung allerdings bewahrheitete sich nicht: 2001 erschien in Griechenland eine 11-Track-CD von Valhalla, und diese findet nunmehr sozusagen eine erweiterte Neuauflage.
Valhalla zählen zu den Bands, deren Mitglieder sich teils schon von Kindesbeinen an kannten – allerdings fehlte Snowblind, wie sich Gitarrist Bill Hornyak, Bassist Joe Mutch und Drummer Ed Horgan anfangs nannten, lange Zeit ein vernünftiger Sänger, bis sie 1980 auf David Fefolt stießen und unter dem neuen Namen Armageddon nunmehr eine schlagkräftige Besetzung beisammenhatten, die freilich nur so lange hielt, bis Fefolt aus Pittsburgh wegzog. Von der sich gerade auflösenden befreundeten Band Soothsayer holte sich das verbliebene Trio zunächst Keyboarder John Merkl, dann Sänger Dave Gonzalez, übernahm den Soothsayer-Song „Valhalla“ in ihr Repertoire und kam schließlich überein, sich in Valhalla umzubenennen. Gonzalez blieb allerdings nicht lange und wurde durch niemand anders als Fefolt, der wieder nach Pittsburgh zurückgekehrt war, ersetzt. Das Quintett spielte in Eigenregie nunmehr eine Sechs-Song-Mini-LP ein – das ist die Scheibe, die Hofmann im zitierten Artikel beschrieb und die doch eine gewisse Verbreitung fand. 1985 beschloß die Band, nach Phoenix umzuziehen, aber dort kam sie auch keinen Schritt vorwärts, obwohl in diesem Jahr noch fünf weitere Demotracks eingespielt wurden. 1986 kehrte Hornyak nach Pittsburgh zurück, Horgan bekam gesundheitliche Probleme, und Fefolt stieg bei Doug Marks‘ Projekt Hawk (bei dem der noch weitgehend unbekannte Matt Sorum trommelte) ein und arbeitete dann mit Alex Masi zusammen, womit Valhalla Geschichte waren.
Dass die Re-Releases ausgerechnet aus Griechenland kommen, wundert bei der dortigen glühenden Verehrung für Epic Rock und Epic Metal nicht, und auf dem Grat zwischen epischem Hardrock und epischem Metal balancierten Valhalla tatsächlich, wobei sich die Metalelemente auf einzelne härtere Nummern wie das schnelle „Nightstalker“ beschränken, während der Großteil des Materials im Hardrock angesiedelt ist, wobei man stellenweise sogar das „Hard“ einklammern muß, wenn man etwa die B-Seite der originalen Mini-LP hört. „Valhalla“ bleibt dort eher zurückhaltend (also nix mit wilder Met-Party und vollbusigen Walküren), „Ship Of Dreams“ ist eine komplette Ballade mit nur einem kurzen härteren Intermezzo, und „In Her Eyes“ klingt auch drei Minuten lang eher nach Bands wie Karat (die freilich in den USA niemand gekannt haben dürfte außer vielleicht ein paar exilierten Kubanern, die die DDR-Truppe, die in Castro-Land einen hohen Bekanntheitsgrad besaß, in Erinnerung behalten haben könnten), bevor Horgan das Tempo anzieht und ein frenetischer Schlußteil anhängt, der in einem langen und hohen Schrei Fefolts kulminiert. Die von Hofmann gezogenen Rush-Parallelen kann der Rezensent kaum nachvollziehen, einzig in Merkts Keyboardsound finden sich bisweilen Elemente, die auch Rush in ähnlicher Form eingesetzt haben. Statt dessen springen andere Bands ins Hirn, am stärksten Saracen, aber auch Monomach (die freilich viel später aktiv waren) oder diverse Nordeuropäer wie Lynx, und die balladesken Teile von „Temptress“ lassen noch einen weiteren Einfluß erkennen, der auf den hier beginnenden Demoaufnahmen viel stärker durchscheint als im Albummaterial: Rainbow. Fefolt erinnert in einer Stimmlage nicht selten an Ronnie James Dio, und die setzt er auf dem Album kaum ein, auf dem Demo aber deutlich öfter – und wenn der Song dann in den zurückhaltenden Passagen noch ein wenig den Spirit von „Catch The Rainbow“ atmet, ist der Vergleich perfekt. Noch näher rückt das folgende „Caught A Prisoner“ an Ritchie & Co. heran: Die Einleitung ist stark an „Spotlight Kid“ angelehnt, und auch im weiteren Verlaufe dieser flotten Nummer denkt man des öfteren an besagten Song, wobei das Kuriosum darin besteht, dass Dio auf diesem ja gar nicht mehr zu hören war, das Hirn hier also zwei Elemente verknüpft, die es bei der „Vorbildband“ in dieser Kombination gar nicht gegeben hat. Die Demotracks fallen soundlich erwartungsgemäß etwas ab, sind aber klar genug abgemischt, dass man Vocals, Gitarre, Baß und Drums gut wahrnehmen kann – einzig die Keyboards stehen ziemlich weit im Hintergrund und verlassen diesen nur in einigen Solospots, z.B. im furiosen zweiten Teil des Solos von „Caught A Prisoner“. Offensichtlich wurden diese fünf Songs unter Livebedingungen aufgenommen, denn sobald Hornyak Leads zu spielen beginnt, gibt es keine Rhythmusgitarre mehr. „Reign Of The Wizard“ beginnt mit einem Keyboardintro, das quasi wie der Zwillingsbruder von „Break Of Darkness“ anmutet, welchletzteres das Intro der LP darstellt, dort aber als eigenständiger Song vor „Looking For The Light“ fungiert. Im Falle eines regulären Releases hätte man die Grundstrukturen problemlos übernehmen können, aber vermutlich noch das eine oder andere Detail überarbeitet – „Temptress“ etwa evoziert gegen Ende einen Part mit steigender Tempodramatik, die aber ins Leere führt, weil der Song dann einfach endet.
Diese elf Nummern bildeten den erwähnten 2001er Release – aber das Repertoire von Valhalla war deutlich größer, nur eben nicht als Studioaufnahme verfügbar. Das ließ Drummer Horgan nicht ruhen, und er grub tatsächlich noch zwei alte Livemitschnitte aus, einen von 1985 aus einem Club mit dem schönen Namen The Foggy Bottom Inn und einen von 1986 aus einem Club in Phoenix mit dem nicht weniger schönen Namen The Bootlegger. Sechs Songs des ersten und drei des zweiten wurden aufgearbeitet, in einem griechischen Studio remastert und der 2001er CD als zweite Scheibe beigegeben, was als Ergebnis die nun hier vorliegende Anthologie hervorbringt. Unter den neun Songs findet sich mit „Nightstalker“ nur ein einziger, der auch auf der ersten CD steht – ergo bekommt der geneigte Anhänger hier gleich acht bisher unveröffentlichte Valhalla-Nummern geliefert, und das dürfte auch manchen Besitzer der 2001er Scheibe abermals zur Geldbörse greifen lassen, um sich eines der 500 Exemplare der Anthologie zu sichern. Soundliche Wunderdinge darf man von den Livemitschnitten natürlich nicht erwarten, aber speziell der Gesang steht glänzend im Rampenlicht, und das hat Fefolt mit seiner überwiegend starken Leistung auch verdient. Die Dio-Anklänge in einer bestimmten Stimmlage treten auch in diesen Songs auf, und so erscheint es ganz besonders verwunderlich, dass man diese im regulären Studiomaterial nicht so ausgeprägt vorfindet. Um die Keyboards durchzuhören, muß man sich auch in den Livetracks etwas anstrengen, viel Baß gibt es da auch nicht, und mit ein paar Soundschwankungen muß man ebenfalls klarkommen, aber der dokumentarische und auch der musikalische Wert dieser Entdeckungen lassen solche Probleme eher zweitrangig erscheinen. Mit „It Never Ends“ ist auch wieder eine speedige Nummer vertreten, die hier direkt vor „Nightstalker“ plaziert wurde und damit sozusagen die obere Härtegrenze des Valhalla-Materials gleich doppelt zementiert, wobei die Nummern im Set aus dramaturgischen Gründen sicherlich nicht direkt nacheinander gespielt worden sein dürften. Aber das kann letztlich nur derjenige genau sagen, der die Band während ihrer eher kurzen Existenz mal live erlebt hat, und der Rezensent gehört naturgemäß nicht dazu – eine Reunion hat bisher auch noch nicht stattgefunden, obwohl vier der fünf alten Mitglieder direkt an diesem Re-Release mitgearbeitet haben, da sie eine eigene Dankesliste samt eines aktuellen Fotos im Booklet haben. Nur Fefolt fehlt dort, und wenn er seine Stimme über die letzten 30 Jahre entsprechend konserviert haben sollte, wäre er natürlich eine zentrale Figur einer Wiedervereinigung, die darüber hinaus eines gesunden Horgan bedürfte. Aber der dankt im Booklet einem Arzt namens Damon Combs „for putting back the thunder in my feet“, also scheint es nach ernsten Problemen diesbezüglich wieder aufwärts zu gehen.
Zurück zum Material von CD 2: Das Stilspektrum auch der ersten sechs Nummern ähnelt stark dem der elf Songs auf der ersten CD. Die beiden Speedies wurden schon erwähnt, „Silence The Night“ geht als Zwillingsbruder von „In Her Eyes“ durch und gipfelt in einem frenetischen Gitarrensolo, „Hallowed Is The Dawn“ und „The Mystic Warrior“ bieten den bandtypischen Epic Rock, der auch Saracen-Anhängern gefallen könnte, und „Now And Forever“ plaziert sich vom Feeling her irgendwie auf halber Strecke zwischen Rainbow und den ruhigen Passagen von Uriah Heeps „July Morning“. Die letzten drei Songs, also die aus Arizona, sind vom Soundgewand her deutlich baßlastiger, ansonsten aber auch nicht grundsätzlich vom Rest verschieden – im Detail aber schon. Gleich „Ruler Of The Night“ baut zwar mit Midtempopassagen und einem kräftigen Riff Druck auf, relativiert dieses Bild aber auch wieder mit einem zentralen Akustikbreak, und auch bei den beiden anderen Tracks kann man keine Keyboards ausmachen, so dass die Musik hier einen Deut kerniger wirkt, ohne jedoch gar zu weit in den Metalsektor vorzustoßen. Publikum hört man in den Livemitschnitten übrigens keins, von ein paar Stimmfetzen in „Blood Eagle“ abgesehen. Aber auf das Feeling eines Livealbums kam es in diesem Falle ja auch nicht an.
So ist der Name Ultimate Anthology für die vorliegenden reichlich anderthalb Stunden Musik durchaus gerechtfertigt: Hier wurde mit viel Liebe zum Detail gearbeitet – das Booklet enthält nicht nur Liner Notes und tonnenweise historische Fotos, sondern auch alle (!) Lyrics, also auch die der Demo- und Liveaufnahmen. Da muß sich also jemand nochmal die Arbeit gemacht haben, alles haarklein herauszuhören, sofern es nicht noch irgendwo schriftliche Aufzeichnungen gegeben haben sollte. Das Cover ist das der selbstbetitelten Mini-LP, eine Zeichnung vom klassischen Kampf Gut gegen Böse, von Hofmann mit einer Black-Metal-Assoziation versehen, die freilich völlig fehl am Platze gewesen sein dürfte, aber vielleicht trotzdem dem einem oder anderen härtere Musik versprechend. Im Härter-und-schneller-Wettstreit der Achtziger wollten Valhalla nicht mitmischen, und der in einem der unter dem Cleartray abgebildeten Zeitungsausschnitte von 1985 erwähnte Showcase im Studio 54 in New York für Elektra führte auch nicht zu einem Signing, was angesichts der Qualität des Songmaterials durchaus schade ist. Wer sich im musikalischen Spannungsfeld zwischen Rainbow und Saracen wohlfühlt, könnte hier jedenfalls interessantes Hörfutter an Land ziehen.
Roland Ludwig
Trackliste |
CD 1
1. Break Of Darkness (00:46)
2. Looking For The Light (05:23)
3. Nightstalker (03:57)
4. Valhalla (04:40)
5. Ship Of Dreams (05:49)
6. In Her Eyes (05:08)
7. Temptress (06:15)
8. Caught A Prisoner (04:23)
9. On The Edge (04:56)
10. Tribulation (04:15)
11. Reign Of The Wizard (03:56)
CD 2
1. Hallowed Is The Dawn (05:55)
2. The Mystic Warrior (04:47)
3. It Never Ends (04:21)
4. Nightstalker (Live) (03:24)
5. Silence The Night (06:56)
6. Now And Forever (04:28)
7. Ruler Of The Night (04:51)
8. She's A Lie (03:51)
9. Blood Eagle (05:14) |
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Besetzung |
David Fefolt (Voc)
Bill Hornyak (Git)
John Merkt (Keys)
Joe Mutch (B)
Ed Horgan (Dr)
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