Skinflint
Chief Of The Ghosts
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Skinflint dürften die dem mitteleuropäischen Hörer geläufigste Traditionsmetalband des afrikanischen Kontinents sein – jahrelange Aufbauarbeit in der Heimat der Band, Botswana, und ein Deal bei den Erzgebirgsbewohnern von Pure Steel Records, die bis auf das Debüt Massive Destruction auch das komplette Frühwerk der Band wiederveröffentlicht haben, hat einen Status ergeben, von dem andere Bands nur träumen können und dem allenfalls die Südafrikaner Agro ansatzweise nahekommen, die allerdings aufgrund der in ihrer Heimat schon deutlich ausgeprägteren rockmusikalischen Infrastruktur deutlich bessere Startbedingungen hatten als Giuseppe Sbrana und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen bei Skinflint. Chief Of The Ghosts bildet das insgesamt fünfte Album des Trios und präsentiert sich gegenüber dem 2015er Vorgänger Nyemba in der technischen Komponente abermals verbessert: Offenbar besitzt das sinnfälligerweise Metal Records genannte Studio im botswanischen Mokatse mittlerweile eine so gute Ausstattung, dass darin ein auch nach internationalen Maßstäben problemlos konkurrenzfähiges Soundgewand geschneidert werden kann (einzig das Mastering erledigte das Audiosiege-Studio in den USA) und man zumindest in dieser Komponente der Band keinerlei Exotenbonus mehr zugutezuhalten braucht. Das bedeutet nun aber freilich nicht, dass Skinflint etwa auch musikalisch „stromlinienförmig“ geworden wären – im Gegenteil: Sie ziehen ihren Stiefel nach wie vor konsequent durch, und das bedeutet, dass sie Epic Metal mit rhythmisch und lyrisch starker heimatlicher Tendenz spielen. Liner Notes zu den einzelnen Songs gibt es im Booklet zwar nicht, aber so kann man sich immer noch anhand der überwiegend, aber keineswegs ausschließlich in Englisch gehaltenen Lyrics auf Erkundung begeben, was die Regenbogenschlange im südlichen Afrika für eine Bedeutung besitzt, was sich hinter dem Begriff Iqungo verbirgt oder wer der albumtitelgebende Chef der Geister ist – hier und da muß man, um diesem Pfad folgen zu können, allerdings auch Setswana verstehen. Dazu gesellt sich als weitere markante Komponente das Drumming von Alessandra Sbrana, das mit zahlreichen afrikanisch geprägten Rhythmen aufwartet und so dem im Metal an völlig anderes Spiel gewöhnten Hörer einiges an Erschließungsarbeit abverlangt, das Material Skinflints somit originell, aber auch anstrengend machend. Dafür bietet die Gitarrenarbeit mehr Anknüpfungspunkte: Giuseppe Sbranas großes Vorbild sind offensichtlich nach wie vor Iron Maiden, und so hört man das, was Steve Harris seinen Gitarristen auf den Leib schrieb, einflußtechnisch in Songs wie „Iqungo“ oder „Rainbow Snakes“ immer mal durchschimmern, wobei der Tonfall allerdings in die Frühzeit der Eisernen Jungfrauen verweist, was im ausgedehnten Intro von „Rainbow Snakes“ dann dazu führt, dass man sich nicht wundern würde, wenn hier im Hauptteil plötzlich Paul DiAnno und nicht Giuseppe Sbrana zu singen beginnen würde. Auch das Soloduett in „Anyoto Aniota“, das Sbrana praktisch mit sich selbst spielt, atmet den klassischen Metal-Aufbruchsgeist der Frühachtziger, wie überhaupt die Soloarbeit diesmal einen stärkeren Trumpf der Band darstellt als früher. Für Tempofetischisten bieten Skinflint allerdings auch diesmal mit Ausnahme einiger Passagen im Titeltrack nichts – das Material bewegt sich in verschiedensten Midtempolagen, und selbst wenn der instrumentale Überbau einen geradlinigen speedigen Rhythmus ermöglichen würde, wie er das in „Milk Fever“ tut, entscheidet sich Alessandra Sbrana für einen betonungsverschobenen Dreierrhythmus, den sie erst im Mittel- und Schlußteil zugunsten eines doomigeren Tempos aufgibt, und da Giuseppe Sbrana hier auch noch ein Riff drüberlegt, das auch aus der Schule von Tony Iommi stammen könnte, ergibt sich einer der bereits auf früheren Alben hier und da auffällig gewesenen Parts mit einem gewissen Black-Sabbath-Touch. Aber trotz aller gelegentlicher Parallelen sind Skinflint nur sie selbst, und das gehört zu den größten Komplimenten, die man einer Metalband heutzutage machen kann. Dass einen hier Eigentümliches erwartet, macht schon das Intro „Borankana Metal“ klar, wo ein Gast namens Topito hinzukommt und vermutlich fürs Handclapping und die diversen anderen Rhythmen sorgt, über die der Gitarrist dann noch seine hier gleichfalls sehr eigenständigen Linien legt. Nur mit dem Gesang wird sich so mancher Hörer noch schwerer tun als mit der Schlagzeugarbeit – hier hören wir ein weitgehend melodiefreies Shouting, das sich allerdings von thrashigen Extremen fernhält und gar nicht so übermäßig angestrengt klingt, aber trotzdem im Epic Metal ungewöhnlich genug ist, dass die Erwartungshaltung mit der Realität bitter kollidieren könnte. Wer mit dem Gesang auf Attikas When Heroes Fall zurechtkam und sich eine noch melodiefreiere Version vorstellen kann, wird das nicht als Problem ansehen und der Freund der Vorgängeralben auch nicht, denn dort klang der Vokalist schon ähnlich. Das Songwriting halten Skinflint auch auf Chief Of The Ghosts wieder eher kompakt – von den acht Songs plus Intro überschreitet keiner die Fünfminutenmarke, auch wenn gleich mehrere zumindest in ihre Nähe kommen und man sich den schnelleren hinteren Teil des Titeltracks durchaus noch weiter ausgedehnt vorstellen könnte. Aber auch in der vorliegenden Form macht das Album, wenn man sich mit der eigentümlichen Stilistik anfreunden kann, durchaus Hörspaß, und sogar das wieder von Alessandra Sbrana gestaltete Cover macht diesmal einen qualitativen Quantensprung. Wer vom allgemeinen Einerlei im Metal gelangweilt ist, sollte dem Chef der Geister ein Ohr leihen.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Borankana Metal | 2:56 |
2 |
Ram Of Fire | 4:16 |
3 |
Iqungo | 4:40 |
4 |
Anyoto Aniota | 4:55 |
5 |
Ndondoncha | 3:11 |
6 |
Rainbow Snakes | 4:31 |
7 |
Milk Fever | 3:10 |
8 |
Anger Of The Spirits | 4:40 |
9 |
Chief Of The Ghosts | 4:50 |
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Besetzung |
Giuseppe Sbrana (Voc, Git)
Kebonye Nkoloso (B)
Alessandra Sbrana (Dr)
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