Antonio Sanchez & Migration
Lines In The Sand
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Antonio Sánchez, geboren am 1. November 1971 in Mexiko-Stadt, siedelte 1993 als Immigrant in die USA über und etablierte sich letztlich in der Jazzszene New York’s. Der Schlagzeuger trug entscheidend zur Entwicklung des Jazz mit lateinamerikanischer Prägung bei, spielte unter anderem mit dem Pianisten Danilo Pérez, mit David Sánchez und mit Pat Metheny in dessen Gruppe. 2014 wurden eigene Platten mit dem Echo Jazz ausgezeichnet.
Insofern ist der Mann mittlerweile kein unbeschriebenes Blatt mehr und legt mit Lines In The Sand ein weiteres Album vor. In den Liner Notes spricht der Drummer klare Worte, die sich gegen Donald Trump richten, gerade hinsichtlich des eigenen Migrations-Hintergrunds. Ein Anti-Trump-Album also. Nun, jedenfalls ist Sanchez stolz darauf. So schreibt er hierzu: I’m a proud immigrant. A proud Mexican and a proud American that feels torn by the injustices that are being perpetrated against so many innocent people in search of a better life. This album is dedicated to them and their journey.
Musikalisch beabsichtigte Sanchez auch umzusetzen, unter Verwendung guter Melodien, zugänglicher Harmonien und mit Groove. So betrachtet er die Musik als Geschichte und als erzählerische Darstellung. Und dabei ist es gelungen, diese mittels der ungewöhnlichen Besetzung in Musik umzuwandeln. Eine klassische Jazz-Besetzung ist das aber nicht, mit Vokalbeiträgen, Synthesizern sowie Bratsche und Cello.
Im “Intro“ hören wir ein Stimmengewirr, Polizeisirenen, es klingt nach Aufruhr, “This is wrong“ ruft jemand, spanischsprachige Fetzen kann man vernehmen, “Shame on you“-Rufe und dann ist plötzlich Ruhe, um Platz zu machen für die zwanzig-minütige Suite, “Travesia“. Das ist (für mich) eindeutig das Kernstück und ungeheuer spannend von Beginn an, musikalisch geht es in Richtung Fusion, da höre ich Weather Report, Miles Davis und ein Auf und Ab an Entwicklung innerhalb der Suite, es schwillt an, es ebbt ab, Sanchez akzentuiert mit seinem Schlagzeug, ist ganz zart und ist ganz wuchtig. Die Keyboards nehmen eine Melodie auf, hintergründig malt ein Synthesizer, Chorgesang wird eingesetzt, dazu Bläser und die bereits erwähnten Streichinstrumente und geben der Suite eine großartige Ausdruckskraft. Die Gesamtheit der Einzelkomponenten erzeugt eine helle Strahlkraft und birgt große Spannung und Farbigkeit, man ist recht gespannt darauf, welche Entwicklungen sich innerhalb der langen Spielzeit noch ergeben. Allein “Travesia“ rechtfertigt den Kauf der ganzen CD. Teil III steigert sich in den Intensität, bis zum Ende ein jäher Abriss stattfindet. Hier vermisse ich dann leider einen Abschluss.
Danach folgen drei relativ kurze Songs, verschiedene Stimmungen ausstrahlend, davon ist “Bad Hombres Y Mujeres“ das kraftvollste, ein kleines Rock – Jazz-Gewitter mit dem Schlagzeug im Vordergrund als bestimmender Faktor. Doch siehe da – eine weitere Suite, dieses Mal um die sechsundzwanzig Minuten lang, das Titelstück. Auch hier herrscht wieder absolute Spannung im Aufbau, und wie selbstverständlich fließen Elemente von Jazz, Fusion, Folklore, Latin Music nahtlos ineinander zu einer Melange höchster Güte. Ab Minute dreizehn regiert der Rocksound, Sanchez hämmert gnadenlos und die Bläser signalisieren, dass auch noch Jazz im Spiel ist. Bei dieser Suite werden Teile von Gedichten verwendet, gesprochene Elemente/Fragmente unterstützen dabei das Begehren des Protagonisten, den Immigranten ihr Recht zu gewähren. Somit zum Abschluss also ein leidenschaftliches Statement eines Mannes, der stolz darauf ist, Mexikaner UND US-Amerikaner zu sein!
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Travesía Intro (1:23)
2 Travesía (Part I - Part II - Part III) (20:08)
3 Long Road (6:57)
4 Bad Hombres Y Mujeres (8:43)
5 Home (6:17)
6 Lines In The Sand (Part I - Part II) (26:15)
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Besetzung |
Antonio Sanchez (drums, voice, additional keyboards)
John Escreet (piano, Fender Rhodes, Prophet synthesizer)
Matt Brewer (acoustic and electric basses)
Thana Alexa (vocals, effects)
Chase Baird (tenor saxophone and Ewi)
Nathan Shram (viola on "Travesía Part II")
Elad Kabilio (cello on "Travesía Part II" and "Long Road")
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