Bach, J. S. (Van Asperen, B.)

Die Kunst der Fuge


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 05.10.2018

(Aeolus / Note 1 / SACD 2017/ DDD / Best. Nr. AE 10154 )

Gesamtspielzeit: 77:00



FUGENWUNDERLAND

Über 20 Seiten umfasst der Aufsatz, mit dem der Cembalist Bob von Asperen in Johann Sebastian Bachs Opus ultimum Die Kunst der Fuge einführt. Die englische Fassung ist noch umfangreicher, weil sie auch die zahlreichen Notenbeispiele enthält. Ebenso staunend wie fasziniert liest man sich fest, noch bevor man die CD in den Player eingelegt hat. Mit einer schon kriminalistisch zu nennenden wissenschaftlichen Akribie entfaltet der Interpret die Entstehungsgeschichte dieses Schlusssteins von Bachs Lebenswerk. Die Kunst der Fuge ist wohl wirklich das letzte Werk, an dem Bach noch bis kurz vor seinem Tod gearbeitet hat. Begonnen hat er es Anfang der 1740er Jahre, unterbrach die Arbeit dann aber für einige Zeit für die Fertigstellung der H-Moll-Messe, um sich dann erneut mit seinem vielleicht spekulativsten Kompositionsprojekt zu beschäftigen.
Van Asperen spricht sich mit gewichtigen Argumenten dafür aus, dass der Zyklus aus 14 Fugen und 4 Canons tatsächlich komplett und in sich abgeschlossen ist. Die unvollendete Schlussfuge im durch die Bach-Söhne verantworteten Druck des Werkes gehöre nicht genuin dazu. Darum fehlt dieser Torso auch in der vorliegenden Einspielung.

Was der Cembalist wie kaum ein anderer Interpret vor ihm zur Darstellung bringt, sind Verzierungen, die so nicht in der vierstimmigen Partitur notiert sind, sondern wie seinerzeit üblich improvisierend hinzugefügt werden können. Das freilich steht konträr zu der Auffassung, Bach habe Verzierungen stets ausgeschrieben und willkürliche Veräderungen durch die Interpreten abgelehnt. In der Tat gibt es dafür manche Belege.
Dennoch überzeugt van Asperens Darstellung. Er verortet das Monument Bach im musikgeschichtlichen Kontext seiner Epoche und stilisiert ihn nicht als vom Musikhimmel herabgefallenes Wunder. Zumal die von ihm angebrachten "Manieren" und "agréments" von genauer Kenntnis der Materie zeugen. Sie werden geschmackvoll und stimmig in den dichten Satz eingewoben und lassen Bachs Fugenwunderland nochmals um einiges reicher und geheimnisvoller erscheinen. Es dürfte kaum eine vergleichbar durchgeformte, bis ins letzte Detail klar und prägnant artikulierte Version für Cembalo geben.

Von daher legt van Asperen eine aufführungspraktische Referenzeinspielung vor, die sicherlich zu zahlreichen Diskussionen und hoffentlich auch zur inspirierten Nachahmung animieren wird. Bei aller Bewunderung für dieses ambitionierte Unternehmen wäre es nämlich interessant zu sehen, ob andere ausgezierte Versionen vergleichbar breit und gewichtig in den Tempi sein müssen, um die Musik nicht gleichsam in einem Dickicht aus Noten verschwinden zu lassen.
Was darüber leider etwas verloren geht, ist eine gewisse äußere Virtuosität und Brillanz. Denn Bachs Fugenkunst ist so viel mehr als kontrapunktische Kombinatorik. Sie vereinigt konzertanten Schwung, eine mitunter romantisch-expressive und chromatische Harmonik sowie barocke und galante Affektfiguren mit äußerter Komplexität in der Stimmführung. In dieser Hinsicht bleibt die Einspielung noch etwas zu sehr im Bereich des Demonstrativen.

Aber wie gesagt: Die Tür ist geöffnet, ein neuer Raum betreten worden - man darf gespannt sein, ob andere Interpreten van Asperen dorthin folgen mögen.



Georg Henkel



Besetzung

Bob van Asperen: Cembalo von Christian Zell (1741)
(m. Bernhard Klapprott, Cembalo)


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>