Wieder ein feuchter Traum für Melodic-Rock- und AOR-Freunde: Das H.E.A.T. Festival 2018
Das H.E.A.T. Festival erfreut sich bei Melodic-Rock- und AOR-Fans großer Beliebtheit, heuer wird bereits die neunte Ausgabe gefeiert. Organisator Eddy Freiberger ist es auch dieses Jahr wieder gelungen, eine vielfältige Bandauswahl auf die Beine zu stellen. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens schaffen wir es leider nicht mehr, uns Jessica Wolf und Terra Nova anzuschauen. Für uns beginnt das H.E.A.T. Festival daher mit den Schweden CARE OF NIGHT. Sie haben ihr neues Album Love Equals War im Gepäck und können somit aus den Vollen schöpfen. Die packenden Melodien, die zwischen Journey und Foreigner verortet sind, kommen gut an. Sänger Calle Schonberg erinnert meinen Mitfahrer an den Sänger von Evergrey, Tom S. Englund. Schonberg hat das Publikum im Griff, die Stimmung vor der Bühne hat bereits jetzt einen sehr hohen Level erreicht. Die Schweden feuern aus allen Rohren und wollen das Publikum um jeden Preis überzeugen, bleiben dabei aber stets authentisch. Nach dem Gig blickt man überall in strahlende Gesichter. Ich denke von den Jungs wird man sicher noch das eine oder andere zu hören bekommen. Klasse! Setlist Care Of Night: 1. Love Equals War 2. Hit 3. Contact 4. She Leads You On 5. Cold as my Heart 6. Ivory Towers 7. Cassandra 8. Hearts Belong HUMAN ZOO nehmen an diesem Nachmittag ihre erste Live-DVD auf. Das vierte und aktuellste Album der Truppe aus Deutschland mit dem Titel My Own God liegt auch schon wieder zwei Jahre zurück. Pech hatten sie heuer leider auch schon. Aufgrund der Absage der „Bonfire & Friends“-Tour konnte der Auftritt am 11.11.18 zusammen mit den Ingolstädtern nicht wie geplant durchgeführt werden. Doch Human Zoo bewiesen Charakter, indem sie trotzdem an dem Abend ein Privatkonzert für Fans und Freunde gegeben haben. Man merkt den Musikern zu keiner Sekunde an, dass hier und heute eine Live-DVD mitgeschnitten wird. Sänger Thomas "Seeler" Seeburger ist bestens bei Stimme und legt sich mächtig ins Zeug. Als Frontmann alter Schule nimmt er viel Kontakt zum Publikum auf. Seine Vorbilder Vince Neil und Ronnie Atkins kann er dabei keinesfalls verleugnen. Die Songs haben gute Melodien und bringen die Meute vor der Bühne auf Trab. Was Human Zoo von anderen Bands abhebt, ist das Saxophon! Saxophonist Boris Matakovic hat hier offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht. Die Soli, die er abliefert, sind allererste Sahne. Der Auftritt wird zu einer kurzweiligen Geschichte, ich denke dass die Band mit dem Ergebnis der Live-Aufnahme durchaus zufrieden sein kann. Und wieder diese Schweden… Pipi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga oder die Kinder aus Bullerbü sind den meisten Menschen in Deutschland ein Begriff. Dass die Schweden ein Herz für geile Rockmusik haben, ist auch seit Jahren bekannt. CRAZY LIXX haben mit Ruff Justice 2017 schon ihr mittlerweile fünftes Studioalbum abgeliefert. Auf ihrer Homepage ist zu lesen, dass ihre Einflüsse Bands wie Kiss, Def Leppard, Mötley Crüe, Whitesnake, Alice Cooper und Bon Jovi sind – bei weitem keine schlechten Vorbilder! Schon „Wild Child“ zeigt die Marschrichtung an: immer mit Vollgas nach vorne! Das Video des Stückes ist auch sehr gut gemacht, es lohnt sich, hier mal reinzuschauen! Sänger Danny Rexon agiert wie ein alter Hase und singt stark. Die beiden Gitarristen Chrisse Olsson und Jens Lundgren bilden ein Hammergespann, das von der Technik und vom Outfit her stark an die 80er Jahre erinnert. Es rumpelt ordentlich – dafür sorgen Schlagzeuger Joél Cirera und Bassist Jens Sjöholm. Das Publikum ist voll dabei und feiert das Quintett euphorisch. Stücke wie „Children Of The Cross“ oder „21 Til I Die“ erhöhen den Partyfaktor enorm. „21 Til I Die“ bildet leider schon viel zu früh den Schlusspunkt unter einen Hammergig. Definitiv eine Bereicherung für das diesjährige H.E.A.T. Festival! Setlist Crazy Lixx: 1. Wild Child 2. Hell Raising Women 3. XIII 4. Children of the Cross 5. Whiskey Tango Foxtrot 6. Blame It on Love 7. Walk the Wire 8. Intermission 9. Rock and a Hard Place 10. Killer 11. 21 Til I Die Der Auftritt der amerikanischen Band GYPSY ROSE kann wohl unter der Kategorie „damit hätte ich niemals gerechnet“ verbucht werden. Das Debüt-Album Prey, das 1990 veröffentlicht wurde, hat damals kein Geringerer als Kiss-Frontzunge Gene Simmons produziert. Dann kam der Grunge und fegte alles was Melodic-Rock hieß gnadenlos vom Feld. Mir war die Band bis heute Abend völlig unbekannt. Ein sichtlich aufgeregter Eddy Freiberger steht auf der Bühne und berichtet, dass ihm Sänger Michael Ross eine E-Mail geschrieben hatte mit der Bitte, ihn doch auf dem Festival auftreten zu lassen. So kann’s manchmal auch gehen… Gypsy Rose kommen bei bestem Sound mit enorm viel Spielfreude auf die Bühne. Michael Ross hat nach wie vor einiges an Rotz auf den Stimmbändern und anscheinend rein gar nichts verlernt. Mir gefällt der hemdsärmliche Charme der Truppe. Aber nicht nur die Optik macht’s, auch songtechnisch gefallen mir die Stücke der Band ausgezeichnet. Die damalige Single und der erste Song des Debütalbums Poisened by Love knallt richtig gut rein, auch der Rest hat Klasse. Gänsehaut pur kommt auf, als „Don’t Turn Your Back On Me Now“ gespielt wird. Ross widmet diese Stück seiner verstorbenen Mutter und sorgt durch seinen Gesang für Gänsehautatmosphäre. Sehr abwechslungsreich und äußerst kurzweilig geht der Gig der Amis zu Ende. Ross selbst ist gerührt, sein Kommentar „You can’t buy this feeling“, zu dem er beide Fäuste nach oben reckt, spricht Bände. Diese Überraschung ist bestens gelungen! Setlist Gypsy Rose: 1. Shiver Then Shake 2. Make Me do Anything You Want 3. Wild Reaction 4. Blood 'n' Sweat 5. Love Me or Leave Me 6. Don't Turn Your Back on Me Now 7. Crawlin' 8. Borderline 9. Highway-One-Way 10. Poisoned by Love CONEY HATCH, Hardrock-Legende aus Kanada, war für mich einer der größten Überraschungen des diesjährigen Line-Ups. Ich weiß gar nicht, ob die Band vorher jemals in Deutschland gespielt hat. Insgesamt gibt es nur vier Alben der Gruppe, wobei Friction sicherlich ihr Meisterstück sein dürfte. Die Band ist mit drei Mitgliedern der Originalbesetzung am Start, was nach so langer Zeit eher ungewöhnlich ist. Beim Soundcheck sind die Musiker bereits auf der Bühne. Ich bin vor allem über Sänger und Gitarrist Carl Dixon erstaunt. Klar hat er mehr Falten als früher, aber ihn erkennt man sofort! „We Got The Night“ vom Debüt-Album eröffnet den Klassikerreigen. Sänger Carl Dixon scheint überhaupt nichts verlernt zu haben. Gesanglich ist er immer noch eine Klasse für sich, seine Stimme hat nichts an Strahlkraft verloren. Dabei spielt er noch eine geile Gitarre, nimmt viel Kontakt zum Publikum auf und verkörpert Dynamik und Frische. Schlagzeuger Dave „Thumper“ Ketchum hat sein Kampfgewicht im Laufe der Jahre ein bisschen erhöht, überträgt diese gewonnene Wucht 1:1 auf sein Schlagzeug und macht dabei einen prima Job. Dixon wechselt sich beim Gesang immer wieder mit Bassist Andy Curran ab. Einige Stücke der neuen Scheibe Four werden auch gespielt. Schlecht sind diese natürlich nicht, gegen die Klassiker der 80er Jahre haben sie jedoch keine Chance. Dies wird umso klarer, je öfter Stücke der legendären Friction-Scheibe auspackt werden: „She’s Gone“, „Girl From Last Night’s Dream“ oder das unsterbliche „Fantasy“ sind Perlen des Genres, die das Publikum förmlich in Verzückung geraten lassen. Die Band wirkt, wie wenn man sie mit einer Zeitmaschine direkt aus den 80er Jahren ins Hier und Jetzt gebeamt hätte. „Devil’s Deck“, einer der erklärten Lieblingssongs von Iron Maidens Bassist Steve Harris, ist der Überflieger schlechthin, der dem Auftritt die Krone aufsetzt. Die Kanadier werden überschwänglich gefeiert, und das völlig zu Recht. Vier sympathische, spielfreudige Musiker haben alles gegeben, so sieht für mich ein perfekter Auftritt aus. Danach bräuchte eigentlich niemand mehr auf die Bühne, die Fans davor haben schlichtweg alles gegeben. Coney Hatch sind nicht nur auf der Bühne eine Bank, auch bei der vorherigen Autogrammstunde sind sie sympathisch und äußerst umgänglich. Setlist Coney Hatch: 1. We Got the Night 2. Stand Up 3. Blown Away 4. Boys Club 5. She's Gone 6. This Ain't Love 7. Wrong Side Of Town 8. Girl From Last Nights Dream 9. Fantasy 10. Fallen Angel 11. Don't Say Make Me 12. Devil's Deck 13. Monkey Bars JEAN BEAUVOIR hat zwar die Headliner-Position, aber irgendwie trotzdem die Arschkarte des Abends gezogen. Coney Hatch haben so dermaßen abgeräumt, dass es schwer sein wird, dieses Energielevel zu halten. Mit zwei aktuellen Best-of-Alben im Gepäck hat er im Vorfeld ein entsprechendes Programm mit Songs aus seiner kompletten Karriere angekündigt. Musiker hat er auch sehr gute dabei, darunter der ehemalige kurzzeitigen Savatage-Gitarrist Jack Frost. Beauvoir erkennt man auf den ersten Blick, als er die Bühne betritt. Sonnenbrille auf, die langen blonden Haare sitzen perfekt – es kann also losgehen! Das Programm ist bunt gemischt, am bekanntesten sind wohl seine Crown-Of-Thorns- Stücke. Die kommen beim Publikum auch spürbar bestens an. Hin und wieder macht Beauvoir einen Witz oder erzählt ein paar Anekdoten. Echt krass, mit wem er schon alles zusammengearbeitet hat. Kiss, Ramones, The Plasmatics – die Liste der Künstler ließe sich fast endlos fortführen. Von daher kommt er nicht umhin, ein paar Coverversionen zu bringen. Am originellsten finde ich hier den Ramones-Kracher „My Brain Is Hanging Upside Down“. Hier geht sprichwörtlich der Punk ab! Die Band präsentiert jeden Song mit extrem viel Schmackes. Leider können auch sie nach den vielen Klasse-Auftritten aus dem Publikum auch nicht mehr allzu viel herausholen. Die Stimmung ist gut, aber der sprichwörtliche Funke entzündet sich leider nicht mehr. Die Musiker machen das Beste daraus und hängen sich entsprechend rein. Das Led-Zeppelin-Cover „Rock n Roll“ setzt den Schlusspunkt zu einem Klasse-Auftritt, der vom Zeitpunkt her eher ungünstig für die Band war. Beauvoir zeigt seine Klasse nicht nur als versierter Musiker. Selbst am darauffolgenden Tag hängt er in der Rofa ab, unterhält sich locker mit seinen Fans und macht sogar spontan noch mal eine nicht angekündigte Autogrammstunde. Klasse! Setlist Jean Beauvoir: 1. Are You Ready 2. Hike It Up 3. Master-Plan 4. Dying For Your Love 5. Voodoo Queen 6. Missing the Young Days 7. Uh! All Night 8. The Healer 9. Standing on the Corner 10. My Brain Is Hanging Upside Down (Bonzo Goes to Bitburg) 11. Crown of Thorns 12. Feel the Heat 13. Band Individual Solos 14. Like a Knife 15. Shocker 16. Happy Birthday 17. Rock and Roll VICE sind die erste Band des Tages und legen bereits um 14 Uhr los. Die Truppe hat sich Ende der 80er Jahre in München gegründet und war damals für ihr buntes Outfit und ihre positive Musik bekannt – der Begriff „Happy Metal“ trifft wohl auf kaum eine andere Band so zu wie auf Vice. Der Grunge hat die Truppe dahingerafft und die ursprüngliche Besetzung zerschlagen. Mittlerweile ist aus der „guten alten Zeit“ nur noch Gitarrist Chris Limburg mit an Bord, der zumindest eine Zeitlang auch bei Bonfire aktiv war. Musikalisch lassen die Jungs nix anbrennen. Sänger Mario Michel liefert einen tollen Job ab, auch die restlichen Musiker lassen es an Einsatz keinesfalls vermissen. Mir fehlt bei den Songs jedoch ein bisschen die Raffinesse, für mich hört sich ein Lied wie das andere an. „Boys Got The Fever“ macht zwar Laune, wie man jedoch ein Song mit immer den gleichen Wörtern nahezu gnadenlos zupflastern kann, ist mir ein Rätsel. „The Joker“ gefällt mir noch mit am besten, der Rausschmeißer „Fuck You“ beendet einen Gig, den ich nicht unbedingt gebraucht hätte. Setlist Vice: 1. Hot Summer Night Party 2. Dirty Mind 3. Turn It Up 4. Where Do I Belong 5. The Joker 6. Boys Got the Fever 7. Open Eyes 8. Made for Pleasure 9. Fuck You WILDNESS sind mir bis heute Nachmittag überhaupt kein Begriff. Diese Unkenntnis wischen die wackeren Schweden mit ihrem Gig mühelos beiseite. Mit ihrem schlicht Wildness betitelten Debütalbum im Gepäck wird nicht lange gefackelt. Die Band ist so was von gut aufeinander eingespielt, dass mir fast schwindlig dabei wird. Sie präsentieren ihre Songs wie alte Hasen, die seit 20 Jahren zusammen auf der Bühne stehen. Dabei gibt es diese Band erst seit 2013! Sänger Gabriel Lindmark singt hervorragend, man merkt ihm an, dass er sich auf der Bühne sauwohl fühlt. Das Gitarrengespann Adam Holmström und Pontus Sköld haut tolle Soli im typischen Twin-Gitarren-Sound raus, die mich teilweise an Thin Lizzy erinnern. Musikalisch geht es dabei eher in Richtung Treat, was ja auch keine schlechte Referenz ist. Lindmark gibt alles und bemerkt kurz vor Schluss, dass er eigentlich erkältet ist, sich aber trotzdem durch den Auftritt schleppt. Das hätte ich ihm keinesfalls angemerkt! Das Publikum geht hier mächtig steil und es wird klar, dass es für die Nachfolgeband nicht einfach wird, nach dieser illustren Vorstellung auf die Bretter zu kommen. Setlist Wildness: 1. Shadowland 2. Alibi 3. Highlands 4. Stranger 5. Your Last Romance 6. Turning the Pages 7. War Inside My Head MIDNITE CITY aus Nottingham haben 2017 erst ihr Debütalbum veröffentlicht. Das scheint ihre Kreativität geradezu beflügelt zu haben, denn 2018 kam schon der Zweitling There Goes The Neighbourhood auf den Markt. Sänger Rob Wylde hat die Band gegründet, prominente Vorbilder sind White Lion, Poison, Danger Danger, Lillian Axe oder Firehouse. Sie nutzen die Gunst der frühen Stunde und lassen ein wahres Melodic-Rock-Feuerwerk aufs Publikum nieder. Hier schimmern die 80er gnadenlos durch, ein gewisser moderner Anstrich ist jedoch zu erkennen. Klischees werden hier bestens bedient. Rob Wylde und Keyboarder Shawn Charvette sehen schon allein von der Optik so aus, als hätten sie nicht mitbekommen, dass wir mittlerweile das Jahr 2018 schreiben. Ozonlochfreundlich sehen ihre Frisuren nicht gerade aus, die Musik passt aber auf jeden Fall. Sie sorgt für gute Laune und genau das braucht die Meute vor der Bühne, um nach einem anstrengenden Samstag wieder auf Trab zu kommen. Mit dem Auftritt ist es der Band gelungen, positiv auf sich aufmerksam zu machen, ihre CDs gehen am Stand weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Setlist Midnite City: 1. Here Comes the Party 2. We Belong 3. Life Ain't Like This on the Radio 4. Ghosts of My Old Friends 5. You Don't Understand Me 6. One Step Away 7. Summer of Our Lives 8. Give Me Love Der Name MICHAEL BORMANN ist für Melodic-Rock-Fans ein Begriff. Er war bis 2004 Sänger der Band Jaded Heart und hat mit ihnen Knaller-Alben wie Inside Out, Slaves And Masters oder Mystery Eyes veröffentlicht. Dann trennten sich die Wege der Musiker. Auch hier gibt es das „Wishbone Ash-Syndrom“: Beide Bands touren fast unter dem gleichen Namen, wobei Bormann den Bandnamen in „Jaded Hard“ umbenannt hat. Bereits beim Soundcheck steigt die Spannung, hier sind alle Musiker der Band schon selbst auf der Bühne. Mit Bormanns Gitarre scheint es Probleme zu geben, so dass er kurzfristig auf das Instrument verzichtet und stattdessen nur singt. Mit dabei ist ein alter Bekannter aus Jaded-Heart-Tagen: Keyboarder Chris „Hexe“ Ivo! Mit dem Opener des Slaves And Masters-Albums geht es los, „No Hesitation“ eröffnet den Gig. Bormann ist ein klassischer Frontmann alter Schule: Die Frisur sitzt, die Stimme klingt bärenstark und der Kontakt zum Publikum wird innerhalb der ersten paar Minuten instinktiv hergestellt. Experimente sind nicht zu erwarten, hier wird klassischer Stoff mit leidenschaftlicher Performance kombiniert. Es hat den Anschein, als hätten die Fans vor der Bühne jahrelang auf diesen Auftritt gewartet, die Reaktionen sind überwältigend. Bormann und seine Mannschaft sind sichtlich gerührt und kommen immer besser in den Gig rein. Mit Phil Collins’ „Easy Lover“ hätte ich jetzt nicht gerechnet, dafür gibt es von Jaded Heart eigentlich zu viele gute eigene Songs. „Inside Out“, der Titeltrack des Debütalbums beschließt den spannenden Auftritt. Keyboarder Ivo kriegt sich kaum noch ein, die Band verlässt nach minutenlangem Applaus die Bühne. Setlist Michael Bormann‘s Jaded Hard: 1. No Hesitation 2. Dangerous 3. The Dream Is Over 4. Heaven Is Falling 5. Love Is Magic 6. Anymore 7. Easy Lover 8. Live and Let Die 9. Inside Out KEE OF HEARTS ist das Projekt des Fair-Warning-Sängers Tommy Heart und dem ehemaligen Europe-Gitarristen Kee Marcello. Die Scheibe wurde 2017 veröffentlicht und bekam durchwegs positive Kritiken. Diese Besetzung einmal live zu sehen, hätte ich mir nie träumen lassen. Die Spannung vor der Bühne ist spürbar, auch hat sich die Anzahl der Zuschauer nach Jaded Hard eher noch vergrößert. Gut zu wissen: es ist er erste Auftritt der Band überhaupt! Bei bestem Sound legen die Musiker mit dem Titelstück des aktuellen Albums los. Tommy Heart ist stimmlich nach wie vor eine Bank und hat das Publikum in Windeseile um den Finger gewickelt. Kee Marcello ist sichtlich gealtert, ich hätte ihn von den Europe-Platten her definitiv nicht mehr erkannt. An der Gitarre scheint der wackere Schwede nix verlernt zu haben. Er rockt und röhrt wie zu besten Zeiten, dass er ein Faible für John Sykes hat ist offensichtlich. Die Begleitmusiker sind zum Teil von Joe Lynn Turners Soloband ausgeliehen, die ihre Sache sehr gut machen. Hier steht kein Projekt auf der Bühne, die Truppe kommt wie eine perfekt eingespielte Einheit rüber. Bei einem Song stoppt Marcello nach ca. einer Minute und schimpft sich selbst aus – er hat schlichtweg in der falschen Tonart begonnen. An Selbstbewusstsein mangelt es Kee Of Hearts auch nicht, sie spielen einen Großteil ihres Programms aus dem aktuellen Album. Ganz ohne Nostalgie geht’s dann doch nicht: Den Abschluss bilden drei Europe-Klassiker die es in sich haben. Vor allem „Superstitious“ und das unvergleichliche „Ready Or Not“ bilden den perfekten Abschluss eines mitreißenden Gigs. Tommy Heart und Kee Marcello haben verdammt viel Spaß auf der Bühne und können diesen mühelos auf das Publikum übertragen. Ich bin begeistert, diese Jungs hätte man ohne Probleme auch als Headliner agieren lassen können! Setlist Kee Of Hearts: 1. The Storm 2. A New Dimension 3. Let the Good Times Rock 4. Burning Heart 5. Save Me 6. Twist of Fate 7. Open Your Heart 8. Superstitious 9. Ready or Not HARDLINE waren letztes Jahr schon am Start. Etliche Fans haben sich Hardline erneut gewünscht, weil der Auftritt damals so gut geraten ist. Mit seiner italienischen Begleitband im Hintergrund gelingt es Gioeli auch diesmal wieder, einen Auftritt der Extraklasse hinzulegen. Gesanglich ist er ohnehin einer der Besten seiner Zunft, es gelingt ihm mühelos, das Publikum erneut anzustacheln. Manche Ansagen von ihm sind durchaus verzichtbar, aufgrund der musikalischen Qualität jedoch zu verschmerzen. Am besten kommen nach wie vor die Stücke des Debütalbums Double Eclipse an. „Hot Cherie“ oder das finale „Rhythm From A Red Car“ sind auch heuer wieder stark. Hardline bolzen so brachial, dass nach ihrem Gig sprichwörtlich die Ohren klingeln. Zum Glück etwas leiser wie letztes Jahr hinterlässt die amerikanisch-italienische Kollaboration auch heuer wieder einen klasse Eindruck. Ich hätte als Veranstalter vielleicht eher ein Jahr ausgesetzt, die Spannung war natürlich nicht mehr so groß wie 2017. Setlist Hardline: 1. Where Will We Go From Here 2. Takin' Me Down 3. Dr. Love 4. Take You Home 5. Life's a Bitch 6. Fever Dreams 7. In the Hands of Time 8. Hot Cherie 9. Rhythm from a Red Car Schalten wir nun live zur ZDF-Hitparade, wir übergeben an: Dieter Thomas Heck! Das ist das erste, was mir einfällt, als ich TERRY BROCK mit biederem Cowboyhut, Cowboyhemd und Heck-Gedächtnisbrille auf der Bühne sehe. Im Hintergrund wird er von der kompletten Hardline-Besetzung musikalisch begleitet. Brock singt phantastisch und bringt vor allem die selten gehörten Liveperlen aus seiner Strangeways-Phase gut zur Geltung. Die „Hardliner“ unterstützen ihn dabei hervorragend, musikalisch sind alle gut aufeinander abgestimmt. Johnny Gioeli singt bei einem Song sogar ein Duett mit Brock, bei dem Gioeli klar als Sieger hervorgeht. Brocks Problem: Er wirkt wie ein Staubsaugervertreters, seine Ansagen nuschelt er kaum verständlich ins Publikum und sein Bewegungsdrang ist dem eines Siebenschläfers während seines Winterschlafs nicht unähnlich. Ich muss mich mehrfach zusammenreißen, dass ich nicht einschlafe. Wenn er jetzt noch „Stille Nacht“ gesungen hätte, wäre es um mich geschehen gewesen. Aber jetzt mal im Ernst guter Mann: So kannst du doch keinen Live-Auftritt bringen! Ein bisschen Action und Animation des Publikums muss man heute schon liefern. Musikalisch topp, der Rest war leider gar nix, Mister Brock! Setlist Terry Brock: 1. Perfect World 2. Where Are They Now 3. Another Chance 4. Love Lies Dying 5. No More Mr. Nice Guy 6. Only a Fool 7. To Be Young Again 8. Time 9. After the Hurt Is Gone 10. Borderline 11. Face in the Crowd 12. Where Do We Go From Here 13. Forever Again GUILD OF AGES aus Amerika habe ich vor dem Festival nicht gekannt. Gegründet wurden Guild Of Ages 1989 unter dem Namen CITA, den sie jedoch wegen der Boyband Caught In The Act wieder ablegen mussten. Nach einer vorübergehenden Trennung hat man sich 2014 wieder für einige Festival-Gigs in Nottingham reformiert und danach beschlossen, wieder gemeinsam Musik zu machen. Das Ergebnis ist das 2018 veröffentlichte Album Rise. Schade ist, dass bereits nach Kee Of Hearts etliche der Festivalbesucher das Weite suchen und es vor der Bühne immer leerer wird. Davon lassen sich die Amis jedoch nicht beirren und spielen, als würden sie vor einer riesigen Menge stehen. Sänger Danny Martinez Jr. hat die Aura eines Preisboxers. Sehr energisch und mit viel Einsatz singt er mit seinem rauen Organ die einprägsamen Stücke. Von der Qualität der Songs bin ich schwer beeindruckt. Sie gehen eher in die Metal-Richtung und driften ab und zu in progressive Gefilde ab. Ähnlichkeiten zu Queensryche sind zufällig, aber manchmal doch herauszuhören. Die Musiker agieren mit traumwandlerischer Sicherheit. Das Gitarrendoppel Martinez und Anthony „Antz“ Trujillo spielen sich die Bälle gegenseitig zu und haben dabei richtig gute Laune. Der mehrstimmige Gesang ist genauso glasklar und präzise wie der Rest. So gelingt es dem Vierer sogar noch, die Stimmung ein letztes Mal richtig nach oben schnellen zu lassen. Das Thin-Lizzy-Cover „Cold Sweat“ fügt sich gut in die Setlist ein, die letzten drei Stücke sind wieder Eigenkompositionen. Nach 105 Minuten beenden die engagierten Musiker ihren abwechslungsreichen Auftritt, der mehr als ein würdiger Abschluss eines feinen Festivals war. Setlist Guild Of Ages: 1. I'll Keep Burnin' 2. Around the Sun 3. Everytime 4. These Eyes 5. Addicted 6. Changes 7. Life Goes On 8. Silent Soldiers 9. How Can I Say 10. Stand or Fall 11. Heat of Emotion 12. Every Road 13. Cold Sweat 14. Through the Years 15. Deep in Heaven 16. Relapse of Reason Veranstalter Eddy Freiberger bedankt sich danach bei allen Bands, bei den Fans, seinen Sponsoren und dem Team vor Ort in der Rockfabrik, das dieses Jahr einen tollen Job gemacht hat. Wir sind uns wieder einmal einig, ein gemütliches und perfekt zusammengestelltes Festival erlebt zu haben. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, bei dem doch einige Bands zu sehen waren, die kaum oder nur wenig Live-Erfahrung hatten, waren dieses Mal nur hungrige oder sehr erfahrene Musiker am Start, die fast alle überzeugt haben. Auch das Essen in der Rofa war diesmal um Längen besser, und die Wartezeit hat sich erheblich verkürzt. Sehr erfreulich ist auch die Tatsache, dass man hier als Fan wirklich noch an die Musiker rankommt. Eine kurze Unterhaltung, Fotos oder Autogramme – hier gibt es keine Berührungsängste oder Starallüren. Die Mischung der Fans vor Ort macht es darüber hinaus noch interessant: Schweizer, Kroaten, Spanier, Italiener, Schotten, Österreicher – mehr Völkerverständigung geht fast nicht, die Stimmung war immer locker, ausgelassen und friedlich. Fazit: Als Fan dieser Musikrichtung sollte man sich dieses Ereignis unbedingt einmal geben! Stefan Graßl |
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