Steeleye Span
Now We Are Six Again
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Es war einmal, da gab es eine Zeit, als jedes zweite Stück mit „As I was walking down the …“ anfing. Man nannte das Folkrock und die bekanntesten Bands kamen aus England. Steeleye Span ist eine Band aus jener Zeit. Sie gilt als Pioniergruppe des Genres und spielte 1974 mit Now We Are Six eines der stilbildenden Alben ein. Einige Jahre vorher hatte die Folkband schon die Gitarren in der Band elektrifiziert und damit ähnliche Empörung in der Folkszene ausgelöst wie Bob Dylan, der sich noch früher dazu entschloss, was aber den britischen Folkies entgangen sein musste. Auf Now We Are Six wagte Steeleye Span damals nun den nächsten Schritt und nahm den Schlagzeuger Nigel Pegrum mit dazu. Das verschaffte der Band neue Möglichkeiten. Ian Anderson von Jethro Tull, der das Album auch produzierte, nahm sie in sein Vorprogramm und sogar ein David Bowie spielte ein Saxophon-Solo auf einem der Stücke. Das verschaffte Steeleye Span Anerkennung in der Rockszene und eine wesentliche Erweiterung des Hörerkreises. Im gleichen Jahr hatte die Band dann noch ihren bis heute größten Hit, allerdings ausgerechnet mit einem lateinisch und a capella gesungenen Weihnachtslied: „Gaudete“. Das Arrangement von Folksongs mit Rockinstrumentarium hatte allerdings schon zwei Jahre vorher die irische Band Horslips vorgemacht. Dennoch verbreitete sich die Idee eher in der englischen Szene und zusammen mit Bands wie Fairport Convention, die allerdings als Rockband begann, Lindisfarne und Pentangle prägte sich Folkrock als etwas zunächst eher englisches Phänomen ein. In Irland sollte es z. B. noch etliche Zeit dauern, bis Bands wie Moving Hearts diesen Popularitätsschub mit einem ähnlichen, aber ausgefeilteren Konzept aufholten.
Inzwischen sind 38 Jahre vergangen und Steeleye Span hatte sich seitdem mehrfach aufgelöst und wieder zusammengefunden, bis sie vor kurzem plötzlich wieder zu sechst war. Die Bandmitglieder erinnerten sich ihres wegweisenden Albums, spielten es für eine Konzerttournee komplett neu und live ein, nannten es nun Now We Are Six Again und lieferten auf einer zweiten CD noch weitere Live-Fassungen ihrer Highlights aus 40 Jahren Karriere. Vom damaligen Line-up sind die Sängerin Maddy Prior sowie Peter Knight (vio, kb, voc) und Rick Kemp (bg, voc) noch dabei. Ergänzt wird das Stammtrio von Liam Genockey (dr), Julian Littman (e-g, voc) und Peter Zorn (ac-g, mand, sax, voc).
In gewisser Weise kann man der Band bescheinigen, dass die Zeit weitgehend spurlos an ihr vorbei gegangen ist. Die Stücke klingen nicht viel anders als zu ihrer Entstehungszeit. Die Arrangements sind im Grundaufbau gleich. Die Band bevorzugt nunmal den Liedcharakter mit der dynamischen Verstärkung durch Rockelemente und legt wenig Wert auf solistische Ausflüge. Damit wäre fast schon das Wichtigste gesagt und genau das ist das Problem. Steeleye Span präsentiert sich hier als eine Folkrock-Oldie-Band, womit der einst so innovative Charakter der stilistischen Fusion sich als verbraucht erweist. Folkrock dieser Art hat nun mal Elemente entwickelt, die später von bestimmten Bereichen des Mainstreamrocks aufgegriffen wurden und auch die Abteilung Softrock mit definierten. Heutige Singer/ Songwriter bieten mit ihren oftmals experimentellen Arrangements auch bei traditionellem Material wesentlich interessantere Ergebnisse. Schon 1974 hatte die Band mit dem Schlaflied „Twinkle Little Star“ und „To Know Him Is To Love Him“, einem altem Highschool-Hit der Teddy Bears aus dem Jahre 1958, zwei arg zuckerige Stücke auf dem Original-Album. Die sind auch heute noch dabei und auch zu Beginn der 2. CD klingt es arg nach gemütlichem, von Mittsechzigern gespieltem Altherren-Rock im Dreiviertel-Takt.
Doch wollen wir die Vorzüge der Band, die auch heute noch bestehen, nicht vergessen. Ihr Vorzeigestück ist nach wie vor „Thomas The Rhymer“. Der Song lebt von Dynamikunterschieden, dem geschickten Wechsel von Chorsätzen und Sologesang, Breaks, sanften und rockigen Teilen. Hier ging Folkrock über in Progressive Rock. Und wenn Maddy Prior im Titelstück Solo zu einer gezupften Geige singt, wird einem klar, welch begnadete Sängerinnen damals im Folkrock tonangebend waren. Die Konkurrenzbands hatten ja ähnliche Talente aufzuweisen. Auch „Two Magicians“ zeigt mit seinem tänzelnden Rhythmus und dem lustigen Text Stärken der Band. Auch die recht lau beginnende zweite CD wird in der Mitte griffiger, wenn die Jungens in die Saiten hauen. „Bonny Black Hare“ hat sogar das Zeug, als Hardrock-Repertoire durchzugehen. Die eigentliche Stärke von Steeleye Span ist aber ihr Satzgesang wie im Abschlussstück „Gaudete“. Immerhin war das mal ein Top Ten-Hit. In Zeiten, in denen Mönchschöre Hits haben, hätte man das immer noch mal auflegen können – vielleicht sogar mit einem Instrumentalpart mit tänzerischem Rhythmus. Auch fehlt das rhythmisch komplexe „Fighting For Strangers“, ihr bis heute unkonventionellstes Stück, bei dem Maddy Prior einst wirklich glänzte. Ihr Gesang und auch der vorzügliche Satzgesang der Band hätten noch mehr ins Rampenlicht gehört.
Eine Best of-CD mit besonderer Würdigung eines Milestone-Albums bietet an sich gerade als Live-Fassung die Möglichkeit, mehr zu bieten als alte Aufnahmen neu zusammenzustellen. Das wurde hier etwas verschenkt. Wie man mit seinem eigenen Repertoire kreativ umgeht, zeigte im letzten Jahr z. B. Matthews’ Southern Comfort, die ihren auch hoch betagten Hit „Woodstock“ in einer beeindruckenden, völlig neu arrangierten Fassung auf dem Album Kind Of New neu einspielten. Doch Steeleye Span-Fans werden froh sein, dass die Wirkung des heutigen Equipments dazu verführt, die alte verkratzte Vinylfassung von Now We Are Six gegen dieses Album auszutauschen.
Hans-Jürgen Lenhart
Trackliste |
CD1
1.Seven Hundred Elves
2.Drink Down The Moon
3.Now We Are Six
4.Thomas The Rhymer
5.The Mooncoin Jig (instrumental)
6.Edwin
7.Long-A-Growing
8.Two Magicians
9.Twinkle Little Star
10.To Know Him Is To Love Him
Bonus CD2
1.Just As The Tide
2.Let Her Go Down
3.Edward
4.Two Constant Lovers
5.Prince Charlie Stewart
6.Cam Ye O'er Frae France
7.Creeping Jane
8.Cold Haily, Windy Night
9.Bonny Black Hare
10.All Around My Hat
11.Gaudete |
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