Musik an sich


Reviews
Diverse türkische, armenische, sephardische Musik (Savall)

La Sublime Porte. Voix d’Istanbul 1430-1750


Info
Musikrichtung: Weltmusik Mittelalter bis Renaissance

VÖ: 09.12.2011

(Alia Vox / Harmonia Mundi / SACD hybrid / 2010-2011 / Best. Nr. AVSA 9887)

Gesamtspielzeit: 79:49



ORIENTALISCHE TRÄUME

Mit immer neuen inspirierten und inspirierenden Aufnahmen erschließen Jordi Savall und seine Mitstreiter/innen die Musikwelten von Morgen- und Abendland. Nach und nach entsteht so eine eindrucksvolle Klang-Enzyklopädie des fruchtbaren interkulturellen Austausches. Gerade noch hat der Katalane seine Antennen bis nach Japan ausgestreckt und wandelte dort auf den Spuren des heiligen Francisco de Xavier und einheimischer Musiktraditionen (AVSA 9856 A+B), jetzt kehrt er mit zwei Produktionen wieder in den Mittelmeerraum zurück.
Mit Mare nostrum (AVSA9888A+B) erkunden die Musiker im bewährten Multimediaformat aus Buch und Doppel-SACD die Musikwelt des Mittelmeerraums von der Antik bis ins Mittelalter. Führt die imaginäre Reise hier von der Iberischen Halbinsel mit den maurischen, sephardischen und christlichen Traditionen über das arabische Nordafrika Marokkos bis nach Jerusalem, den Libanon und die Türkei, schließlich weiter über Bulgarien und Griechenland bis nach Italien, so konzentriert sich La Sublime Porte – Voix d'Istanbul 1430-1750 auf den musikalischen Kosmos des alten Istanbul.
In diesem ‚meltingpot’ sind muslimische, christliche (armenische) und jüdische (sephardische) Einflüsse prägend gewesen und haben ein reiches Erbe vokaler Musik hinterlassen. „Hohe Pforte“, so hieß das Eingangstor zum öffentlichen Teil des Sultanspalastes in Istanbul. Dort, im Amtssitz des Großwesirs, wurden in prunkvollen Zeremonien fremde Gesandte aus aller Herren Länder empfangen. Etwas von dem musikalischen Glanz dieser Epoche lassen Savall und sein Ensemble wieder aufleben.

Überzeugend gelingt dabei schon rein praktisch die Fusion von Orient und Okzident. Zusätzlich zu seinem Ensemble Hespèrion XXI hat Savall türkische Musiker, Spezialisten für die musikalischen Traditionen ihrer Heimat, eingeladen. Sie bringen die notwendigen Kenntnisse in der Behandlung der Instrumente und der Singstimme mit. Künstlern aus Bulgarien, Armenien, Frankreich, Griechenland, Israel und Marokko ergänzen die Kernbesetzung um Savall (der selbst diverse Streichinstrumente spielt) und seiner (kürzlich verstorbenen) Frau Montserrat Figueras (Gesang) sowie den rauschebärtigen Perkussionisten Pedro Estevan. Inzwischen haben die Musiker eine solche Souveränität in der Behandlung unterschiedlicher Stile gewonnen, dass sie mühelos zwischen den Klangwelten wechseln können. So bewahren die türkischen Musiken ebenso wie die sephardischen oder armenischen Stücke ihren eigenen Charakter. Man hört die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kulturen heraus, wobei die alten Instrumente, auf denen Hesperion XXI spielt, sich mühelos mit den orientalischen Geschwistern verbinden.
Die oft ergreifend emotionalen, durch feine Zwischentöne, Melismen und Färbungen kolorierten Stücke werden im luxuriösen Beiheft ausführlich dokumentiert. Das Panorama reicht von zarten Instrumentalestücken, z. B. ein Duett für den Duduk, ein armenisches Doppelrohrblattinstrument, bis hin zu leidenschaftlichem Gesang mit großbesetztem Ensemble.
Reich und schön und faszinierend.



Georg Henkel



Besetzung

Montserrat Figueras, Gürsoy Dinçer, Lior Elmaleh: Gesang

HESPÈRION XXI
Pierre Hamon: Ney
Pedro Estevan: Schlagzeug
Jordi Savall: Lira, Vielle, Rebab & Leitung

Gäste:
Georgi Minassyan & Haïg Sarikouyoumdjian: Duduk
Gaguik Mouradian & Derya Türkan: Kemençe
Yurdal Tokcan, Driss El Maloumi & Yair Dalal: Oud
Murat Salim Tokaç: Tanbur
Hakan Güngör: Kanun
Fahrettin Yarkın: Schlagzeug
Nedyalko Nedyalkov: Kaval
Dimitri Psonis: Santur & Morisca


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