Wojtek Mazolewski Quintet
Spirit To All
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Seitdem ich in den Siebzigern verstärkt Musiker*innen aus Polen live habe erleben können, bin ich dieser besonderen Spielart des europäischen Jazz sehr zugeneigt. Andrzej Kurylewicz, Wanda Warska, Michał Urbaniak, Urszula Dudziak, Tomasz Stańko, sie waren es vorwiegend, die mich auf die Spur brachten. Und seitdem blieb dieses Interesse ungebrochen. Und nun bin ich auf den polnischen Komponisten und Bassisten Wojtek Mazolewski gestossen. Der 1976 Geborene gehört zur jüngeren Generation der Szene und legt mit Spirit To All seine aktuelle Produktion vor. Der Bassist ist unter den Musikern im Übrigen noch der Älteste, alle übrigen wurden zwischen 1980 und 1989 geboren.
Ob es nun am Alter liegt oder woran auch immer, das Quintet versprüht eine großartige Frische und orientiert sich dabei aber stark am Jazz vergangener Tage, ich spüre die Zeit der End-Sechziger und den Beginn der Siebziger. Ohne weiteres hätte Spirit To All auch damals erscheinen können. Insgesamt strömt eine gewaltig hohes Maß an Spiritualität, ich assoziiere rasch: Pharoah Sanders, Art Ensemble Of Chicago, Jack DeJohnette, die ganz frühen Weather Report und einige andere ähnliche Acts jener Zeit. Dennoch - es ist Contemporary Jazz, nur offensichtlich beseelt von Geist jener alten Tage. Wenn zum Beispiel Trompeter Oskar Török das eine oder andere Mal zu einem Solo anhebt, ja, dann muss ich auch an Tomasz Stańko denken und daran, welche Musik er damals spielte.
Die sieben Songs des Albums versprühen eine große Einheit, "Slavic Spirits" klingt ein wenig anders nach den ersten drei Titeln. Es ist ruhig und spielt mit Atmosphäre, im Hintergrund nimmt jedes der Bandmitglieder die Funktion von Perkussionisten ein und untermalen dieses vom verführerischen Klang einer Flöte (wer spielt sie? Im Line-up gibt es hierzu keine Angabe) getragene sehr romantisch und folkloristisch-melancholische Stück. Jedoch diese offensichtliche Harmonie ist letztlich Bestandteil aller Songs, auf die eine oder andere Weise. Das sich alle Fünf der Perkussion widmen, sei noch einmal heraus gestellt verleiht das doch dem einen oder anderen Song noch einmal zusätzlich das gewisse Etwas!
Die Musik ist sehr elegant, harmonisch und melodisch von Beginn an und verführt dazu, sich einfach treiben zu lassen. Oft lässt sie auch Bilder im Kopf entstehen und bringt mich gedanklich dann natürlich hin zum großartigen polnischen Pianisten und Komponisten Krzysztof Komeda. Mazolewski ist zwar der Bandleader, doch verbleibt er in der Regel in seiner Funktion als den Rhythmus gestaltender Bassist, bestimmt aber durch sein Spiel auch den Ausdruck jedes Songs wesentlich.
So gesehen, klingt dieser polnische Jazz im Grunde genommen anders, als ich ihn damals kennen lernte, geblieben ist jedoch, zumindest mit dieser Produktion, das Eigenwillige, Individuelle und sehr Spezielle, das mich weiterhin zu einem Freund des Jazz aus Polen halten wird. Und es bleibt mir auch gar nichts anderes übrig ob dieser großartigen Einspielung!
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Spirit To All
2 Ghost Town
3 The Power Of The People
4 Slavic Spirits
5 Harmony
6 The Year Of Magical Thinking
7 My Heart
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Besetzung |
Wojtek Mazolewski (double bass, percussion)
Marek Pospieszalski (tenor saxophone, percussion)
Oskar Török (trumpet, percussion)
Joanna Duda (Grand piano, percussion)
Qba Janicki (drums, percussion)
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