Lully, J.-B. (Rousset, Chr.)
Psyché
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Oper
VÖ: 05.01.2023
(CVS / Note 1 / CD / DDD / 2022 / CVS 086)
Gesamtspielzeit: 144:49
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AM PULS DES DRAMAS
Diese neue Version von Jean-Baptiste Lullys Oper „Psyché“, die 2022 in der Versailler Hofoper aufgenommen wurde, verhält sich zur 2007 beim Label CPO erschienenen Interpretation gewissermaßen komplementär:
In der älteren Einspielung kultivieren die Interpret:innen des Boston Early Music Festival einen entspannt-lyrischen Angang, der die sangliche Dimension der Rezitative betont. Dagegen setzt das Ensemble „Les Talens Lyrique“ unter dem Cembalisten Christophe Rousset auf einen mehr deklamatorischen Ansatz. Rousset begreift die Musik vom Sprechtheater her. Entsprechend schlägt er ein höheres Grundtempo an - eine Einspielung ganz nahe am „Puls des Dramas“.
Auf die gesamte Länge macht das schon etwas aus: Roussets Version benötigt rund 30 Minuten weniger! Sie wirkt aber nicht übereilt, weil die Relationen stimmen und Be- sowie Entschleunigungen sinnvoll gesetzt sind. Dazu ist die Interpretation wie zuletzt auch bei „Acis et Galatée“ rhythmisch pointiert, in den Details scharf konturiert. Das betont den horizontalen Bewegungsimpuls der Musik.
Die bei den Bläsern größer besetzte Aufnahme des Boston Early Music Festival klingt weicher und fülliger. Sie bereichert die vertikale Dimension der Musik durch eine reiche Contiuno-Gruppe, was angesichts der beiden Ensemble-Leiter, Paul O’Dette und Stephen Stubbs, nicht verwundern kann, sind die Beiden doch ausgewiesene Spezialisten für Zupfinstrumente aller Art. Ihre Einspielung kennt daher viele feine Farbabstufungen und Beleuchtungsnuancen, ist im Ganzen atmosphärischer. Im direkten Vergleich mit Roussets Interpretation wirkt sie allerdings weniger dramatisch.
Der raschere Puls der neuen Version kommt dem Werk durchaus entgegen, vor allem im 3. Akt, der kein Divertissement hat und allein vom Rezitativ und einigen generalbassbegleiteten Airs lebt.
Eine gewisses Ungleichgewicht bei der Verteilung der musikalischen Reize hängt mit der Entstehungsgeschichte des Werks zusammen: Da Lully nach einem vorangegangenen Skandal um die Oper „Isis“ ohne seinen geschätzten Librettisten Quinault auskommen musste, griff er für „Psyché“ kurzerhand auf ein älteres Hofballett zurück, das er einst mit Moliére kreiert hatte. Die existierenden musikalischen Teile wurden in ein gänzlich neues Libretto von Thomas Corneille integriert, der die Handlung beibehielt und zugleich straffte: Liebesgott Amor liebt das schöne Menschenkind Psyche. Diese zieht damit den Zorn der eifersüchtigen Mutter Amors, der Götting Venus, auf sich. Ihr Sohn soll nur Augen für seine allerschönste Mutter haben! Erst durch Jupiters obersten Götterspruch werden nach allerlei mythologisch-intriganten Verwicklungen und vorrübergehendem Ableben der Psyche die Verhältnisse befriedigend geordnet.
Einen Chor gibt es nur im Prolog und im 5. Akt, weshalb er in den beiden Aufnahmen auch von dem umfangreichen Solist:innen-Ensemble gesungen wird. Den relativ sparsamen Mitteln der Akte drei und vier stehen die reicheren des ersten, zweiten und fünften gegenüber. Letzerer reiht zum Schluss reichlich Airs, Tänze und Ensembles zu einem prächtigen Finale aneinander, inklusive Pauken- und Fanfaren-Klänge. Im ersten findet sich hingegen das berühmte "Plainte italienne", eine italienische Einlage in einem französisierten Lamento-Stil, die ebenfalls aus dem ursprünglichen Ballett stammt.
Auch stimmlich hat die neue Einspielung ihre deutlichen Meriten: Sängerisch versammelt Rousset sein schon bei "Acis et Galatée" bewährtes Ensembles von tonschönen, stilsicheren und ausdrucksstarken Solist:innen um sich. In der Hauptrolle tritt Ambroisine Bré als Psyché mit einem eher dramatischen denn "liebreizenden" Timbre hervor. Nicht minder minder expressiv ist die Venus von Bénédicte Tauran. Zwischen den beiden steht der sinnliche Amor von Deborah Cachet (bzw. in der erwachsenen Version: Cyrill Auvity). Die vielen größeren und kleineren Rollen um dieses Trio herum sind ebenfalls trefflich besetzt.
Wie beim Label der Vesailler Schlossspektakel üblich, wird die auch klanglich einnehmende Produktion durch ein reich bebildertes und ausführlich kommentiertes Libretto begleitet.
Georg Henkel
Besetzung |
Ambroisine Bré, Deborah Cachet, Bénédicte Tauran, Eugenie Lefebvre, Cyril Auvity u.a.
Les Talens Lyriques
Christophe Rousset, Cembalo & Leitung
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