Greyhawk

Keepers Of The Flame


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 16.06.2020

(Fighter)

Gesamtspielzeit: 44:19

Internet:

http://www.facebook.com/Greyhawkmetal


Dieser musikalische Greifvogel hier nistet im Gegensatz zu seinem realen Counterpart, dem von Arizona bis Costa Rica vorkommenden Graubussard, im Nordwesten der USA, in Seattle, um genau zu sein – und trotzdem bringen es Greyhawk fertig, nach keinem der Stile zu klingen, die man mit dieser Stadt üblicherweise assoziiert. Dass sie keinen Grunge spielen, wird schon bei einem Blick auf das Cover klar, das neben dem bandnamensgebenden Vogel eine Art Chuck-Norris-Verschnitt mit Flammenschwert sowie eine brennende (!) und fliegende (!!) nackte weibliche Schönheit zeigt. Aber auch innerhalb des traditionellen Metals nischen sich Greyhawk lokal eher ein – sie spielen weder urwüchsigen Power Metal der Metal-Church-Kategorie noch die von Queensryche, Sanctuary oder Mistrust gepflegte kompliziertere Variante. Statt dessen hören wir eine klassikbeeinflußte Melodic-Metal-Version, die man bei einem Blindfold-Test am ehesten in Nordeuropa ansiedeln würde, und das nicht nur, weil das Leadgitarrenspiel von Bandkopf Jesse Berlin bisweilen einen gewissen Malmsteen-Touch aufweist. Im Gegensatz zu Yngwie duldet der Amerikaner aber einen zweiten Gitarristen an seiner Seite, und dafür spielen die (von ihm selbst beigesteuerten) Keyboards nur eine Nebenrolle, üben gelegentlich teppichartige Funktion aus, sind aber nur selten an führender Stelle eingebunden. Neoklassische Metalbands mit dieser Gewichtung sind gar nicht so sehr häufig, wenngleich Greyhawk natürlich trotzdem nicht allein auf weiter Flur stehen und allein schon aufgrund des Albumtitels ein Verweis zu den Schweden Zonata ins Hirn springt, wenngleich der Hüter der Flamme in deren Song in der Einzahl agierte, während die Amerikaner mehrere derselben ins Feld führen, die dann gemäß dem Songtext allerdings auch wieder wie einer zusammenstehen sollen. Aber Zusammengehörigkeit scheint dem Quintett szeneintern sowieso wichtig zu sein, denn in der Dankesliste findet man mit Ausnahme von Ross The Boss nahezu ausschließlich Bands aus dem tiefsten bis allertiefsten Untergrund vermerkt. Dass Greyhawk den Untergrund mit ihrem Debütalbum verlassen werden, steht indes auch nicht zu erwarten – ihr Metal ist zwar keineswegs unzugänglich, aber trotz aller nicht zu verkennender Qualitäten letztlich doch nicht „kommerziell“ genug. Und dann gibt es da noch ein Problem: Greyhawk verfügen über ausgezeichnete Instrumentalisten, aber die niedrigste Daube des Fasses steht in Gestalt von Rev Taylor am Frontmikrofon. Dabei hatte sich alles so gut angelassen, kommt im dem Intro „Gates Of Time“ folgenden Opener „Frozen Star“ doch gleich mal ein hoher, kräftiger, sauberer und treffsicherer Schrei aus den Boxen, der Großes erwarten läßt – und dann ist der Fall umso tiefer, wenn Taylor regulär in einer seltsamen Mittellage zu singen beginnt, an die man sich nach etlichen Hördurchläufen zwar irgendwie zu gewöhnen beginnt, die aber mit einer gewissen Grobschlächtigkeit der filigranen Instrumentalkunst kein adäquates Gegengewicht entgegenzusetzen vermag. Phasenweise fühlt man sich in puncto Stimmfärbung an Sven D’Anna von Wizard zu Battle Metal-Zeiten erinnert, und wenn Greyhawk auf Midtempolagen zurückschalten wie in „Halls Of Insanity“, dann paßt das sogar relativ gut, während sich in den Speedsongs, von denen mit „Frozen Star“ und „Drop The Hammer“ gleich ein Doppel eröffnet, kein richtiges Zusammengehörigkeitsgefühl einstellen will. Als Hybride gebärdet sich „Don’t Wait For The Wizard“ mit dem wohl einprägsamsten Refrain der ganzen Scheibe und einer temposeitig vielschichtigen Anlage (ohne aber stilistisch irgendwas mit den eingangs erwähnten progangehauchten Bands zu tun zu haben), und hier ist man wegen der Stimme hin- und hergerissen, schmunzelt aber angesichts des eben gezogenen Bandvergleichs und des Songtitels natürlich trotzdem unwillkürlich. Freilich trifft das mit der passenderen Stimme durchaus nicht auf alle Midtemposongs zu – „Black Peak“ ist weder in den Strophen (eine Oktave runter, teils zweistimmiges Arrangement) noch im Refrain ein richtiger Bringer, was die Vocals angeht, und hier sitzt auch der hohe Schrei im speedigen Schlußteil nicht so richtig paßgenau, während der leicht düstere Touch in „The Rising Sign“ wiederum gut mit den Vocals korrespondiert, besonders in der ersten Songhälfte, während die zweite dann wieder den Wizard-Vergleich ins Hirn beamt. Eher bemüht wirkende Passagen wie der Oktavsprung an den Strophenenden von „Masters Of The Sky“ helfen auch nicht wirklich, das Gesamtbild reizvoller zu gestalten. Und Songs wie „Ophidian Throne“ geben einem irgendwie den Wunsch ein, sie in einem Viertel oder Achtel der Geschwindigkeit zu hören – für eine Doomband wären die pathetischen Vocals auch in der Stimmfärbung vermutlich gut geeignet, und der breit-epische Titeltrack läßt zumindest eine kleine Ahnung in dieser Richtung zu. Überhaupt fällt auf, dass die Band nach den beiden Openern ziemlich die Geschwindigkeit rausnimmt und man anhand der ersten reichlich 10 Minuten durchaus etwas anderes erwarten würde als das, was dann folgt. Wer übrigens mit der Stimme überhaupt nicht klarkommt, für den bietet die Formation mit dem leider nur dreiminütigen Instrumental „R.X.R.O.“ zumindest einen Ankerpunkt.
So bleiben Greyhawk eine für den Hörer irgendwie undankbare Band – man ertappt sich immer wieder bei der Vorstellung, wie die durchaus interessanten Instrumentalparts mit einem richtigen Könner am Mikrofon, der eine hohe Stimme im Stil von sagen wir mal Timo Kotipelto oder Michael Kiske ins Gefecht führen kann, klingen würden. Aber vielleicht entwickelt sich ja auch Rev Taylor noch weiter – die Band ist noch jung (2016 gegründet), und Keepers Of The Flame stellt nach der EP Ride Out von 2018 das erste volle Album dar. Zumindest an der Kreativität scheint es den Amerikanern nicht zu mangeln, denn keiner der EP-Songs wurde für das Album neu eingespielt (sofern es sich bei „Wisdom Of The Wizard“ nicht um eine Frühform von „Don’t Wait For The Wizard“ handeln sollte), und so dürfen wir gespannt sein, was sie uns beim nächsten Mal vorsetzen. Undergroundfanatiker (und Wizard-Fans) können derweil auch bei Keepers Of The Flame durchaus mal reinhören, zumal die Scheibe zwar nicht sehr druckvoll, aber durchaus klar produziert ist. Und Yngwie-Fans könnten Jesses Gitarrenarbeit zu schätzen wissen ...



Roland Ludwig



Trackliste
1Gates Of Time1:14
2Frozen Star3:11
3Drop The Hammer2:49
4Halls Of Insanity4:11
5The Rising Sign5:46
6R.X.R.O.3:07
7Don’t Wait For The Wizard5:04
8Black Peak6:09
9Masters Of The Sky4:03
10Ophidian Throne3:08
11Keepers Of The Flame5:43
Besetzung

Rev Taylor (Voc)
Jesse Berlin (Git, Keys)
Enrico Mariuzzo (Git)
Darin Wall (B)
Nate Butler (Dr)



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