Josias Ender
Schlafanzug im Wind
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Nun, Josias Ender aus Baden-Württemberg erzählt uns im Titelsong seiner aktuellen CD davon, in einem Schlafanzug im Wind gestanden zu haben. Dabei steht er am Ufer und schaut Schiffen zu. Worum es hier genau geht, und auch in den übrigen Songs, kann man gut im Booklet mit allen abgedruckten Texten nachlesen.
Das Debüt-Album Schlafanzug im Wind, nach einer ersten EP, widmet sich verschiedenen Themen, allesamt aus dem Leben gegriffen, mit Ereignissen, von denen wir sicher alle einmal auf die eine oder andere Weise konfrontiert waren. Das Ganze hat er einfühlsam musikalisch verpackt, und dabei erweist sich der Musiker als Multiinstrumentalist an Gitarren, Bass, Orgel und Glockenspiel.
Die Instrumentierung ist überwiegend puristisch und recht ruhig gehalten, durch die Betonung auf der akustischen Gitarre sehr im Gewand des Singer/Songwriter-Genres. Dadurch gewinnen die oft poetischen und lyrischen Texte eine besondere Tiefe und einen entsprechend passenden Rahmen. Des Protagonisten Stimme ist nicht alltäglich, sondern klingt bisweilen etwas zaghaft, melancholisch, aber auch frecher und dezent rau. Ender ist kein begnadeter Sänger in diesem Sinne, doch ein ausdrucksstarker, der es vermag, mit seiner Stimme seine Botschaften treffend, authentisch und glaubhaft zu vermitteln. Gelegentlich vernehme ich Ähnlichkeiten mit Michy Reincke oder auch Sascha Gutzeit.
Positiv auffällig ist für mich, dass sich der Protagonist nicht einreiht in die lange Front jener Künstler, die die von mir so titulierte "Neue Deutsche Weinerlichkeit" darstellen. Also nicht dort, wo Gefühle als Mittel zum Zweck einfach verwendet werden, um sie in typischer Reimform als Pseudo-Gefühle zu vermitteln. Allein dieser Umstand ist für mich Anlass genug, Josias Ender mit seiner Musik über jene zu stellen, die mit Vorrang darauf abgestellt ist, chartstauglich zu sein. Diese "Gefahr" besteht mit dieser Platte sicher nicht, leider. Denn hier höre ich Texte und Musik, die das widerspiegeln, was einen wahren Singer/Songwriter ausmacht. Und so etwas gibt es in der deutschsprachigen Musikszene leider viel zu selten.
Als Beispiel für die feinsinnigen und tiefgründigen Texte, über die man auch nachdenken muss, weil sie nicht oberflächlich zufallen, fiel mir der Song "Schachtelsätze" auf: "Ich bastel mir ein boot aus alten briefen, die du mir einmal schriebst vor vielen jahren, und fahr ich übers meer für eine zeit und warte, bis die tinte im papier verbleicht. ich bastel mir ein haus aus schachtelsätzen, die wir einst ausgetauscht in langen Nächten." Diese und alle anderen Texte sind alles andere als "08/15", und das ist ein Fakt, den ich für wichtig erachte.
Singer/Songwriter, ab und zu ein wenig Pop, angereichert mit Folk-Elementen, klug erzählte Geschichten, denen man gern zuhört. Alles in Allem ist das sehr gelungen, und es springt an mit der Atmosphäre, geht in die Seele und regt an zum Nachdenken und unterhält gleichzeitig mit guten Melodienfolgen in einem harmonischen Umfeld. Einmal wird kräftig geklatscht und es wird flotter, "Ich packe meine Koffer", leider hätte man das Drumprogramming gern weglassen können. Und mit "Falten" trägt der Protagonist noch einmal philosophierend tiefblickende Gedanken vor, die noch einmal belegen, dass hier etwas entstanden ist, dass außergewöhnlich ist und dem man verdientermaßen Gehör schenken sollte, auch im Schlafanzug....
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Abendblau
2 Lucky Strikes
3 Schlafanzug im Wind
4 So wie es ist, kann es nicht bleiben
5 Es wird nicht passieren
6 Herzemoticon
7 Schachtelsätze
8 Himmelskörper
9 Ich packe meine Koffer
10 Falten
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Besetzung |
Josias Ender (Stimme & Gitarren, Bass, Orgel, Glockenspiel, Chor)
Thomas Wosnitza (Bass, Synthesizer, Effekte, Chor)
Johannes Stöckholzer (Beats, Tasten, Percussion, Effekte, Chor)
Grégory Coursaux (Stimme bei "Abendblau", "Lucky Strikes", "Schlafanzug im Wind", "Schachtelsätze", Pfeifen bei "Es wird nicht passieren", Chor)
Rebekka Eversmann: Stimme bei "Lucky Strikes","So wie ist, kann es nicht bleiben", "Herzemoticon")
Das Lied "Ich packe meine Koffer" zitiert ein Gedicht von Thomas Brasch.
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