Marie Chain

Freedom


Info
Musikrichtung: Electro Pop/Pop

VÖ: 13.11.2020

(Motor Music)

Gesamtspielzeit: 52:58

Internet:

https://mariechain.com/
https://www.motormusic.de/
https://www.gordeonmusic.de/


Marie Chain aus der Nähe von Leipzig, heisst sie wirklich so oder ist es ein bedeutungsschwangerer Künstlername? Maria in Ketten? Ihrem Lebenslauf zufolge mag das zutreffen, reiste sie im Laufe ihres Lebens viel in der Welt herum, zu nennen sind Barcelona, Berlin, New York, Austin, um zu entfliehen.

Laut Pressemitteilung treffen in ihrer Musik der Glamour von Vintage Soul und die Emotionalität von Blues auf die Leichtigkeit von House. So soll sie das Zeug zur nächsten deutschen Soul-Diva haben. Nun, eine Menge Vorschuss-Lorbeeren, oder? Diva: Jemand, der durch besondere Empfindlichkeit, durch exzentrische Allüren o. Ä. auffällt. Ist das hier der Fall? Ferner soll die Dame inspiriert worden sein von der Musik der 50er und 60er, etwa von Ray Charles oder Etta James, ebenso wie vom Sound der 90er.

Also - los gehts, mit "Freedom Manifesto". Ein Manifest der Freiheit, was soll diese öffentliche Erklärung aussagen? Ganz einfach - ein Blick in die im Booklet abgedruckten Texte gibt Hinweise dazu, zum Beispiel: "This is a record of our time 2020, let it make a difference, may it inspire you to demand change for the better." Das "Manifest" erinnert mich eher an den Vorspann zu einem Science-Fiction-Film, ein bombastischer donnernder Keyboard-Sound, und darüber die manipulierte Stimme der Protagonistin, die mir den Eindruck vermittelt, eine Computer-Stimme aus der deutschen Serie "Raumschiff Orion" will mir eine Botschaft vermitteln.

Nun, offensichtlich wird ein hoher kultureller Anspruch angestrebt, gibt es doch zu fast jedem nachfolgenden Song ein Zitat eines berühmten Schriftstellers, Franz Kafka, Johann Wolfgang von Goethe, Oscar Wilde und andere werden aufgeführt. Kafka muss bei "Freedom" herhalten - "Paths Are Made By Walking". Dazu ein total künstlicher Keyboard-Sound, alles programmiert, die besungene Freiheit wird in diesem Brei erstickt und eher gefangen als losgelöst von irgendwelchen Zwängen. Die eigentlich sehr interessante und kraftvolle Stimme von Mary Chain wird aus meiner Sicht geopfert, das passt allenfalls als Beitrag für den Eurovision Song Contest, wo sich ähnliche Songs tummeln.

Leider geht es so weiter, erfreulicherweise erklingt bei "The Lies" immerhin eine E-Gitarre. Aber ansonsten stampft es munter weiter, in einem Spagat zwischen Disco und Techno. Einen wie versprochenen "kernigen Soulgesang" kann ich leider auch nicht ausmachen. Moderne künstliche und kalte seelenlose Pop-Musik, das ist es. Und wer darauf steht, kann sich freuen, hiermit ein recht professionell erstelltes Exemplar genießen zu können. Ich wiederhole mich - schade um den Einsatz der Stimme, da sollte schleunigst ein anderer Produzent herangehen, diese entsprechend einzukleiden.

Denn wenn ein wenig Ruhe einkehrt, "Don't Wanna Talk About Us", der erste Lichtblick, dann bemerkt man erst, wie man es besser machen kann, kommt hier doch die Geschmeidigkeit des stimmlichen Ausdrucks besser zum Ausdruck. Doch, bitte - echte Instrumente, eine echte Band, eine mit Groove und Gefühl. Oder - "All We've Got", nur Piano und Stimme, das erste wirkliche Highlight der Platte. Hier ist Marie dann auch allein mit ihrem Piano, hier kann sie sich entfalten, hier strömen die Emotionen, warum ist nicht die ganze Platte entsprechend gestaltet worden? Und - gottlob gibt es weitere Songs in diesem Umfeld, "A Song For You" wird noch von Streichern umrahmt, ein wenig Dramatik inklusive, und auch die "Secret Melody" klingt ordentlich, hier entsteht gar ein wenig Soul-Feeling. Und so, und das ist die Überraschung, ab Track sechs also hat sich die Platte so entwickelt, wie es zu Beginn so gar nicht zu vermuten war.

"Judgement Day" atmet gar ein wenig James-Bond-Feeling, und bis zum Ende bleibt die Stimmung auf der positiven Seite. Eine zweigeteilte Platte, eine Seltenheit. Denn die Tracks eins bis fünf könnte man gut und gern weglassen, um den Rest als Einheit dann auch zu geniessen. Und vielleicht dazu einen auf der Webseite der Künstlerin angepriesenen Whiskey geniessen? Marie Chain's Rye Whiskey. Ach ja, eines noch - die gemäss Pressetext angepriesenen Elemente von Soul oder Blues (davon überhaupt nichts) oder Musik der Fünfziger und Sechziger als Einflüsse kann ich nicht nachvollziehen, und zu Ray Charles oder Etta James sollte man lieber keine Vergleiche heranziehen. Meine Bewertung stellt insofern auch eine Mischung der ersten fünf Songs (11 Punkte) und der restlichen (14 Punkte) dar, ich runde freundlicherweise dann einmal auf...., allein die Stimme hätte mehr verdient.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Freedom Manifesto
2 Freedom
3 The Lies
4 Don't Wanna Talk About Us
5 I Wanna Fall In Love
6 All We've Got
7 A Song For You
8 Secret Melody
9 Shelter
10 More Than You'll Ever Know
11 Right Here Right Now
12 Judgement Day
13 Berlin Serenade
14 Rescue Me
Besetzung

Mary Chain (vocals, piano)
plus unknown musicians, arrangements



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