Randall Munroes entsorgt die New Kids On The Block mit Lachmuskelzerrungen
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Randall Munroe landete 2014 mit seinem ersten Buch What If? Was wäre wenn? Wirklich wissenschaftliche Antworten auf absurde hypothetische Fragen einen Überraschungserfolg. Der studierte Roboteringenieur hatte 2006 die NASA verlassen, um sich ganztags seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Zeichnen von Comics, widmen zu können. Das tat er auf seiner Website xkcd.com, und dort richtete er auch einen Blog ein, wo ihm die Besucher absurd anmutende Fragen stellen konnten, die er dann streng wissenschaftlich beantwortete. Dieses Projekt erschien dann wie erwähnt auch in Buchform und beeindruckte mit einem genialen Mix aus Komik und Ernst, wobei die Ideen für die Antworten bisweilen die Fragen im Grad der Absurdität noch übertreffen und man sich auch als Nicht-Physiker bzw. Nicht-Astronom (aus diesen beiden Fächern stammt das Gros der Fragen) bestens unterhalten fühlte, wenn man ein Faible für diese Sorte Humor besitzt. Die exzellente Übersetzung von Ralf Pannowitsch trug ihren Teil zum Gelingen dieses Buches bei, und wer schon immer wissen wollte, aus welcher Höhe man ein Steak abwerfen muß, damit es im gegarten Zustand auf dem Erdboden ankommt, fand ebenso hochinteressante Lösungsansätze wie derjenige, der in einem Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente schwimmen wollte.
Munroes zweites Buch nannte sich Der Dinge-Erklärer. Im A4-Format (und mit einigen Ausklappseiten) enthielt es Zeichnungen alltäglicher Dinge von der Zelle (im biologischen Sinne, nicht etwa derjenigen im Gefängnis oder im Kloster) bis zur Waschmaschine samt erklärenden Kurztexten, und zwar unter Verwendung lediglich der 1000 häufigsten Worte, was die Übersetzer vor eine extrem schwierige Aufgabe stellte. Trotz der grundsätzlich genialen Idee und der Findigkeit der Übersetzer ist dieses Buch allerdings ziemlich schwer lesbar, und der Rezensent hat es bisher gerade zweimal gelesen und ist nicht erpicht auf weitere Versuche, während What If? schon eine zweistellige Anzahl von Lesedurchgängen hinter sich hat und doch jedes Mal wieder zum Brüllen komisch ist.
Nun liegt mit How To Munroes drittes Buch vor und reziprokisiert einige der Prämissen von What If?, während es andere übernimmt. Die Problemstellungen sind hier überwiegend der Realität entnommen, wenngleich, wie man feststellt, der Autor bisweilen ein wenig schummelt, indem er manchen Kapiteln per Untertitel eine unvermutete Richtung gibt – die Wege zur Lösung aber sind das Absurde am Ganzen, wobei auch hier wieder alles nach den strengen Regeln der Physik und der anderen Naturwissenschaften abläuft. Dabei hat Munroe mit seiner Bemerkung zur grundsätzlichen Herangehensweise durchaus recht: Mancher heute noch absurd klingende Lösungsansatz könnte sich in Zukunft durchaus in praktikable Realität verwandeln – das ist schließlich in der Vergangenheit schon des öfteren passiert. Natürlich ist das von Szenario zu Szenario durchaus verschieden, und für so manches wird der bereits existierende Lösungsweg auch in ferner Zukunft dem hier im Buch beschriebenen in praxisrelevanter Hinsicht überlegen bleiben. Das hindert den Leser freilich nicht, das Buch von vorn bis hinten mit Genuß zu lesen, sofern er – das ist zwingende Voraussetzung – mit dem absurden Konzept und dem entsprechenden Humor klarkommt. Ralf Pannowitsch war auch an diesem Buch als Übersetzer beteiligt und trifft mit seinem Co-Übersetzer Benjamin Schilling, der auch schon in Der Dinge-Erklärer involviert war, den schnoddrigen Munroe-Stil, in dem auch völlig abwegige Dinge mit völliger Selbstverständlichkeit ausgesprochen werden, erneut erstklassig, wenngleich der Tonfall im Direktvergleich einen Deut „erwachsener“ anmutet. Trotzdem lacht man immer noch Tränen, wenn man sich etwa bestimmte Szenarien vorstellt und so ganz nebenbei noch jede Menge unnützes Wissen vermittelt bekommt, etwa wieviel Energie man aufwenden muß, um den Kansas River bei Topeka komplett zu gefrieren oder komplett zu verdampfen, damit man ihn trockenen Fußes überqueren kann (und wie viele Male man mit der für das Komplett-Gefrieren notwendigen Energiemenge gemäß einem gewissen Film zurück in die Zukunft reisen könnte). Auch die Abhandlung, ob Bier nach einem Nuklearangriff noch genießbar ist (basierend auf einem originalen Forschungsbericht einer US-Zivilschutzbehörde von 1955!), ist nicht von schlechten Eltern. Insgesamt 28 Fragestellungen werden in je einem Kapitel beantwortet, von „Wie man’s hinkriegt, richtig hoch zu springen“ über „Wie man’s hinkriegt, eine Datei zu senden“ und „Wie man’s hinkriegt, einen Baum zu schmücken“ bis hin zu „Wie man’s hinkriegt, dieses Buch zu entsorgen“, und dazu kommen noch einige Kurzbeiträge von je einer halben bis ganzen Seite Umfang, wo die xkcd-Strichmännchen eine noch bedeutendere Rolle spielen als in den Hauptkapiteln, wo sie aber auch schon in höherer Dichte als in What If? auftreten und bisweilen eher vom Thema wegführen als es erhellen, was aber der Komik des Buches nur noch einen weiteren Aspekt hinzufügt.
Was hat nun allerdings diese Rezension in einem Musikmagazin zu suchen? Ganz einfach: Eines der Kapitel, nämlich das vierte, ist mit „Wie man’s hinkriegt, Klavier zu spielen“ überschrieben, und an anderen Stellen des Buches spielen auch noch Bruce Springsteen und die New Kids On The Block (letztere sogar zweimal, darunter mit revolutionären Erkenntnissen zum Ableben der Bandmitglieder im 28. [sic!] Jahrhundert) eine Rolle. Wie Munroe im Klavier-Kapitel vom klassischen Tasteninstrument zum Piezoelektrischen Wandler und zum Rotationswoofer kommt und was diese beiden Geräte mit dem Klavierspiel zu tun haben, soll an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden. Nur eins: Es würde den Rezensenten nicht wundern, wenn die auf S. 64 abgedruckte Infrasonate irgendwann mal von einem Kunstprojekt in die Realität umgesetzt würde.
So kehrt How To in äußerst erfreulicher Weise zu den Tugenden von What If? zurück, und wer letztgenanntes Werk mochte, wird vom neuen vermutlich nicht enttäuscht sein. Auch der Rezensent reiht sich da gerne in die lobenden Stimmen ein und hat dank How To schon wieder einige Lachmuskelzerrungen erlitten, was in diesem Fall als absolutes Qualitätsmerkmal zu werten ist.
Roland Ludwig
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