Musik an sich


Artikel
30 Jahre im Zeichen des Tridents; Mein persönliches Jubiläum mit der wohl fleißigsten und interessantesten Band der Welt - The Legendary Pink Dots Teil 3 Curse





Curse

1.) Vinyl Album
2.) CD
3.) Musikkassette
4.) Download

1983


1.) Vinylalbum

UK LP In Phaze PHA2 (1983)
NL LP/CD Terminal Kaleidoscope/Play It Again Sam TK002 (1985)

Anmerkung: Vinyl etching (on PHA 2): Side A - PROZHTET MILITAT / Side B - KLAZH


2.) CD

US CD Soleilmoon SOL40 (1996 – Alternatives Cover)
PL CD Big Blue L-0112 (2002 - Alternatives Cover)


3.) Musikkassette

PL CS Big Blue TK02-4 (1996)


4.) Download

Bandeigene Remasterversion 2012 auf Bandcamp


Trackliste aller Veröffentlichungen:

- Seite 1
Love Puppets (Premonition, Traumstadt 3)
Wall Purges Night (Basilisk)
Lisa's Party
Arzhklahh Olgevezh!
Pruumptje Kurss

- Seite 2
Waving At The Aeroplanes
Hiding
Dolls' House (Chemical Playschool #1, Dots on the Eyes, Kleine Krieg)
The Palace Of Love (Kleine Krieg)
Stoned Obituary (Kleine Krieg)


Musiker:
Aradia (Phil Silveman Knight) - keyboards, occ. vocal, glox
Stret Majest - guitars, prazhada
D'Archangel (Edward Ka-spel) - vocals, glox
Pruumptje Juste - bass, suste glox
Keith Thompson - drums, vocal
Sally Graves - flute, voice
Pazhklah Zzappp - extra percussion

Engineered by Pat Birmingham
In Phaze edition limited to 2500 copies.
Terminal Kaleidoscope/PIAS CD version has the following tracking problems: "Dolls' House" and "Palace of Love" are together on track 8 and "Stoned Obituary" is split into tracks 9 and 10
SPV edition has "Stoned Obituary" mistitled "Stone Puppets".
A cassette remix of this album called Curse: The Sequel was planned but never released.
Soleilmoon edition was initially available as part of Lullabies for the New Dark Ages.


Fakten zum Album:

Curse wurde 1983 von InPhase / NER veröffentlicht, später 1985 dann auch noch mal von Play it again Sam Records (PIAS). Ursprünglich war Curse als erstes Album der Band geplant und enthielt in der Urfassung noch die weiteren Stücke “Purity“, „Powdercrowd“ und “Light in my Little Girls Eyes“. Diese erschienen dann auf Kassetten beziehungsweise schaffte es “Light“ ja sogar auf eine eigene EP mit “Under Glass“ zusammen. Die Tatsache, dass nicht Curse sondern Brighter Now als erstes Album erschien, war der Entscheidung der Plattenfirma NER geschuldet. Wahrscheinlich hielten sie Brighter Now für eingängiger.

Fast alle Songs sind auf früheren oder aber auch späteren Kassettenveröffentlichungen in anderen Versionen enthalten (siehe Einnähe hinter den Songs oben.) Ferner gibt es noch den Song "Kurse, the sexuell" auf Chemical Playschool 3, der sich thematisch und soundtechnisch auf das Album bezieht sowie "Film of the Book", welches deutliche Ähnlichkeiten zu "Love Puppest" aufweist. (Chemical Playschool 3)



Kritik:

Curse eröffnet mit einem der stärksten Stücke der frühen Legendary Pink Dots und dem Stück, welches mich zum Dothead machen sollte. Verwischte Stimmfetzen, elektronisch verfremdet eröffnen “Love Puppets“, ehe kurze Zeit später die dunkle, hymnische Keyboardsequenz einsetzt. Dazu erklingen verschiedene Gitarrenlicks im Hintergrund. Über diesem dunklen, verzweifelten Klangbild schwebt die nicht minder dunkle und verzweifelte Stimme Edwards, die in einer dunklen, verzweifelten Art über das Ende einer Liebschaft zitiert, wie ich es vorher noch nie gehört hatte. Da das Stück viel Hall besitzt und zusätzlich mit vielen Echos auf Stimme, Gitarre und Effekten gearbeitet wird, ergibt sich eine seltsame, dunkle und doch psychedelische Stimmung, die ich in dieser Form vorher noch nicht zu Gehör bekommen hatte. Auch ist der Klang so räumlich und klar, die Instrumente drehen sich mitunter um den Hörer. Einfach nur ein grandioses, einzigartiges Stück, das sich über 7 Minuten auswalzt, aber in keiner Sekunde langatmig ist, obwohl sich das Grundgerüst nur wenig verändert. Das Stück war Fluch und Segen für die Band zugleich. Denn zum einem verschaffte es der Band für ihre Verhältnisse recht viel Gehör, zum anderen drängte das Stück sie in die gerade aufkommende Dark-Wave- und später auch Gothikszene, in welche sie per se nicht hinein gehören. Allerdings fanden sie in dieser auf der anderen Seite auch wohl einen großen Teil ihrer bis heute treuen Anhängerschaft.

Das folgende Stück “Wall Purgis Night“ passt sich wieder eher dem Stil von Brighter Now an. Eher fröhlich gestimmt ist es vom pumpenden Bass bestimmt. Eine 80er Jahre Perkussion pumpt gleichbleibend vor sich hin. Über diesem Gerüst legt die Band die für ihre Frühphse typischen, an die 70er Jahre erinnernden Gitarren, spielt mit vielen Taktwechseln und Breaks und bringt auch in der dahin walzenden Musik ihren Sinn für Humor zum Ausdruck. Zusätzlich liegen noch einige Samples verschiedener alter Radioaufnahmen irgendwelcher Reden darüber.

Auch “Lisa's Party“ stößt in diesen Sound. Der Bass pumpt wieder schnell voran, darüber spielt eine naive Keyboardmelodie. Gleichzeitig trägt ein schwebender 70er Jahre Keyboardsound das Stück. Die programmierte Perkussion hingegen klingt wieder mehr nach den 80ern, wenn auch viel verspielter, als zu dieser Zeit eigentlich üblich. Edward präsentiert seinen Text darüber in seinem typischen, erzählerischen Stil. Am Ende experimentiert die Band mit dem Stecker-raus-Effekt, heißt: plötzlich fällt das Tempo von Bass und Keyboard stark zurück, die Sounds beginnen zu leiern und Wah-Wah-Gitarren erklingen im Hintergrund.

“Arzklah Olgevezhh“ ist der nächste Höhepunkt der Scheibe. Ein prägnanter, treibender Bass hetzt das Stück. Die Keyboards bilden einerseits nur einen Soundteppich, andererseits setzen sie gewisse Effekte. Die Perkussion ist wiederum ein treibender, sehr interessant gebauter Beat aus dem Drumcomputer. Die gesetzten Gitarrenklänge sind stark 70er Jahre geprägt. Der eigentliche Hammer ist jedoch der Gesang, in diesem Falle von Edward und April Iffie dargeboten. Edward singt die ganze Zeit unverständliche, an Russisch erinnernde, aber frei erfundene Worte. April Iffi hingegen weist immer daraufhin, dass keiner diese Worte versteht. Das Stück stellt im Grunde den in unserer Zivilisation häufig vorkommenden Mangel an Verständnis zwischen einander dar. Das Stück wurde sehr oft live gespielt und war jedes Mal auch ein Höhepunkt der Shows, was sicherlich in erster Linie daran liegt, dass es so druckvoll, aber auch verspielt ist. Das Stück endet in einer ambienten Klanglandschaft, die von Stimmen umschwirrt wird und von Klängen von weit entfernten Explosionen durchzogen ist. Mit dunklen, gothischen Sounds endet dann die erste Seite. Die Boxen dröhnen vom tiefen Bass mit “Prumptje Kurs“, welches direkt aus “Arzklahh Olgevez“ entstanden ist.

Die zweite Seite startet mit “Waving at the Aeroplanes“, einem Stück das mich stark an Syd Barrett erinnert. Ein vom Bass gesteuertes kleines Stückchen mit fluffigen, psychedelischen Keyboardklängen und sehr feinen, ebenso psychedelischen Gitarren. Dazu gibt es genau ins Bild passende Bongoperkussionen und Edward singt sehr verträumt, ebenfalls ein wenig an Syd erinnernt. Der einzige Unterschied ist der, dass “Waving at the Aeroplanes“ wuchtiger und klarer als die Syd-Barrett-Solosachen daher kommt.

“Hiding“ ist ein weiterer kleiner Schnipsel mit Neofolkcharakter. Man muss nur bedenken, dass es den zu dieser zeit eigentlich noch nicht gab. Eine wahrscheinlich aus dem Keyboard gezauberte spartanische Bläsermelodie, versprenkelte andere Keyboardklänge und eine weibliche Stimme, die darüber im Sprechgesang den Text darbietet. Sehr verträumt und ein Ausblick auf viele Dinge, die später von den Dots gemacht werden sollten.


Das folgende “Doll's House“ wird von ambienten Klängen eröffnet, entwickelt sich dann jedoch zu einer schnellen, vom Bass angetriebenen Mischung aus psychedelischen Pop und funkigen Rock. Hier besticht die Klarheit der Aufnahme, die Gitarren sind für die Dots dieser Zeit auffallend rockig. In seiner Art ist “Doll's House“ auch ein Rückblick auf Brighter Now und zeigt auf, wie dieses Album hätte klingen können. Zum Ende brechen die Bässe weg und ein melancholisches Piano verwandelt das Stück in eine psychedelische Ballade. Den psychedelischen Klang erzielt die Band durch die reichhaltigen und doch punktgenau eingesetzten elektronischen Effekte. Eine sehr typische Dots-Nummer, irgendwo zwischen Wave und Rock mit einer unglaublich reichhaltigen und gut differenzierten Instrumentierung. Der knapp acht Minuten dauernde Song ist ein weiterer Höhepunkt des Albums.

Rein synthetisch startet das hymnische “The Palace of Love“. Zu den Keyboardklängen, die zum einen flächig und zum anderen rhythmisch angelegt sind, setzt eine scheppernde, rituelle Perkussion ein. Zu diesem voluminösen Sound bietet Edward Gesang, der zwischen Gesang und Schreien changiert. Im Hintergrund wirken hier auch bereits feine Gitarreneffekte. Im zweiten Teil entwickelt sich das Stück nach einem psychedelischen Intermezzo aus Keyboardsounds und Samples von Chören unter Einsatz des einsetzenden Basses und einer rockigen Gitarre zu einem richtigen Rockstück mit so etwas wie Shoegaze-Effekten und einer poppig-hymnischen Melodie.

Abgeschlossen wird das Album mit “Stones Obuarty“. Hier wird es mit Bass und Keyboardeffekten zunächst mystisch und dunkel. Der pochende Schlagzeugrhythmus unterstreicht dies sehr gut. Danach setzen flächige Keyboards ein. Getrieben vom Bass steigert sich Edward langsam in den hymnischen Gesang hinein. Hier fließen sogar leicht jazzige Spuren mit ein und das Album endet mit dem hymnischen wiederholen der Textzeile "Die with your eyes on". In diesem Stück werden noch einmal alle Register gezogen und auch viele Hinweise auf die weitere klangliche Zukunft der Band gegeben.


Fazit:

An sich klingt Curse in meinen Ohren viel reifer als Brighter Now, weshalb sich mir die Entscheidung der Plattenfirma nicht erschließt. Andererseits verdanken wir dieser wohl das Brighter Now-Album, welches sonst wohl nicht erschienen wäre. Soundtechnisch klingt Curse im Gegensatz zum Debüt richtig fett, wenn auch die Brillianz und Stärke des Einstiegstückes “Lovepuppets“ nicht über Albumlänge gehalten werden kann.

Auf jeden Fall präsentiert sich Curse wesentlich emotionaler und mehr als Album, denn als Songkollektion. Zwar ist es kein Konzeptalbum, bietet jedoch einen wesentlich stärkeren Spannungsbogen als Brighter Now und mit den doch recht unterschiedlichen Stücken viel mehr Abwechslung. Hingegen ist es bei weitem nicht so düster wie das (Original-)Cover und der Eröffnungssong zunächst andeuten.

Natürlich ist die Atmosphäre doomiger als beim Erstling, doch gibt es mit “Lisa's Party“, “Arzhklahh Olgevezh!“ und “Stoned Obituary“ regelrechte Dancefloor-Nummern und mit “Arzhklahh Olgevezh!“ musikalisch wie textlich den typischen Humor der Pink Dots. (Dies natürlich auch in anderen Nummern, aber hier im Besonderen). Ach ja, die Texte. Die finde ich insgesamt auch wesentlich reifer als beim Debüt, hier kristallisiert sich Edwards Stärke so richtig heraus. Teilweise mag das aber auch daran liegen. Eine weitere Steigerung, dass Edward auf Curse um Längen stärkere Vocals abliefert. Nochmal, erstaunlich, dass beide Alben quasi gleichzeitig entstanden sind.



Cover:

Auf Grund der kleinen Stückzahlen der ersten INPHAZE- und auch der PIAS-Veröffentlichungen der Vinylscheiben gehört Curse zu den meistgesuchten Vinyls der Band. Ich darf mich glücklich schätzen, inzwischen zwei Exemplare der Erstausgabe zu besitzen. Hierbei musste ich mich über das Erstehen der ersten Version per Internet aus den USA für 50 DM + Versand ein wenig ärgern, denn leider wurde die gut erhaltene Scheibe vom Verkäufer mit Aufklebern verschandelt. Dafür freut mich die zweite Version umso mehr, denn diese enthält sogar das als einfache Matritzenkopie erstellte DIN-A4-Inlay des Originals.

Das Originalcover zeigt die Tarotkarte „Der Tod“ auf schwarzem Hintergrund, festgehalten von einer blutigen Hand. (gezeichnet). Dieses Cover passt zwar an sich nur zu den dunklen Tracks des Albums, grenzt aber in seiner Ästhetik sehr gut den inhaltlichen Unterschied zu Brighter Now ab. War Brighter Now zwar auch kein fröhliches Album, so ist Curse aber durchaus sein dunkler Bruder.

Alle weiteren Ausgaben haben dieselben Probleme, wie eigentlich alle Reissues der frühen Dots-Alben: die Cover wirken unpassend und meistens billig gemacht. Zum einen gibt es da die Version der Lullebies for the new dark ages-Box, welche es als CD, LP und, soweit ich weiss, sogar Picture-Vinyl-Box gibt. Das Cover zeigt einen leerstehenden Kircheninneraum, auf dem Boden liegt Bauschutt. Wie die kompletten vier Alben dieser Box ist das Cover in einem Schwarz-Weiss-Format mit Rotstich angelegt. Es erinnert an Fotos, die viele aus den Fotoalben ihrer Großeltern kennen. Insgesamt passt dieses Motiv eigentlich nicht auf das Album, höchstens zu den sakralen Songs und dem insgesamt halt doomigen Sound. Die Box an sich ist sehr schön, doch für mich passt das Originalcover einfach besser.

Die Big-Blue-Fassung von 2002 zeigt in ähnlichen Farbtönen wie die Lullebies-Version ein Schlachtfeld. Ich kann nicht so recht definieren, ob es eines nach einer Schlacht ist oder doch nach einem Atomkrieg. Es ist auch egal, beides hat keinerlei Bezug zum Album und mir gefällt es gar nicht.


Klangqualität:

Im Gegensatz zu Brighter Now hatte ich bei Curse zuerst die PIAS-CD-Version. Diese ist um Längen besser im Sound als das Debütalbum. Die Bässe sind druckvoller, der Sound ist transparenter, der nebulöse, verwaschene Sound von Brighter Now ist verschwunden. Die INPHAZE-Originalvinyls sind klanglich etwas weicher, vergleichbar. Die Überspielung auf CD wird seinerzeit 1:1 erfolgt sein. Auch bei der CD-Version der Lullebies-Box ist meines Erachtens nach keine Veränderung zum Original vorgenommen worden. Da ich die Big-Blue-Fassung nicht kenne, kann ich sie nicht bewerten. Meines Wissens nach wurden jedoch auch alle Big Blue Reissues ohne klangliche Aufarbeitung überspielt.

Anders hingegen ist das von der Band gemachte Remaster, welches über Bandcamp erhältlich ist, klanglich eine Verbesserung zum Original. Hier sind die Bässe noch einmal besser gemischt und die Trennschärfe zwischen Höhen und Bässen ist exzellent geraten. Selbst im MP3-Format erhält man hier eine wunderbare Fassung des Klassikers.



Wolfgang Kabsch



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