Musik an sich


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Das neue Rock Classics Sonderheft liefert Hofberichterstattung für die Toten Hosen




Info
Autor: Rock Classics

Titel: Die Toten Hosen

Verlag: Slam Media GmbH

Preis: € 7,90

100 Seiten


Nach den Ärzten (Heft Nummer 7) erscheint als neuntes Sonderheft der Rock Classics das zweite Heft zu einer deutschen Band. Und das Heft, das sich den Toten Hosen widmet, ist das schwächste, das in dieser Serie – soweit ich sie wahrgenommen habe – bislang erschienen ist.

Wesentlich dominierender als bei den bisherigen Heften, ist die Darstellung der Bandgeschichte und des aktuellen Albums Ballast der Republik. Das, was den besonderen Reiz der bisherigen Hefte ausgemacht hat und was sie von üblichen Biographien unterschied, war das Ausgraben von interessanten Leuten aus dem weiteren Umfeld der Band, die eine ungewöhnliche Sicht auf die jeweiligen Künstler und ihre Karriere hatten. Das beschränkt sich im Fall des Hosen-Heftes auf den Zeugwart von Fortuna Düsseldorf, den Gitarristen einer Hosen-Coverband, den Sänger einer Nachahmerband und den Macher eines Internet-Forums zu Fragen rund um die Toten Hosen.

Nicht einmal eine Vorstellung der einzelnen Musiker der Toten Hosen erfolgt, so dass das Heft massiv Campino zentriert ist, der gleich mit zwei Interviews vertreten ist. Dafür gibt es zwei Seiten Auflistung von Merchandise(!) und zwei Seiten mit Cover-Abbildungen von Filmen, die mit den Hosen in Verbindung stehen, ohne irgendeinen Kommentar zu den einzelnen Objekten.

Was das Heft aber am problematischten macht, ist seine absolut unkritische Berichterstattung. Man kann sich sicher darüber streiten, ob und wann die Toten Hosen ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, ob und wann sie zu einem reinen Kommerzunternehmen geworden sind und ob die Ärzte, die Onkelz oder wer auch immer die eigentlichen Helden sind.
Dass die Toten Hosen kommerziell sind, dass das, was sie leben und spielen, mit Punk nur noch am Rande zu tun hat und dass sie sich musikalisch spätestens nach „Alex“ in eine ziemliche Endlosschleife begeben haben, ist aber zumindest eine so verbreitete Ansicht, dass man sich mit ihr in einer 100-seitigen Veröffentlichung, die sich ausschließlich mit den Toten Hosen beschäftigt, zumindest mit ihr hätte auseinandersetzen müssen. Die Rock Classics tun das nicht einmal ansatzweise, obwohl sowohl Thilo, der Gitarrist der 5 kleinen Jägermeister, und Campino selber ihnen Steilvorlagen für entsprechende Fragen liefern.
Stattdessen wird den Toten Hosen global attestiert, dass sie ihre Authentizität nie verloren haben.

Die beigelegte CD ist ebenfalls ambivalent. Zwar hat sie mit Stücken der viel zu unterbewerten Fee und Family 5 aus dem Fehlfarben Umfeld tolle Stücke und mit The flying Klassenfeind nur einen Stinker am Start. Was die CD aber mit den Toten Hosen zu tun hat, bleibt ein Rätsel.
Ein Blick auf die Credits löst das Rätsel. Die Rock Classics bieten dem rührigen Sireena Label, das bei der MAS auch schon mal mit einem Labelportrait bedacht wurde, die Möglichkeit acht Alben aus ihrem Labelprogramm zu präsentieren. Sireena haben es mit ihrer Arbeit durchaus verdient unterstützt zu werden. Was das in diesem Heft soll, bleibt dennoch die Frage. Da waren die Sampler in der Vergangenheit interessanter zusammengestellt worden – war wahrscheinlich wesentlich arbeitsintensiver und teurer.



Sireena-Sampler - Noch mehr deutsche Punk- und New Wave-Klassiker

1 Family 5 - „Stein des Anstoßes“ (6:21)
2 Rotzkotz - „Lunatic Chick“ (2:11)
3 39 Clocks - „DNS“ (3:55)
4 A5 - „Längst vorbei“ (3:22)
5 Der moderne Mann - „Roter Mond“ (4:02)
6 Fee - „Amerika“ (3:01)
7 Mythen in Tüten - „Hochkant“ (4:39)
8 The flying Klassenfeind - „Ulan Bator“ (3:57)


Norbert von Fransecky



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