Vivaldi, A. (Biondi)
Ercole sul Termodonte
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Info |
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 26.11.2010
(Virgin Classics / EMI / 2 CD / DDD / 2008-2010 / Best. Nr. 50999 6945450 9)
Gesamtspielzeit: 143:51
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EINER FÄLLT AUS DER ROLLE
Ein solches Staraufgebot ist mittlerweile selten geworden: Für die Einspielung von Vivaldis erster für Rom komponierter Oper "Ercole" hat das Label Virgin Classics wahrhaftig alles aufgeboten, was in der Barockszene Rang und Namen hat. Um die Oper, von der keine vollständige Partitur erhalten ist, überhaupt präsentabel zu machen, hat Orchesterleiter Fabio Biondi in detektivischer Kleinarbeit aus den in ganz Europa verstreuten Teilmanuskripten eine Komplettfassung rekonstruiert. Vollständig neu geschrieben werden mussten dafür die Rezitative, was dem mit Vivaldis Stil bestens vertrauten Biondi so perfekt gelungen ist, dass man den Meister selbst zu hören meint. Soweit ganze Arien aus anderen Bühnenwerken oder einzelne Orchesterstimmen rekonstruiert werden mussten, ist dies ebenfalls bruchlos gelungen. Dieses Vorgehen liegt sogar in der Linie der Tradition, denn schließlich hatte Vivaldi selbst für diese Oper zahlreiche frühere Werke "geplündert" und als Steinbruch für musikalisches Material genutzt. Das römische Publikum kannte ja seine älteren Opern ohnehin nicht.
Herausgekommen ist ein stimmiges Gesamtwerk, dass die farbige und actionreiche Geschichte des Herkules bei den Amazonen dramaturgisch überzeugend in Musik umsetzt. Das Orchester Europa Galante spielt dabei überraschend sublim, obwohl die Streicher nicht einmal dünn besetzt sind. Das verdient Lob, zumal Vivaldi derzeit ja oft recht ruppig zu Leibe gerückt wird. So ganz und gar nicht zu dieser Feinsinnigkeit passt, um mit der schlechten Nachricht zu beginnen, der Auftritt von Rolando Villazón in der Titelrolle. Man mag ja hinnehmen, dass der Herkules auch stimmlich überpotent daherkommt, aber was hier abgeliefert wird, ist nahezu grotesk. Villazón schluchzt und stemmt die Töne, als sei er aus der Belcanto-Oper von nebenan herübergestolpert. Die hübsche Pizzicato-Begleitung der Arie "No, non dirai cosi" wird durch seine unsensible Gestaltung platt gemacht und das Ganze gerät an den Rand der Lächerlichkeit. Dazu kommt, dass Villazón über weite Strecken indisponiert ist und in der Höhe unangenehme Schärfen auftreten. Da hilft es auch nichts, dass man die Produktionszeit um seinetwillen über drei Jahre gestreckt hat, um seinen bedauerlichen Stimmproblemen Rechnung zu tragen. Villazón hat wiederholt seine Begeisterung für die Barockoper kundgetan, aber auch bei Sängern gehen Neigung und Talent nicht immer überein. Villazón ist und bleibt ein Tenor für die Oper des 19. Jahrhunderts. Schade, dass weder er noch die Produzenten dies akzeptieren wollen.
Ansonsten nämlich bietet die Sängerriege beste Barockkkunst und es ist traurig, dass man, um dies genießen zu können, die Arien des Titelhelden am besten überspringt: Patrizia Ciofi besticht einmal mehr durch kecken Ausdruck, Diana Damrau durch strahlende Höhe, Joyce DiDonato durch sorgfältige Gestaltung und Vivica Genaux hat erstaunlicherweise an Höhe und Leichtigkeit hinzugewonnen. Philippe Jaroussky ist einmal mehr über alle Kritik erhaben und bei Topi Lehtipuu bedauert man, dass Vivaldi dem Telamone nur so wenige Auftritte zugedacht hat. Einzig Romina Basso hat man gelegentlich auch stärker erlebt, ohne dass ihre Leistung damit geschmälert sein soll. So ist neben dem Besetzungsfehler Villazón nur noch ein einziger Makel zu verzeichnen: Wenn man schon so viel Geld für ein Staraufgebot ausgibt, sollte es auch noch für einen ordentlichen Chor reichen. Der Kammerchor "Santa Cecilia" stapft arg bäuerlich und unsortiert durch die Partitur; da hätten ein paar Stunden mehr Probenarbeit sicher gut getan.
Sven Kerkhoff
Besetzung |
Rolando Villazón: Ercole
Romina Basso: Teseo
Patrizia Ciofi: Orizia
Diana Damrau: Martesia
Joyce DiDonato: Ippolita
Vivica Geneaux: Antiope
Philippe Jaroussky: Alceste
Topi Lehtipuu: Telamone
Europa Galante
Coro da Camera "Santa Cecilia"
Fabio Biondi: Leitung
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