Mozart, W. A. (Norrington)
Essential Symphonies Vol. I + II
ESSENTIALIA
Wer mag sagen, was Mozarts "Essential Symphonies" sind? Roger Norrington hat es sich zugetraut und für eine Konzertreihe beim zweiwöchigen Stuttgarter Musikfest 2006 gut 20 Symphonien ausgewählt, darunter die letzten zehn im Werkverzeichnis. Ein repräsentativer Querschnitt durch das symphonische Werk sollte es werden und zugleich eine Reihe mit besonders authentischen Hörerlebnissen: Neben der jeweils an die Erstaufführung angepassten Orchesterstärke (wie sie schon Christopher Hogwood bei seiner Gesamteinspielung zelebrierte), wollte Norrington Authentizität dadurch schaffen, dass er die Symphonien nur ein einziges Mal, nämlich jeweils am Vorabend der acht Konzerte, proben ließ. Darüber hinaus arbeitete Norrington bei den vier letzen Symphonien mit einem "Doppelorchester", wobei er die piano-Passagen von der einen Hälfte des Orchesters, die forte-Passagen von allen Musikern spielen ließ.
Ein bißchen experimentell ist das Ganze also schon, wenn auch nicht so revoluzzerhaft wie Norringtons Einspielung der Symphonien mit den London Classical Players Anfang der 90er Jahre. Nicht alles an dem Experiment darf als geglückt bezeichnet werden. Insofern gilt es zunächst mit dem Grundübel der Authentizitäts-Doktrin aufzuräumen: Mozart hätte, wenn er denn die Möglichkeit erhalten hätte, gewiss gerne mehr als nur eine Orchesterprobe abgehalten, denn Schlamperei war ihm - zumindest in der Musik - zuwider. Und die Orchesterstärke wurde von ihm nicht freiwillig gewählt, sondern war ihm oft nach den Umständen vorgegeben. Und dass Mozart jemals ein "Doppelorchester" eingesetzt hätte, ist nicht zu belegen. Das Prädikat "authentisch" ist also wie immer mit Vorsicht zu geniessen. Darüber hinaus hält Norrington sich in andere Hinsicht durchaus nicht an die Vorgaben und zwar nicht einmal an solche, die sich unmittelbar aus den Partituren ergeben: So ist das Andante in der Symphonie Nr. 29 in Relation zu den übrigen Sätzen wohl eher ein Allegro und das Andante aus der Symphonie Nr. 39 ist kein Andante cantabile, denn dazu wird es - wie diese gesamte Symphonie - allzu mechanisch heruntergespielt. Die kurze Probenarbeit macht sich dann eben doch bemerkbar. Zwar ist das dennoch gute Zusammenspiel des Orchesters bewundernswert, aber die Arbeit an den Details und Schattierungen lässt stark zu wünschen übrig.
In gewohnter Manier leuchtet Norrington allerdings einzelne Passagen besonders gründlich aus und schafft es so durchaus, dem Hörer neue Einsichten zu vermitteln. Dies geschieht aber um den Preis eines mehr als freizügigen und exzessiven Umgangs mit Rubati und Sforzati, so als würde man jedes Mal mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Stelle hingewiesen.
Der vibratolose Streicherklang des Orchesters tönt, da auf modernen Instrumenten gespielt wird, recht angespannt und teils schneidend. Sehr schön hingegen ist der Klang der Holzbläser.
Unabhängig davon also, ob dies wirklich die "Essential Symphonies" sind, bleibt zu hoffen, dass Norrington mit dieser Reihe nicht auch die Essenz seiner Beschäftigung mit Mozarts Symphonien präsentieren möchte. Dazu ist das Ergebnis zu dürftig und bleibt hinter zahlreichen Alterntaiveinspielungen zu deutlich zurück. Einzig die Einspielung der Jupiter-Symphonie auf Volume I mag man insoweit ob ihrer weit ausgreifenden Bewegungen und ihrer dramatischen Zugkraft als Interpretation von hohem Rang gelten lassen.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Vol. I 1-3 Symphonie Nr. 1 Es-Dur KV 16 11:39 4-7 Symphonie Nr. 25 g-moll KV 183 25:44 8-11 Symphonie Nr. 41 C-Dur KV 551 36:33
74:07
Vol. I 1-4 Symphonie Nr. 12 G-Dur KV 110 16:48 5-8 Symphonie Nr. 29 A-Dur KV 201 27:07 9-12 Symphonie Nr. 39 Es-Dur KV 543 30:40
72:00 |
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Besetzung |
Radio-Sinfonierorchester Stuttgart des SWR
Ltg. Roger Norrington
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