You can’t keep a good Band down - 35 Jahre URIAH HEEP im Spiegel des neuen Box-Sets Chapter & Verse
Kapitel 1: Bevor es losging. Die Jahre vor Uriah Heep
“You can’t keep a good Band down. You’re dealing with an Institution.” Diese Zeilen sang David Byron 1975 auf dem Album High and mighty. Ob er zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass die Band diese Gewissheit demnächst dringend brauchen würde? Zumindest läutete er kurz darauf mit seinem Ausstieg eine der schwersten Krisen in der über dreißigjährigen Bandgeschichte ein. Immerhin galt er gemeinsam mit Ken Hensley als einer der beiden entscheidenden kreativen Pole der Band. Mit dem Einstieg von Trevor Bolder (B) und John Lawton (Voc) konnte sich die Band nach dem gleichzeitigen Ausscheiden von Byron und Kurzzeitbasser John Wetton (Roxy Music, UK, Asia) noch einmal fangen. Aber bald versank einer der Top-Acts der 70er Jahre in einem wilden Besetzungskarussell. Die 80er wurden mehr oder weniger durchstolpert, bis die Heep zur Ruhe kam und es in den 90 gelang in der zweiten Reihe wieder Fuß zu fassen. Seit fast 19(!) Jahren sind die Mannen um das einzige Ur-Mitglied Mick Box nun ununterbrochen und ohne einen einzigen Personalwechsel unterwegs. Die Anzahl der neu veröffentlichten CDs in dieser Zeit war deutlich geringer, als Fans es sich gewünscht hätten. Heep haben versucht ihre Anhänger mit permanenter Live-Präsenz und einer erheblichen Anzahl unterschiedlicher Live-Alben bei der Stange zu halten.
Mittlerweile ist es 35 Jahre her, seit Uriah Heep ihre erste LP eingespielt haben. Und endlich soll wieder ein neues Studio-Album eingespielt werden. Aber das Jubiläum ist Grund genug erst einmal ein fettes Box-Set herauszugeben, das das Beste aus den bislang 20 Studioalben präsentiert und mit Outtakes, Live- und Alternative-Mixes ergänzt. Ein sinnvolles Unterfangen. da die bislang repräsentativste Heep-Gesamtschau, das 4-CD-Box-Set A Time of Revelation von 1996, das zum 25sten Jubiläum nach einem ähnlichen Rezept gestrickt war, nicht mehr erhältlich ist.
Besprochen wurde Chapter & Verse bereits im Review-Teil der letzten Ausgabe. Aber wir legen die CDs und das Booklet noch einmal auf den Tisch, blättern es durch und nutzen die Gelegenheit, die Geschichte einer der wichtigsten Bands der Rockgeschichte an uns vorbei ziehen zu lassen
CD 1: Die Wurzeln von Uriah Heep
CD 1 präsentiert uns die Bands, in denen die die Ur-Heeps vorher engagiert waren. Zu Recht erscheinen auf dieser CD auch die Tracks der ersten Uriah Heep-Scheibe Very ’eavy, very ’umble. Denn als die Band das Studio zu den Aufnahmen betrat, trug sie noch den Namen Spice. Erst als ihr neuer Manager Gerry Bron völlig überraschend mit einem Plattenvertrag erschien, entschloss man sich, das nun mögliche Album unter einem neuen Namen zu veröffentlichten. Denn obwohl sein Name in den Credits dieses Albums noch nicht auftaucht, war bereits deutlich, dass der gerade neu zur Band gestoßene Multiinstrumentalist Ken Hensley den Sound neu (mit)definieren würde.
Hensley war gemeinsam mit Drummer Lee Kerslake, der erst mit dem vierten Album Demons and Wizards zu Uriah Heep stoßen wird, zuvor bei den Gods, die mehrere Alben veröffentlichten und mit dem von Kerslake geschriebenen “Lovely Anita“ sogar einen veritablen Radio Hit hatten. (Drei Tracks sind auf der Box zu hören.) Vocals und Gitarre lassen bereits hier ahnen wie Uriah Heep spätestens ab Salisbury klingen werden. Bevor Kerslake zu Heep ging, hatte er noch ein Engagement bei der National Head Band, die deutlich folkiger klang. (Ein Track)
Auch Ken Hensley hatte weitere Stationen vor Uriah Heep. Eine davon nannte sich Toe Fat, eine recht harte, stellenweise mit psychedelisch verzerrten Gitarren arbeitenden Truppe, die zum Teil vorwegnimmt, was Uriah Heep auf ihrem experimentellsten Album Look at yourself ausprobieren werden. (Ein Track) “The first Time“ ist ursprünglich ebenfalls ein Toe Fat-Song gewesen, der aber melodischer und ruhiger ist. Hensley wird auf seinen ersten beiden Solo-Alben ähnlich weiter arbeiten. Auf Chapter & Verse erscheint er in einer Version von Head Machine, einer Band bei der Hensley und Kersalke unter den Pseudonymen Ken Lesley und Lee Poole erschienen. (Ein Track)
Spice sind die „eigentlichen“ Vorläufer von Heep. (Vier Tracks) Kam von den Gods mit Ken Hensley, die harmonisch-romantische Seele der Band, so lieferten Spice mit dem Gitarristen Mick Box und dem charismatischen Sänger David Byron das stählerne Herz der Band, die gemeinsam mit Black Sabbath, Led Zeppelin und Deep Purple in den kommenden Jahren definieren sollte, was Hard und Heavy Rock heißt. Bläsersätze, wie die von “What about the Music”, solle es bei Uriah Heep nicht mehr geben. Dafür deutet das recht harte “Born in a Trunk“, das auf die klassische Beat Szene gewirkt haben muss wie Rammstein auf die Neue Deutsche Welle, bereits an, wohin der Kurs gehen wird. Grundsätzlich aber waren Spice eine kraftvolle Beat-Band, die sich gut aus der Tradition von Bands wie den Kinks oder den Small Faces heraus verstehen lässt.
Neben den beiden „Paaren“ Hensley (Voc, Git, Keys)/ Kerslake (Dr) und Box (Git)/ Byron (Voc) vervollständigt Bassist Gary Thain das klassische Uriah Heep-Line up, das zwischen 1972 und 1975 vier Studio- und ein Live-Album eingespielt hat; später veröffentlichte Bootleg-Alben nicht eingerechnet. Thain, der wie Lee Kerslake mit dem Album Demons and Wizards zu Uriah Heep stieß, war vor der Heep-Phase, die erst kurz vor seinem tragischen Drogentod endete, bei der Keef Hartley Band in Lohn und Brot. Zwei Tracks dieser Band von 1969 und 1972 beschließen die Prä-Heep-Betrachtung auf Chapter & Verse.
Fortsetzung folgt
Norbert von Fransecky
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