Musikalische Experimente im Ausnahmezustand – ein Überblick über MIKE PATTONS kreatives Universum
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"Es ist wichtig zu stehlen. Nur die guten Dinge sind heilig" – Mike Patton
Er sucht immer wieder nach neuen musikalischen Grenzen, die er durchbrechen kann. Legendär ist dabei seine immense Arbeitswut, mit der er sein kreatives Talent bis zum äußersten ausschöpft. Die Rede ist von Michael Allan "Mike" Patton, dessen musikalisches Wirken vor 20 Jahren mit Mr. Bungle begann, sich bei Faith No More fortsetzte und bis heute als Kopf von Fantômas und Tomahawk anhält. Seit 1999 betreibt er darüber hinaus mit Ipecac-Recordings ein Label für Künstler, die mit ihrer teilweise hochexperimentellen Musik Grenzbereiche ausloten. Neben zahlreichen Beteiligungen an Projekten befreundeter Musiker hat Mike Patton in der Vergangenheit auch zwei Soloalben veröffentlicht. MAS wagt den Versuch, dem interessierten Leser einen detaillierten Überblick über Mike Pattons kreatives Universum zu verschaffen.
"Sharon's Sex Party" mit Mr. Bungle
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Faith No More zu Angel Dust Zeiten |
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1986 erschien mit The Raging Wrath of the Easter Bunny das erste Demo-Tape von Mr. Bungle. Ein Jahr zuvor hatte Mike Patton (Vocals) zusammen mit Trey Spruance (Gitarre), Trevor Dunn (Bass) und Jed Watts (Drums) die Band in Eureka/Kalifornien gegründet. Ursprünglich hatte man sich nach einem unhygienischen, anstandslosen Clown aus der "Pee Wee Herman Show" benannt, später erfuhren die Bandmitglieder jedoch, dass ein gewisser Mr. Bungle in dem Sex-Film "Sharon's Sex Party" eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Ihre Musik war ein wilder Mix diverser Metal-Stile bis hin zum Deathmetal, kombiniert mit Saxophon, Bongos und diversen anderen Instrumenten. Sich selbst verstanden die vier Musiker jedoch von Anfang an als Avantgarde-Band und bereits mit ihrem 1987 erschienenen zweiten Demo-Tape Bowel of Chiley änderte sich der Stil der Musik deutlich. Die Metal-Anteile wurden zugunsten von Ska und Funk auf ein Minimum reduziert. Etwa zur selben Zeit ersetzte man Jed Watts durch Hans Wagner und nahm mit Scott Fritz und Theo Lengyel zwei Horn-Spieler in die Band auf. Zu sechst nahm man erneut ein Demo-Tape mit dem Titel Goddammit I Love America! auf, welches 1988 erschien und musikalisch an den Vorgänger anknüpfte. Während die Band bei Undergroundfans und in der Musikerszene immer mehr Freunde fand, reagierten die Plattenlabels zunächst er verhalten. Das sollte sich mit dem vierten Demo-Tape OU818 jedoch ändern, endlich gelang es Mr. Bungle einen Plattenvertrag mit Warner Records auszuhandeln. Im Vorfeld hatte es jedoch einige Änderungen gegeben, erneut wurde der Posten des Drumers mit Danny Heifez neu besetzt, außerdem ergänzte Bar McKinnon am Saxophon die Band. Auch musikalisch wirkten sich diese Änderungen aus, der Ska-Anteil wurde reduziert und die Betonung lag nun auf schnellen musikalischen Wechseln. Ruhige Passagen wechseln abrupt auf harten Funk, Dub und Metal, untermalt durch das breite Gesangsspektrum von Mike Patton. Dieser hatte jedoch kurz zuvor ein anderes Engagement angenommen, wodurch sich der weitere Werdegang von Mr. Bungle zunächst verzögern sollte.
Glaube Nicht Mehr – Faith No More
Mike Patton Diskographie (Alben) bis 1998 | mit Mr. Bungle: Mr. Bungle (1991) Disco Volante (1995)
mit Faith No More: The Real Thing (1989) Live At The Brixton Academy (1991) Angel Dust (1992) Songs To Make Love To EP (1993) King For A Day... Fool For A Lifetime (1995) Album Of The Year (1997) Who Cares A Lot? The Greatest Hits (1998)
Soloalben: Adult Themes for Voice (1996) Pranzo Oltranzista (1997)
Gastauftritte: John Zorn - Elegy (1992) Milk Cult - Burn or Bury (1994) Sepultura - Roots (1996) Bob Ostertag - Fear No Love (1997)
Beteiligungen an Projekten: AngelicA 97 (1997) Great Jewish Music: Burt Bacharach (1997) Great Jewish Music: Serge Gainsbourg (1997) Great Jewish Music: Marc Bolan (1998) |
| 1988 hatte die Band Faith No More schon eine Reihe von Erfolgen vorzuweisen. Sowohl ihr erstes Album We Care A Lot wie auch sein Nachfolger Introduce Yourself hatten der Band neben viel guter Presse und jeder Menge Fans auch einen Major-Deal mit Slash Records eingebracht. Dennoch herrschte innerhalb der Band Katerstimmung. Schuld daran hatte Chuck Mosley, dessen Gesangsfähigkeiten sich als zu limitiert für die musikalischen Vorstellungen seiner Mitmusiker erwiesen hatten. Ein altbekanntes Problem für Faith No More, deren Anfangsjahre durch den hohen Verschleiß an Sängern geprägt war. In dieser Situation erinnerte sich Jim Martin an Mike Patton. Er hatte als Deathmetal-Fan The Raging Wrath of the Easter Bunny von Mr. Bungle gehört und war überzeugt, das deren Sänger der richtige Mann für den Job hinter dem Faith No More-Mikro wäre. Schnell waren seine Mitmusiker überzeugt und Mike Patton wurde im Januar 1989 in die Band aufgenommen. Er machte sich gleich an die Arbeit und schrieb innerhalb von zwei Wochen die Texte für die Lieder, an denen Faith No More für ihr neues Album arbeiteten. The Real Thing, welches im Sommer des selben Jahres erschien, sollte der Band schließlich zum entgültigen Durchbruch verhelfen. "Epic", die erste Single des Albums lief bei MTV in der Heavy Rotation, Metallica outeten sich als Fans und nahmen die Band mit auf ihre Tournee und schon bald hatte das Album Platinstatus erreicht. Mit ihrer Mischung aus Metal, Funk und Hardcore Punk einten sie die Fans der verschiedensten Genres. Mittlerweile selbst als Headliner auf Tour überzeugte die Band mit ihrem einzigartiger Sound und Pattons verrückter Bühnenshow. Ein Mitschnitt eines Livekonzerts dieser Tour mit dem Titel Live at the Brixton Academy und das Video des selben Auftritts mit dem Titel You Fat B**tards erschienen 1991. Eine Grammy-Nominierung für "Best Metal/Hardrock-Performance" und anhaltend gute Albumverkäufe waren der gerechte Lohn für die überragenden Live-Leistungen der Band.
„Hyperactive“ Mike Patton
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Faith No More 1989, kurz nach Mike Pattons Einstieg in die Band |
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Während sich seine Kollegen von Faith No More mit einer längeren Pause von den Tourstrapazen erholten, war es für Mike Patton an der Zeit, sich endlich wieder seiner Band Mr. Bungle zu widmen. Im August erschien deren selbstbetiteltes Debüt-Album und obwohl es neun bereits von den Demos her bekannte Stücke enthielt, ließ es sich die Band nicht nehmen, diese komplett zu überarbeiten und unter der Leitung von John Zorn neu einzuspielen. Mit einer Tour durch Nord-Amerika wurde Mr. Bungle schließlich ausführlich beworben, bevor sich Mike Patton wieder in Richtung Faith No More verabschiedete. Beflügelt von Pattons Kreativität brannten seine Band-Kollegen nämlich darauf, mit dem Songwriting für das nächste Album zu beginnen. Dank des Erfolgs von The Real Thing hatten Mike Patton, Billy Gould, Roddy Bottum und Puffy Bordin jetzt alle Freiheiten im Bezug auf ihre Musik. Lediglich Jim Martin wurde immer unzufriedener mit der Richtung in die ihre Musik ging, besonders der schrumpfende Metal-Anteil machte ihm zu schaffen. Und tatsächlich erinnerten auf dem Mitte 1992 erschienen Album Angel Dust nur noch die beiden Songs "Midlife Crisis" und "Jizzlobber" an den Vorgänger, ansonsten war das Album eine radikale Abkehr vom bisherigen Sound. Während die Verkäufe in den USA anfangs nur schleppend ins Laufen kamen, wurde Angel Dust in Europa und Australien zum erfolgreichsten Album der Band. Faith No More begaben sich erneut auf Tour, sowohl als Headliner als auch als Opener für die Metallica/Guns `N` Roses-Welttour und waren bis einschließlich November 1993 on the Road. Nach den Tourneen kam der Rest der Band darin überein, dass Jim Martin sie mit seiner fehlenden Begeisterung für ihre neue Richtung aufhielt. Er wurde gefeuert und durch Mr. Bungles Trey Spruance ersetzt.
Disco King For A Day...
Nur mühsam kamen die Arbeiten am nächsten Faith No More-Album in Gang, die Band war vom langen Touren ausgelaugt und überdies damit beschäftigt, Trey Spruance zu integrieren. Doch Ende 1994 war man bereits wieder im vollen Gange. Mike Patton arbeitete zusätzlich noch an neuen Songs für das kommende Mr. Bungle-Album. 1995 erschienen schließlich zunächst das neue Faith No More-Album King For A Day... Fool For A Lifetime und später im Jahr Mr. Bungles Disco Volante. Mit King For A Day... Fool For A Lifetime hatten sich Faith No More noch weiter in Richtung Artrock vorgewagt, eine Entwicklung, die von den Fans nicht mitgetragen wurde. Neben schleppenden Albumverkäufen ließen auch die Vorverkäufe für die kommende Tour nichts Gutes erwarten. Zur gleichen Zeit musste Mike Patton erfahren, dass sich sein enormes Arbeitspensum nicht auf jedes Bandmitglied übertragen ließ. Trey Spruance wurde der Job in zwei Bands zuviel und er weigerte sich, mit Faith No More zu touren. Als Ersatz konnte zwar kurzfristig der Roadie Dean Manta einspringen, aufgrund der negativen Reaktionen der Fans wurde die restlichen Tour-Daten nach einigen Auftritten in UK letztlich abgesagt. Stattdessen startete Mike Patton mit Mr. Bungle, deren Album bei den Fans wesentlich besser angekommen war, eine ausgedehnte Club-Tour durch Nord-Amerika, Europa, Australien.
Adult Themes for the Album Of The Year
Mike Patton tourte mit Mr. Bungle und arbeitete parallel an seinem ersten Solo-Album, dass er 1996 unter dem Titel Adult Themes for Voice veröffentlichte. Wie schon oft zuvor half Patton darüber hinaus auch befreundeten Musikern aus. Für Sepulturas inzwischen legendäres Album Roots steuerte er gleich zu mehreren Songs Vocals bei. Und obwohl auch die übrigen Mitglieder von Faith No More mit anderen Projekten beschäftigt waren, arbeitete man zeitgleich an einem neuen Album. Gemeinsam mit ihrem neuen Gitarristen Jon Hudson präsentierte die Band Mitte 1997 ihr Album Of The Year. Mit deutlich härteren Klängen konnte die Band nun auch endlich wieder ihre Fans überzeugen. Mit "Ashes To Ashes" und "Last Cup Of Sorrow" enthielt das Album gleich zwei Superhits und die anschließende Tour durch Amerika, Europa und Australien verlief wieder gewohnt erfolgreich. Doch Mike Patton hatte in diesem Jahr noch zwei andere Eisen im Feuer, neben seinem zweiten Soloalbum Pranzo Oltranzista hatte er noch Zeit gefunden, an der Sampler-Reihe Great Jewish Music mitzuwirken.
Puffy hat angefangen...
Obwohl sich Faith No More wieder auf Erfolgskurs befanden, wollten die Trennungsgerüchte im Hinblick auf die zahlreichen Nebentätigkeiten der Bandmitglieder nicht verstummen. Denn außer Mike Patton unterhielten auch seine Kollegen diverse andere Projekte, Mike Bordin tourte mit Ozzy Osbourne und Roddy Bottums Zweitband Imperial Teen wurde immer erfolgreicher. Am 19. April 1998 gab die Band dann tatsächlich ihre Trennung bekannt: "Nach 15 langen und fruchtbaren Jahren haben Faith No More beschlossen, den Auflösungsgerüchten ein Ende zu setzen...indem sie sich auflösen. Wir trennen uns in Freundschaft und es wird keinem die Schuld gegeben. Lediglich die kleine Bemerkung, dass "Puffy angefangen hat" sei erlaubt.
Fortsetzung folgt...
Jochen Nelson
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