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Reviews
Liszt, F. (Immerseel)

Symphonische Dichtungen u.a.


Info
Musikrichtung: Romantik

VÖ: 17.11.2004

Zig-Zag Territoires / Note 1 (CD DDD (AD: 2003) / Best.Nr. ZZT 041102)

Gesamtspielzeit: 78:54

Internet:

Ensemble Anima Eterna

Zig-Zag Territoires



LISZT JETZT AUCH IN FARBE

Eine Umstellung wie einst vom Schwarz-Weiß-TV zum Farb-Fernsehen ist es, wenn Jos van Immerseel sich mit seinem Orchester Anima Eterna der Musik von Franz Liszt (1811-1886) annimmt.
Wer in Liszt bislang nicht anders gesehen hat, als den virtuosen Phrasendrescher und Meister des pompösen, lärmigen Orchestersounds, wird hier eines besseren belehrt. Liszt tritt uns in den satten 79 Minuten Spielzeit stattdessen als Beherrscher des orchestralen Farbkastens, als Kenner der Effekte und dennoch zugleich als brillanter Virtuose gegenüber.
Dass sich Ensembles, die sich bislang in der Tradition der historischen Aufführungspraxis eher auf dem Gebiet der sog. Alten Musik tummelten, mehr und mehr in der Musikgeschichte vorantasten, ist kein ganz neuer Trend. Selten aber tun sie dies so erfolgreich und überzeugend, wie es hier geschehen ist. Durch die Besetzung mit den Originalinstrumenten bekommen die Werke ein ungekannte Luftigkeit und Vielfalt, sie behalten zugleich ihre Kraft, verlieren aber das Wuchtige. Wieviel gründlicher Vorarbeit und Überlegung es zur Umsetzung einer solche Idee bedarf, kann man übrigens im sorgfältig gestalteten Booklet nachlesen, in dem sich u.a. ein Auszug aus dem von Immerseel für seine Musiker nach umfassenden Studien entworfenen Konzeptionspapier findet.

Schon das einleitende Bravourstück, der "Totentanz", zeigt den Lohn dieser Mühen. Obgleich man gewohnt ist, dieses an den Pianisten kaum erfüllbare Ansprüche stellende Werk mit einem modernen Flügel zu hören, überzeugt der Klang des 1886 gebauten Pianos (Erard) sofort. Er wirkt trockener, die rasanten Läufe gewinnen dadurch an Kontur und die Klanggewalt des Stückes geht nicht in einem allgemeinen Donner unter. Dazu trägt selbstverständlich nicht allein das Instrument, sondern auch das Spiel des Pianisten Rian de Waal - eigentlich bekennender "Steinwayianer" - bei, der sich hier so recht austoben kann. Aber auch der herbe Klang des historischen Bläserappartes hat gewaltigen Anteil an dem neuen Klangerlebnis.
Dabei peitscht Immerseel sein Orchester hier wie insgesamt energisch voran. Unter seiner Leitung erleben wir einen kraftstrotzenden, bisweilen an der Grenze zur Raserei befindlichen Liszt-Sound, der aber immer transparent und dadurch fesselnd bleibt.
Das macht es möglich, Liszt auch in seinen Symphonischen Dichtungen als großen, ja in dieser freien Form gar wegweisenden Komponisten zu entdecken. Ihnen wird echtes Leben eingehaucht und das Bemühen, die Programmatik nachzuempfinden, rückt an erste Stelle. Selbst das belastete "Les Préludes" (7 Takte daraus nutzten die Nazis bekanntlich als sog. Sonderfanfare für die Radiomeldungen des Oberkommandos der Wehrmacht) kann dadurch ganz neu und beinahe frei von häßlichen Assoziationen erlebt werden. Als durchaus sensibler Gestaler erweist Liszt sich auch in dem Werk "Von der Wiege bis zum Grabe", das den Lebensweg des Menschen nachzuzeichnen versucht.
Ergänzt wird das Programm durch die Orchesterfassung der Ungarischen Rhapsodien Nr. 1 und 3. Liszt lag diese Musik, die im Kern durch die Weisen ungarischer Zigeuner inspiriert ist, besonders am Herzen. Seine Begeisterung für deren phantastisches, improvisierendes Spiel wird auch in der Orchesterversion spürbar und die Musiker von Anima Eterna lassen ihrerseits mitreißende Begeisterung hörbar werden.


Unter diesen Umständen darf man mehr als nur gespannt sein auf die nächste, für Mai 2005 vorgesehene Veröffentlichung des Ensembles, in welchem es russische Orchesterwerke von Alexander Borodin und Nikolay Rimsky-Korsakov präsentieren wird. Auch hier könnte es einen neuen, ungeahnten Klangkosmos zu entdecken geben.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1 Totentanz, Paraphrase über "Dies Irae" für Klavier und Orchester 14:57
2 Ungarische Rhapsodie Nr. 1 in F-Dur 11:47
3 Les Préludes, Symphonische Dichtung Nr. 3 15:06
4 Ungarische Rhapsodie Nr. 3 in D-Dur 07:59
5-7 Von der Wiege bis zum Grabe 14:08
8 Mazeppa, Symphonische Dichtung Nr. 6 14:57
Besetzung

Rian de Waal, Piano
Anima Eterna

Ltg. Jos van Immerseel


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