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Zeit: 13.03.2011
Ort: Nürnberg - Hirsch
Fast jedes Jahr lässt er sich einmal in Nürnberg blicken: Mitch Ryder. Im letzten Jahr war er fast auf den Tag genau im Hirsch. Jedes Mal habe ich mir vorgenommen, sein Konzert anzuschauen aber immer kamen diverse Dinge wie Krankheit oder viel Stress auf der Arbeit dazwischen. In diesem Jahr hatte ich mir fest vorgenommen, hinzugehen. Ein Arbeitskollege, der ihn schon mehrmals live gesehen hat schwärmt in den höchsten Tönen von ihm und seiner sagenhaften Live-Band Engerling. Aufmerksam geworden bin ich auf Mitch Ryder durch einen Bericht über das legendäre „Rockpalast“-Konzert, das mittlerweile auf DVD veröffentlicht worden ist.
Der anfangs noch ziemlich leere Hirsch füllt sich ziemlich schnell und wird dann doch noch gut voll. Am Merchandise-Stand sitzt hinter einem Laptop eine Frau mit Sonnenbrille, die sich bald als Mitch Ryders Managerin und Ehefrau in Personalunion vorstellt. Ein Fan bittet sie um Autogramme. Für die reservierte, aber freundliche Frau kein Problem. Sie nimmt die Sachen mit hinter die Bühne und bringt diese unterschrieben wieder zurück. Ziemlich coole Sache!
Ohne Vorband geht es ziemlich knackig um 20 Uhr los. Als die Truppe auf die Bühne kommt, bin ich hin und weg: Die Musiker der Band Engerling verstehen ihr Handwerk ausgezeichnet und legen mit einem Wahnsinnssound und einer 200 %-igen Spielfreude los. Mitch Ryder kommt zuletzt, wie meist mit einem coolen Hut auf dem Kopf und der legendären Sonnenbrille. Auf der Bühne steht ein kleiner, unscheinbarer Mann der in jeder Fußgängerzone der Welt keinem Menschen weiter auffallen würde. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als er zu singen beginnt! Was für eine kraftvolle, ausdrucksstarke phänomenale Stimme! Ich bin total begeistert, denn das hätte ich nun überhaupt nicht erwartet. Jeder Ton sitzt, jede Nuance ist zu verstehen und die Jungs von Engerling betten seinen Gesang in eine perfekte Soundcollage.
Mitch Ryder ist sichtlich erfreut, wieder in Deutschland unterwegs zu sein und erzählt zwischen den Songs immer wieder interessante, unglaublich aber wahre Stories aus seinem Leben. Einmal war er in einer Bar, in der er mit Graham Nash, Stephen Stills und Neil Young Musik gemacht hat für einen berühmten Musiker, der links und rechts mit einer Frau umlagert war: Der legendäre Brian Jones! Dieser hat ihn just an diesem Abend gefragt, ob Mitch mit ihm eine neue Band gründen will. Er erzählt von einem ehemaligen Freund von ihm, der sich die ganze Zeit mit LSD-Trips weggeschossen hat und er sehr oft versucht hat, ihn zu überreden, doch ein bisschen weniger zu nehmen. Tja, der Freund hat’s ihm nicht geglaubt. Es wird krass und es stellt mir die Nackenhaare, als er erwähnt, dass es sich bei seinem Freund um keinen Geringeren als Jimi Hendrix gehandelt hat. Nebenbei bemerkt veröffentlicht Mitch Ryder demnächst seine Memoiren. Dieses Buch verspricht spannend zu werden!
Die Musik, die vom Nürnberger Publikum zwischen jedem Song verdientermaßen mit außergewöhnlich viel Applaus bedacht wird, ist allererste Sahne! Gänsehautfaktor ist garantiert, als Mitch Hammersongs wie „War“, „Red Scar Eyes“, „Terrorist“ oder „Freezin In Hell“ mit seiner Stimme veredelt. Beim Song „Oh Lord“, den er für Kinder mit Stiefeltern geschrieben hat, wird ebenfalls die Tragik des Textes deutlich. Bemerkenswert ist das Zusammenspiel der Band untereinander. Wolfgang Bodag am Keyboard übernimmt sehr oft Backing Vocals, die perfekt mit Mitch Ryders Stimme harmonieren. Und die beiden Gitarristen Heiner Witte und Gisbert Piatowski spielen sich mehr als einmal förmlich in einen Rausch. Dieser Rausch umfasst traumwandlerisch sichere Blues-Soli, Slide Guitar und teilweise richtig aggressiv gespielte Riffs, die sämtliche Anwesende in ihren Bann ziehen. Gisbert Piatowski macht von seiner Mimik her häufig einen etwas irren Eindruck, den er mit mehrmaligem Zeigen der Dio-Gedächtnis-Pommesgabel ins Publikum unterstreicht. Absolut sympathische Jungs! Nicht unerwähnt bleiben soll natürlich die Rhythmussektion um den unauffälligen, aber präzisen Manne Pokrandt am Bass, der im Zugabenblock ein phantastisches Solo aufs Parkett zaubert sowie den Schlagzeuger Hannes Schulze.
Was auch auffällt ist, dass dieses Konzert keinerlei Füller enthält. Jeder Song sitzt, erzeugt Gänsehaut bzw. macht Laune und die Zeit verfliegt unglaublich schnell. Zwischendurch werden mit „All Along The Watchtower“ und „The Wind Cries Mary“ noch zwei bärenstarke Jimi Hendrix-Cover gespielt, die sicher Jimis Segen gefunden hätten. Man merkt hier Mitch und seinen Musikern die Begeisterung für Jimi und dessen Musik zu jeder Sekunde an. Dies ist keine billige Effekthascherei, sondern ein ehrlicher Tribut an einen Freund und dessen unsterblicher Musik. Als letzten Song wird noch ein Stück gespielt, das ebenfalls ein Freund von Mitch Ryder komponiert hat: „Soul Kitchen“ von den Doors bzw. Jim Morrison. Er kennt bzw. kannte wirklich sehr viele legendäre Musiker und wenn man bedenkt, dass dies zum Großteil seine Freunde waren und er zu dieser Zeit mit ihnen herumhing ist es umso beeindruckender, dass er noch lebt und noch mit dieser Klasse-Leistung auftritt. Der Hirsch bebt und Mitch Ryder plus Engerling bekommen den wohl verdienten Applaus vom zufriedenen Publikum. Es ist wirklich so, dass jeder Rock bzw. Bluesfan sich diesen bärenstarken Sänger und diese unglaublich gute Band „Engerling“ einmal anschauen solle. Ich verspreche Euch: Ihr werdet es definitiv nicht bereuen, sondern begeistert nach Hause gehen!
Stefan Graßl
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