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Artikel

Soundtrack meiner Kindheit - Eine unterhaltende Reise in die deutsche Vergangenheit

Info

Künstler: Jan-Joseph Liefers & Oblivion

Zeit: 19.11.2009

Ort: Ringlockschuppen, Bielefeld

Besucher: ca. 1.000

Fotograf: Wolfgang Kabsch

Internet:
http://janjosefliefers.com/

Bevor ich mit dem Bericht zum Konzert des in erster Linie als Schauspieler bekannten Jan-Joseph Liefers komme, möchte ich ein kleines Loblied auf meine Heimatstadt und dem wunderschönem Veranstaltungsort Ringlokschuppen singen. Dieser alte Ringlokschuppen, wurde wunderbar restauriert und bietet im Inneren ein ebenso imposantes wie auch schönes Ambiente. Zusätzlich bietet die große Halle eine tolle Akustik. Inzwischen wurde auch der Vorhof zu einem Schmuckkästchen, hatte man noch vor Kurzem den Eindruck auf einem Schrottplatz gelandet zu sein, wurde inzwischen die alte Drehscheibe restauriert und nun dreht sich ein alter Postzugwagon unter einer schönen Beleuchtung darauf. Ich kenne inzwischen viele Hallen dieser Größe (knapp 1.000 Plätze bei Bestuhlung, 2.500 Plätze ohne Bestuhlung), aber wenige besitzen soviel Flair.

Nun aber zu der Veranstaltung an sich. Auf Grund der Vorab-Informationen zum Konzert wusste ich natürlich im Groben, dass es um die Neuinterpretationen von Songs alterwürdiger DDR Rock- und auch Schlagerinterpreten geht, um die herum Jan-Joseph Liefers aus seiner Kindheit und Jugend in der DDR erzählt. Da ich Herrn Liefers als Schauspieler schätze (insbesondere in der Rolle des selbstverliebten Professors Boerne im Tatort Münster), aber noch nie Musikalisches von ihm gehört hatte, war ich schon ein wenig gespannt, war da kommt.

Zum Einem ist man natürlich durch die oben genannte Rolle ein wenig voreingenommen, und so habe zu mindest ich ein eher kammermusikalisches Konzept erwartet, da der Charakter Boerne ja ein penibler, jedoch auch sehr gebildeter Klassikliebhaber ist. Somit überraschte die große Soundanlage schon ein wenig.


Meine Erwartung an den Zuschauerzuspruch war auch nicht der Größte, weil ich zumindest im Radio bisher noch nie Musik oder Informationen zum Event gehört hatte. Als sich dann der bis ca. 20:00 Uhr doch sehr leerem, bestuhltem Saal auf einmal schlagartig bis fast auf den letzten Platz füllte, war man positiv überrascht. In der Vorlaufzeit zum Konzert wurde man übrigens permanent mit „linientreuen“ Kinder- und Jugendliedern sowie Schlagern beschallt, was zunächst witzig, zum Schluss hin aber auch schon fast ein wenig nervend war.

Um Punkt 20:30 h ging dann das Licht aus und die Musiker betraten die Bühne. Und ohne große Vorwarnung hauten Sie dann eine unglaublich mitreißende und schon fast „hardrockende“ Fassung des Silly Klassikers „Türen öffnen sich“ raus. Schwere Gitarrenriffs, straightes Schlagzeug und wuchtige Power mit einem absolut sauberen Klang kam dem Zuhörer entgegen. Ich denke einige der Gäste waren tatsächlich so überrascht, wie der leger und mit Hut bekleidete Jan-Joseph Liefers dann zur Begrüßung auch schmunzelnd anmerkte.


Damit begann er auch seine Reise in seine eigene Vergangenheit als Kind und Jugendlicher innerhalb der DDR. Diese brachte er sehr gekonnt und interessant da, vor dem zweiten Song „Wenn ein Mensch lebt“, von den Phudys und Soundtrack des Kultfilmes aus der DDR - Die Legende von Paul und Paula - erzählte er ein wenig zu der ergreifenden Story der "Ost-Lovestory". Und er kam darüber zu den DDR Jugendschützerin, die z.B.einen Film als pornographisches Machwerk abtun wollte, wobei eine Szene gemeint war bei der sich die jugendlichen Darsteller halb ausziehen, in Diskussion geraten und es dadurch gar nicht zum Akt kommt.

Seine Ausführungen untermauerte er immer mit von einem kleinen Sampler aus gestarteten, Ton und Bildeinspielungen auf der Leinwand. So gab es original Aussagen der Herren Ulbricht und Honecker zu den Themen Jugend, Erziehung und Rockmusik. Die Bildeinspielungen der Herrschaften waren animierte Fotos, die Ihren Mund in der aus Monthy Python bekannten Art wie eine Sprechpuppe bewegen.

Diese Einspielungen und natürlich die gekonnte Art, wie Jan-Joseph Liefers durch den Abend führte, waren brillant, lustig und teilweise auch ergreifend.


Es wurden die unsinnigen Verbote von Musik angesprochen, es wurde über die Schule und die Möglichkeiten in der DDR erzählt. So zum Beispiel das sich eines Tages ein DDR Beamte bei ihm in der Schule vorstellte, um ihm ein Abitur zu ermöglichen, jedoch nur wenn er gewisse Bedingungen erfüllte, was er wohl jedoch dankend ablehnte.

Es folgten starke Versionen von „Als ich wie ein Vogel war“ von Renft und „Am Abend mancher Tage“. Zu der ergreifenden Version von Lift´s „Mein Herz soll ein Wasser sein“ erzählte er von den „Kuschelbluesrunden“ die jeden „Diskoabend“ abschlossen. Hierzu ging er dann ins Publikum und suchte sich eine Freiwillige, mit der er dann auf der Bühne einen Blues tanzte.

Es folgte ein Stück von Karat (und auch das Einzige dieser Band, da hatte ich etwas mehr erwartet, was aber wohl auch daran liegt, das ich in erster Linie nur Karat damals in den Achtzigern wahrgenommen hab. Auch hier zeigte dieser Abend auf, dass dies durchaus ein Fehler war.) mit dem Titel „Ich liebe Dich“, welches eine weitere, kurze Schmusenummer war.


Dann driftete er erstmals in das eher „Schlager“ zu nennende Genre ab und spielte den Song “Fernamt“ von Manfred Krug. Er erwähnte, das Manfred Krug nicht nur ein toller Schauspieler, sondern auch Opernsänger ist. Das Lied setzt sich ironisch mit der Telefonsituation der DDR auseinander, was man ohne diesen Tipp nicht so wirklich mitbekommt.

Auf diesen Aspekt wies der charismatische Liefers immer wieder hin, das die Bands und Interpreten zu regelrechten Wortkünstlern mit Geheimsprache mutieren mussten, um nicht von dem Staat verboten zu werden. Nach dem wieder rockigen „Leb Deinen Traum“ von Lift kam dann das grausigste Stück „Anna Maria“ der polnischen „Roten Gitarren“. Ganz fürchterlicher Humpataschlager, von der Band und Liefers natürlich auch dementsprechend ironisch angekündigt.

Es folgten noch eine hervorragende, druckvolle Interpretationen von “Marilyn“ der Band Pankow bevor der Silly Block kam, in dem Liefers) und seine Band ein wundervolles „Schlohweißer Tag“ interpretierte und tolle Versionen von „Traumpaar“ und „Wo bist Du“ darbrachte. Der ziemlich große Anteil an Silly Songs mag sich durch die Tatsache erklären, das Liefers mit Anna Loos verheiratet ist. Anna Loos hat in der aktuellen Besetzung der Band (seit ca. 2005) die Sängerin, die mit Erfolg in die großen Fußstapfen von der verstorbenen Tamara Danz getreten ist. Auf der anderen Seite hat die Band natürlich auch einen sehr großen Beitrag zur Rockgeschichte der DDR beigetragen und natürlich auch eine Menge toller Songs geschrieben.


Natürlich gab es auch in diesem Block weitere Anekdoten zum Thema Jugend in der DDR. Nach der abschließenden Eigenkomposition „Kleine Kreise“ war ein fast dreistündiger ebenso unterhaltsamer wie auch ergreifender Abend wie im Nu ergangen.
Durch das charismatische Auftreten des Jan-Joseph Liefers und natürlich der Band bekam man einen einmal völlig anderen Einblick in die ehemalige DDR, die man ja durchaus auch nur durch über „Westpropaganda“ verschleierte Augen gesehen hatte. Der Schauspieler und Sänger verherrlicht hier natürlich gar nichts, auch hier wird dieser Staat als menschenverachtend dargestellt. Was er aber aufzeigt ist, das es auch hier Menschen und Gefühle gab, das auch hier Menschen aufgewachsen sind und sich am System entlang (oder auch mal vorbei) gehangelt haben, um Ihre eigene Identität zu erhalten.

Diesen Einblick vermittelten Jan-Joseph Liefers und Oblivion in ironischer und spielerischer wie auch höchst unterhaltender Weise.

Man darf gespannt sein, was Jan-Joseph Liefers und Oblivion als nächstes liefern, Nach diesem auf überaus intelligente Weise unterhaltenem Abend freue ich mich darauf, wenn diese Künstler das nächste Mal in der Nähe Station machen.

Setlist:
Türen öffnen sich zur Stadt, Puhdys
Wenn ein Mensch lebt, Puhdys
Als ich wie ein Vogel war, Renft
Am Abend mancher Tage, Lift
Mein Herz Soll ein Wasser sein, Lift
Und ich liebe Dich, Karat
Fernamt, Manfred Krug
Leb Deinen Traum, Lift
Anna Maria, Die Roten Gitarren
Marylin, Pankow
Schlohweißer Tag, Silly
Die Ferne, Silly
Traumpaar, Silly
Wo bist Du, Silly
SOS, Silly
Instandbesetzt, Silly
Und Niemals Lift
Kleine Kreise, JJL & Oblivion

Band:
Jan Josef Liefers: Gesang
Christian Adameit-Bass: Chor
Timon Fenner: Schlagzeug
Jens Nickel: Gitarre
Gunter Papperitz-Orgel: Piano
Johann Weiß: Gitarre

Wolfgang Kabsch


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