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„Im Norden der Metropolregion Ruhr, an der Schwelle zwischen Ruhrgebiet und Münsterland, erwartet sie eine lebendige Stadt mit einem breit gefächerten Kultur- und Freizeitangebot und attraktiven Veranstaltungen, die einen Besuch wert sind.“ - Jaja, das soll Marl sein, die Stadt, bei der eigentlich den meisten nur der riesige Chemiepark einfällt… ach ja, und einmal im Jahr der „Grimme-Preis“, über den Preisträger wie Harald Schmidt im Anschluss an die Verleihung gar nicht genug herziehen können. Marl ist wohl eher eine Stadt, in der man geboren sein muss, um sie lieben zu können - und man bereits ein gewisses Alter erreicht haben muss, um sich daran zu erinnern, dass es hier lebendige Szenen gab. Von einer soll im Folgenden die Rede sein, quasi ein sentimentales und subjektives memento…
… bei dem vieles nicht fehlen darf und das meiste schon viel zu weit weg erscheint, wie die zwischenzeitlich ständig voll wirkende Metalkneipe "Black Rose" in Marl-Hüls. Daneben sind natürlich die diversen Festivals in Erinnerung geblieben wie etwa das Bauernhoffestival - eine Legende seit 30 Jahren, die 2010 dementsprechend gefeiert wurden. Eine „Aussteiger-Bauernhof-Kommune“, Hausbesetzer (wie immer man sie nennen soll) läßt 1980 ein Punkrock-Festival aufleben, das 14 Jahre lang jährlich stattfindet und bis zu 7500 Besucher zählte. Mitte der 90er dann der Absturz aufgrund finanzieller Probleme (immer wars umsonst), inzwischen findet es jedoch weiterhin im kleinen Kreise statt - macht eigentlich Mut, oder?!
Noch kein wirkliches Metal-Fest, aber im Grunde die Überleitung zur zwischenzeitlich ebenfalls legendären „Fete ohne Knete“ auf dem ehemaligen Zechengelände in Brassert mit Bands, deren Gemeinsamkeiten lediglich die Gitarren waren - und eigentlich ließen sich die sog. „Szenen“ ja auch nie wirklich auseinanderhalten. Eine Bühne, ein Hügel, ein Wurst- und einen Bierstand - was brauchte man für ein richtiges Festival eigentlich mehr? Nichts offensichtlich, denn der Laden brummte (soweit ich mich erinnere) eigentlich immer: verschiedene Bands, gemischtes Publikum - geil!
Zu solchen draußen-Geschichten gab es immer noch eine ganze Menge an Indoor-Aktivitäten, von denen ich die kleineren (HOT Hagenbusch, HOT Hülsberg usw.) mal weglasse und nur das Highlight erwähnen möchte: Das soziokulturelle Zentrum Sch8cht! Mein Gott, was hatten wir nicht für Konzerte dort, und das zu einer Zeit, in der wir teilweise mit Veranstaltungsorten wie der Zeche Carl in Essen hätten konkurrieren können! Eines der größten Ereignisse war sicherlich das Konzert von Cannibal Corpse, Marduk (mit Peter Tagtren an der Gitarre), Gehenna und Siebenbürgen in familiärer Atmosphäre - das meint, das sich ein „Corpsegrinder“ Fisher während des Siebenbürgen-Auftritts nochmal eben mit einer Ladung Pizza in Richtung backstage mittten durchs Publikum bewegt, oder wenn sich die Marduk-Jungs frisch geduscht sich auch noch Cannibal Corpse angucken.
Nicht so beeindruckt hingegen zeigten sich damals Vader, die sich eigentlich nur wünschten, den Auftritt schnell hinter sich zu bringen und niemals wiederzukommen; das allerdings auch dem Publikum mitzuteilen war nun doch etwas unprofessionell. Egal. Hat der Popularität des Sch8cht keinen Abbruch getan, selbst Bands wie Emperor, Moonspell und Tiamat haben hier mitten in einer westfälischen Bauernschaft gespielt - bis dann 2001 Schluss war. Seit 2008 richtet das Team der Werkstatt Brassert das soziokulturelle Zentrum in der ehemaligen Zeche am Loemühlenweg wieder her, dann allerdings „nur“ als Biergärten, Öko-Garten, Café, Werkstatt und Jugendbüro… und ab 20 Uhr ist dann jeweils Schicht am Sch8cht, also KEINE Konzerte mehr!
Diese auch internationalen Szeneacts bei uns haben zu dürfen muss wohl daran gelegen haben, dass Marl selbst eine durchaus lebendige Musikszene hatte. Ob und wie Punkrock und Metal zusammenhängen löst ja bis heute einige Querelen aus (schöne Grüße an Darkthrone), in Marl dürfte jedoch alles mit den deutschen Punkveteranen von Hass zusammenhängen, die nicht nur weitere, leider nur zu lokaler Berühmtheit gelangende Punkbands inspirierte (Endziel Selbstzerstörung z.B.), sondern unter deren Ägide auch das erste Eternal Dirge-Album Morbus ascendit eingespielt wurde. Diese 1986 gegründete Band veröffentlichte das sehr klassische Death Metal-Album 1992. Es folgten Tourneen mit Cancer und Gorefest, leider aber auch Differenzen mit dem Plattenlabel. Das Folgealbum Khaos Magick wurde auf eigene Kosten eigespielt und von Morbid Records herausgebracht. Der neue, keyboardlastige und von Aleister Crowley inspirierte Stil ist vergleichsweise schwer zu beschreiben, irgendwo zwischen Death und Black angesiedelt, vielleicht am ehesten Ritualmusik. Immerhin ergatterte sich die Band 1996 so eine Tour mit Six Feet Under - und danach war dann Schluss!
Nun, nicht ganz, denn einige Mitglieder fanden sich mit anderen Marler Lokalgrößen der Bands Crestfallen und Infernal Curse 1997 in der Gruppe Ninnghizhidda zusammen. Invasion Records signte die Band, ging 1998 pleite - was aber sicher nicht an der zuvor veröffentlichten Platte Blasphemy lag: keyboardlastiger Black Metal, dem man die Eternal Dirge-Vergangenheit noch anmerkte. 2002 folgte der Nachfolger Demigod, ein laut Band „soundtrackartiges Metal-Album“, das auch vom damaligen Rock Hard eine fast hymnische Rezension bekam. Die neue Nachfrage führte auch zu einer Wiederauflage des ersten Albums - und 2003 kam das Ende. Nächstes Kapitel.
Denn es gab ja noch anderen metallische Erscheinungen, unter ihnen die 1989 gegründeten Tsatthoggua (wieder mal ließ Lovecraft grüßen), denn der eigentlich gewollte Name Dissection war ja nun leider vergeben. Erst 1996 erschien das Debut Hosanna Bizarre auf Osmose Records, der Stil erinnerte an die frühen Imapled Nazarene, vermischt mit BD/SM-Elementen. Tsatthoggua selbst lehnte den Vergleich zu den Skandinaviern aber grundsätzlich ab (damals waren als Black Metal-Bands gerade einmal Marduk, Immortal und Cradle of Filth bekannter und auch noch nicht bei Karstadt erhältlich!), sie bezeichneten sich als „german Black Speed Metal band“ in der Tradition von Sodom, Kreator und Darkness und legten Wert auf die Feststellung, dass bei diesen Bands und nicht in Skandinavien diese Form der Musik, aus der sich der Black Metal entwickelte, erfunden hatten (nur als Anmerkung die Frage: Woher stammen nochmal Kreator?! Ok, nicht aus Marl, aber natürlich aus der Nähe...)
Wieso gerade Atrocity und Therion die Band mit auf Tournee nahmen weiß ich nicht, in jedem Fall steigerte es den Bekanntheitsgrad, so dass nur zwei Jahre später das Nachfolgealbum Trans Cunt Whip erscheinen konnte; unter anderem beteiligte sich Mikael Hedlund (Hypocrisy) daran. Das wiederum zwei Jahre später angekündigte Extazia erschien nie, auch wenn inzwischen Gitarrist Patrick K von (ex)-Eternal Dirge zur Band gestoßen war.
Viele weitere wären zu nennen: Als bekannteste Band sicherlich Destillery, die traditionellen Powermetal mit progressiven Einflüssen und einer Spur NWBHM spielten; Crestfallen, die ein wenig an Night in Gales erinnerten und es zumindest zu einer offiziellen MCD schafften; Infernal Curse, die den Demostatus leider nie verließen; die kurzlebigen Unicorn und Trident - verdammte Hacke, war "damals" geil!
Andreas Matena
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