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Viele Rockfans sind sich im Bezug auf die Rolling Stones auch heute noch einig: Mick Taylor war bei den Stones der wohl beste Gitarrist, den sie jemals hatten. Keiner beherrschte den Blues so bravourös wie er. Er war der ultimative Nachfolger des legendären und unter tragischen Umständen ums Leben gekommenen Genies Brian Jones. Alben wie Get Yer Ya Ya’s Out, Sticky Fingers oder It’s Only Rock 'N Roll bestätigen dies auf sehr eindrucksvolle Art und Weise. Von daher war ich ziemlich interessiert, diesen Gitarristen einmal live anschauen zu können. Schon die Parkplätze um den Nürnberger Hirsch waren an diesem Abend sehr rar. Ein deutliches Zeichen, dass viele Altrocker und insbesondere viele Stones-Fans sich dieses seltene Ereignis nicht entgehen lassen würden. Auch im Hirsch ist gut erkennbar, dass das Publikum wohl so im Durchschnitt eher auf die 50 zugeht. Von der Zuschauerzahl her ist das Konzert sehr gut besucht. Mick Taylor hatte auf den Werbeplakaten eine bunt zusammen gewürfelte „British All Star Band“ angekündigt, die es wirklich in sich hatte. Denny Newman (guitars) hat schon bei Manfred Manns Earth Band gespielt, Max Middleton am Piano schon unter anderem für Van Morrison und Jeff Allen (Schlagzeug) ist auch im Rockbereich ein Begriff.
Die Vorband bildeten eine in Nürnberg ziemlich bekannte Rockband, die auch ungefähr aus der gleichen Zeit stammen könnte. Diese echt coole Band, deren Namen ich leider vergessen habe (auf der Eintrittskarte steht’s noch drauf) ist an diesem Abend allererste Sahne. Sie haben zwei E-Gitarren, die sich beide wirklich prima ergänzen und vom Sound her zwischen Lynyrd Skynyrd und Molly Hatchet anzusiedeln sind. Wirklich klasse!
Nach etwa 20 Minuten Umbaupause geht’s los: MICK TAYLOR und seine Allstar-Band entern die Bretter des Hirsch und ein Raunen geht durch die Menge. Mick Taylor sieht so aus, wie ein 60-jähriger Rockstar eben aussieht: Etwas untersetzt, hat immer noch seine Stones-Frisur und wirkt ziemlich gelassen, wenn auch zeitweise ein bisschen unsicher. Das legt sich jedoch ziemlich schnell, als er beginnt, Gitarre zu spielen. Ein breites Grinsen auf den Gesichtern vieler Zuschauer und auch auf meinem ist das Ergebnis. Er spielt wirklich genial und es macht absolut Spaß, ihm und seiner Band beim Rocken zu zuschauen. Die Songs sind teilweise langsam und bluesig, dann wieder richtig rock 'n rollig und schnell. Mick Taylor spielt dabei die meisten Songs mit einer Gibson Les Pauls - was auch sonst. Der Sound und das Zusammenspiel seiner Band ist absolut klasse, hier sind allesamt Könner am Werk. Vor allem der mit einer stoischen Ruhe gesegnete Keyboarder Max Middleton schafft es mit Lässigkeit und ohne viel Action, dem Konzert seinen Stempel aufzudrücken. Sehr eindrucksvoll und manchmal bekommt man das Gefühl, er könnte die Stücke auch im Schlaf runterspielen. Dabei hat er das wohl eleganteste Outfit vor und auf der Bühne, was auch Mick Taylor nicht unkommentiert lassen will.
Da die Band um Mick Taylor und auch er sehr gerne improvisieren, dauern die Stücke oft ziemlich lang, was jedoch dem Musikgenuss keinen Abbruch tut. Sehr lustig sind Mister Taylors Versuche, die Einsätze seiner Bandmitglieder zu koordinieren. Dabei tut er sehr wichtig, macht Gesten ähnlich wie ein Dirigent, was unfreiwillig komisch aussieht und bei der Band wohl eigentlich gar nicht notwendig wäre. Besonders geltungsbedürftig scheint der Herr auch nicht zu sein, da er bei einem Song komplett die Bühne verlässt und seinem Co-Gitarristen Denny Newman sogar die Lead-Vocals überlässt. Zwischendrin plaudert er immer wieder ein bisschen mit dem Publikum und beweist dabei auch einen sehr feinsinnigen Humor. Was allerdings auch klar wird: Die große Stimmungskanone ist er auf der Bühne nicht, er ist ein introvertierter Filigrantechniker an der Gitarre, der einfach spielt, das Publikum jedoch nicht begeistern oder gar mitreißen kann. Muss er jedoch auch nicht.
Besondere Highlights sind für mich ganz klar der erste Song „Secret Affair“, das auch von Led Zeppelin gecoverte Stück „You Shook Me“ und ein Stück, das er von Bob Dylan nachspielt. Und das absolute Highlight sind eigentlich er und seine Band und die Tatsache, dass ein ehemaliger Gitarrist der wohl berühmtesten noch existierenden Rockband die Welt es sich leisten kann, für knappe 30 Euro über zwei Stunden live aufzutreten und dabei überaus sympathisch zu Werke zu gehen. Wenn man bedenkt, was andere derzeit verlangen ist man hier mit dem Preis noch wirklich sehr gut bedient. Als Zugabe fungiert der Song „No Expectations“ vom legendären Beggars Banquet-Album der Stones. Er hat diesen Song etwas umarrangiert und es hört sich wirklich grandios an. Danach gibt’s vom Nürnberger Publikum noch ausgiebig Applaus und ein schönes, relaxtes Konzert geht nach über zwei Stunden zu Ende.
Setlist: (ohne Gewähr)
Secret Affair
Twisted Sister
Loosing My Faith
Late At Night
Burying Ground
Alabama
Blind Willie Mc Tell
Can’t You Hear Me Knocking
You Shook Me
No Expectations
Stefan Graßl
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