Artikel
Info
Zeit: 15.03.2008
Ort: Live Club Barmen, Wuppertal
Interview: Face 2 Face
Stil: Punkrock
Internet:
http://www.die-schroeders.com
Endlich 18 nennt sich das neue Album der Schröders. Dabei hätte es eher "Schon 40" heißen können, ist doch die Band erstaunlich erwachsen geworden. Noch vor 10 Jahren sind sie mit Songs wie "Frau Schmidt", "Frösche weinen nie" und "Lass uns schmutzig Liebe machen" durch das Land getourt und haben Tausende Teenager zum Mitsingen animiert. Nach mehreren Jahren Abstinenz und Nebenprojekten sind die Schröders zur Zeit wieder gemeinsam auf Tour. Wir treffen die Band im Live Club Barmen in Wuppertal. Beim Betreten des Backstage Bereiches gilt die Aufmerksamkeit zunächst weniger den beiden irritierten Redakteuren, als vielmehr einem Laptop, der bei den Herren offenbar einige Belustigung hervorruft.
MAS:
Habt ihr immer so gute Laune vor euren Auftritten?
Burger:
Es gibt da so eine Community namens konzert-junkies.de. Die sind ziemlich fleißig und machen das ordentlich. Die waren in Hamburg und haben Fotos gemacht - ganz schlimme Fotos, weil die halt nicht wirklich fotografieren können. Und wir haben gerade ein ganz gutes Bild von O-Lee gesehen.
MAS:
Wie lässt sich eigentlich das Leben eines 40jährigen Familienvaters mit dem Punkrockerdasein vereinbaren?
Burger:
Gar nicht. Weniger wegen der Familie, sondern wegen der alten Lieder. Die Leute möchten, dass wir über Pubertätsthemen singen. Und eines Tages muss ich vor meine Tochter treten und ihr das erklären. Es macht schon noch Bock, aber anders als früher.
MAS:
Welche alten Lieder spielt ihr denn nicht mehr so gerne?
Burger:
Von denen, die ich wirklich nicht mag, spielen wir keine mehr. "Lass und schmutzig Liebe machen" finde ich scheiße. "Saufen" finde ich scheiße, "Frau Schmidt"... also die ganzen alten Sachen, die jeder kennt.
MAS:
Allerdings habe ich mal gehört, dass Schwer Scheff! euer Lieblingsalbum sei.
Burger:
Das ist auch so. Aber weniger wegen der Songs darauf, sondern wegen der Erinnerung an die Zeit im Studio.
MAS:
Hast du mal daran gedacht, die Gitarre an die Wand zu hängen und ein seriöses Leben zu führen?
Burger:
Ich führe bereits ein seriöses Leben. Meine Musik ist das, was für andere Leute der Fußballverein ist. Nur verbringe ich im Moment ziemlich viel Zeit damit. Eine Zeitlang habe ich ziemlich wenig Musik gemacht. Dann wurde es mit meiner zweiten Band ganz viel, den Monsters of Liedermaching, und zur Zeit ist es bei beiden Bands ganz viel. Aber das ebbt auch irgendwann wieder ab.
MAS:
Gab es eigentlich auch mal die Situation, dass ihr von der Musik leben konntet?
Burger:
Ja. Wir mussten davon leben. Nachdem wir damit aufgehört und uns alle auferlegt haben, uns zumindest so ein kleines Standbein zu kreieren, hat das Musikmachen erst wieder so richtig Spaß gemacht.
MAS:
Was sind denn eure Standbeine?
O-Lee:
Musik. (lacht)
Burger:
O-Lee macht ganz ganz viel im Musikbereich, Studioarbeiten, Projekte und sowas. Ich habe eine Werbeagentur. Sascha arbeitet auch bei einer Werbeagentur und Hämpy baut Bühnen. Er ist Produktionsmanager bei der Lokhalle Göttingen, einer der größten Hallen Deutschlands.
MAS:
Hast du irgendwelche musikalischen Vorbilder?
Burger:
Nicht mehr. Als Hämpy und ich 1989 angefangen haben war gerade Fun-Punk angesagt mit Bands wie den Froliks, Walter 11 und Die Goldenen Zitronen. Solche Gruppen waren es, die uns damals inspiriert haben.
MAS:
Die Ärzte auch? Oder waren euch die zu "mainstream"?
Burger:
Die Ärzte gab es damals nicht. Die hatten sich aufgelöst. Vorher fand ich sie sehr geil. Nachher, als sie wieder zusammen waren, fand ich sie auch wieder sehr geil. Dann waren sie eine Zeitlang scheiße und jetzt finde ich sie gerade wieder sehr geil. [Eine erstaunlich vielschichtige und tiefgreifende Analyse! - Anm. d. Red.]
MAS:
Würdet ihr mit den Ärzten auch gerne mal auf einer Bühne stehen?
Burger:
Standen wir schon. Allerdings habe ich gehört, dass die Ärzte die Schröders nicht mögen. Beziehungsweise: Jan [Vetter, aka Farin Urlaub - Anm. d. Red.] mag uns nicht. Das ist aber auch okay.
MAS:
Wahrscheinlich der pure Neid.
Euer letztes reguläres Studioalbum war 2001 "Das Leben ist kein Ponyhof". Wie kam es, dass es so lange gedauert hat, bis ein Nachfolger heraus kam?
Burger:
Ich bin sozusagen die treibende Kraft, was das Songwriting angeht. Und mittlerweile bin ich Vater geworden, meine Firma lief... auch diese Altersgeschichte stand mir im Weg, so dass ich oft dachte: "Nee, ich kann kein Schröders-Lied schreiben." Dann ging meine andere Band durch die Decke, die Monster of Liedermaching. Irgendwann wollten wir dann ein neues Album aufnehmen, sind ins Studio gegangen, dann musste mal einer nach Frankfurt zum Arbeiten, dann muss man selber mal arbeiten, und so probt man dann gerade mal vier Tage im Jahr. Wenn man eine Platte machen möchte dauert das natürlich.
MAS:
Du hast inzwischen sogar zwei Kinder. Das eine heißt Emily. War dein anderes Kind nicht neidisch, als du einen Song für sie geschrieben hast?
Burger:
Mein Sohn heißt Titus. Für ihn wird es natürlich auch noch ein Lied geben, aber er ist gerade mal ein halbes Jahr alt, da war bisher noch keine Zeit. Meine Tochter ist schon vier, da wäre es ja unglaublich scheiße, wenn ich schon für beide Kinder ein Lied schreiben würde.
Aber ich freue mich sehr, dass "Emily" so gut ankommt. Die Leute schreiben eMails und fragen, wer so heißt. Es ist ja eigentlich ein bisschen bürgerlich und langweilig, über Kinder zu reden. Wir hatten zunächst gezögert, das Lied auf eine Schröders-Platte zu packen, haben uns aber dafür entschieden, weil das Lied ein echter Punkrock-Song ist. Für ein echtes Punkrock-Mädchen. Auch von der Musik her kommt es nicht schmalzig rüber.
MAS:
In eurem Song "Scheißband" beschreibt ihr die Situation, auf einer Bühne zu stehen und sich wie eine "unbekannte Scheißband" vorzukommen. Erlebt ihr solche Situationen auch in der Realität?
Burger:
Wir waren ja jetzt länger nicht auf Tour, haben es uns immer einfach gemacht und Festivals gespielt. Da haben wir überhaupt kein Problem, die Leute in Stimmung zu halten. Ansonsten haben wir immer nur in unseren Hochburgen gespielt, da gibt es so fünf oder sechs Fleckchen. Da hatten wir immer volles Haus. Das ist natürlich gut für's Ego. Auf dieser Tour spielen wir jetzt auch wieder dort, wo wir tatsächlich sieben Jahre lang nicht mehr waren. Da kommen natürlich so viele Leute, wie kommen, wenn man eine neue Band ist. Und in Bielefeld kamen 22 Leute.
MAS:
Und wie geht ihr damit um?
Burger:
Das geht uns schon auf den Sack. Wenn man als einer von 22 Leuten auf ein Konzert geht, erwartet man natürlich, dass die Band trotzdem ihr Bestes gibt. Denn man kann ja nichts dafür, dass die anderen nicht gekommen sind. Da ist es doch total 'assig' von einer Band, nicht alles zu geben für diese 22 Leute.
MAS:
Gebt ihr denn alles?
Burger:
Sicher. Oft spielen wir dann sogar mehr, als wir normaler Weise spielen würden.
O-Lee:
Oft sind die Konzerte mit den wenigsten Zuschauern im Endeffekt die geilsten.
Burger:
Genau, weil es auch für die Zuschauer eine außergewöhnliche Situation ist. Ich sehe nicht nur so eine Masse wie beim Festival, sondern jeden einzelnen persönlich. Ich kann auf jeden einzelnen eingehen, der nicht klatscht. Das kann schon peinlich werden für jemanden, der im Publikum sitzt.
O-Lee:
Für mich ist es eine besondere Herausforderung, vor so wenigen Leuten zu bestehen. Wenn man vor 5000 Leuten spielt, ist es schon okay, wenn man nur 2500 begeistert. Wenn man vor 30 Leuten spielt, muss man alle begeistern, sonst macht es keinen Spaß.
Burger:
Trotzdem sind wir als Band in solchen Situationen schon ein bisschen enttäuscht, und vielleicht merkt man das auch. Oder wenn die paar Leute, die da sind, sich nicht so verhalten, wie man es sich wünscht, weil man ihnen einfach scheißegal ist, kann so ein Konzert auch misslingen.
MAS:
Ihr covert sehr viel. Wie wählt ihr die Songs hierfür aus?
Burger:
Die Songs müssen uns gefallen. "Heute hier, morgen dort" passt einfach zu uns. Ich selbst bin ja auch Liedermacher, so dass die Punkversion von dem Song sozusagen eine Symbiose aus beiden Welten ist.
MAS:
Covert ihr im Proberaum generell viel?
Burger:
Eigentlich gar nicht.
MAS:
Also kommt das wenige, was ihr covert, auch auf Platte?
O-Lee:
Kommt ungefähr hin. Wir hatten bisher auf jedem Album Coversongs. Einen Song selbst zu interpretieren und gleichzeitig auch die Fahne für jemanden hoch zu halten, den man gut findet, macht uns viel Spaß.
MAS:
Haben sich mal Musiker geäußert zu euren Coverversionen ihrer Songs?
Burger:
Lemmy von Motörhead fand unsere Version von "Ace of Spades" richtig geil. Heinz Rudolf Kunze hat sich beschwert, dass wir seinen Text ein wenig verändert haben. Und Witt fand das Cover von "Goldener Reiter" so geil, dass er gleich mit uns auf Tour gekommen ist.
MAS:
Ihr habt auf eurem neuen Album "Heute hier, morgen dort" gecovert. Was gefällt euch am Tourleben, was gefällt euch daran nicht?
Burger:
Busfahren kann irgendwann ganz schlimm werden. Wir haben acht Plätze im Bus und sind auch genau acht Leute, das ist schon nervig.
MAS:
In vielen eurer Songs geht es um Alkohol und Saufen.
Burger:
Diese Songs sind eher als abschreckendes Beispiel gemeint. Wir spielen gerne Trinklieder, das hat so einen Partycharakter. Aber die meisten Lieder sind eben genau anders herum gemeint. Also nicht "Ey komm, wir gehn ein' saufen!" sondern eher "Jaja, geh du mal lieber ein' saufen". Nicht, dass wir keinen Alkohol trinken, schließlich sind wir eine Feierband. Aber es geht nicht darum zu sagen, dass wir immer saufen. Es ist eher ein augenzwinkerndes Klischee-Bedienen.
MAS:
Wo seht ihr Die Schröders in zehn oder 20 Jahren?
Burger:
Die gibt es dann nicht mehr. Es ist unrealistisch, mit 60 noch solche Songs zu schreiben. Streng genommen hat diese Band den klassischen Zeitpunkt zum Aufhören schon lange verstreichen lassen, weil wir einfach Bock haben, gemeinsam Musik zu machen. Ich nehme an, dass wir in 20 Jahren alle vier noch Musik machen werden. Könnte sogar sein, dass wir zusammen Musik machen. Aber nicht mehr als Die Schröders.
MAS:
Was erwartet uns heute abend?
Burger:
Wir spielen fast jedes Lied vom neuen Album. Und ein paar Songs, die wir von den alten Alben mögen. Und ein paar, die wir hassen. Es uns aber nicht anmerken lassen. (lacht)
MAS:
Wenn ich nochmal auf Die Ärzte zurück kommen darf: Der Song "Labello" erinnert mich an "Dauerwelle vs. Minipli".
O-Lee:
Stimmt aber überhaupt nicht. "Minipli" ist eher so eine Metal-Geschichte und wir wollten einfach so ein trashiges Ding machen. Hintergrund war, dass Sascha im Studio mal so schnell spielen wollte, wie er kann. Außer Burger kannte den Song gar keiner von uns.
MAS:
Hat denn der Text irgend eine tiefere Bedeutung? Ich habe mal gehört, dass Labello abhängig macht, weil die Lippen erst recht immer wieder trocken und spröde werden, wenn man einmal angefangen hat, sie zu fetten.
Burger:
Nein überhaupt nicht, ich fand nur das Wort lustig. Der Song brauchte einfach einen Text. Es ist einfach ein sinnloser Text, war in wenigen Minuten fertig.
Hendrik Stahl & Mirko Krolik
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