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Info
Zeit: 20.09.2007
Ort: Bernau, St. Marien Kirche
Besucher: 300
Veranstalter: Förderverein St. Marien Bernau e.V.
Internet:
http://www.batzdorfer-hofkapelle.de
http://www.altemusik-bernau.de
Zum 14. Mal lud der Förderverein St. Marien Bernau e.V. zum "Festival Alter Musik" ein. Vier Abende lang wurden Barockmusik, Pantomime und Kindertheater geboten. Den Auftakt bildeten die Konzerte für Orgel und Orchester am 20. September.
Die Veranstalter waren mit einem gewissen Zittern an diesjährige Runde des Festivals heran gegangen. "Zum ersten Mal haben wir alles allein gemacht," sagte Anette Grahl-Römer, die Vorsitzende des Fördervereins. In den letzten Jahren hatte noch eine Agentur die Karten vertrieben. Dieses Mal mussten der Verein und das Fremdenverkehrsbüro von Bernau genügen. Eine sehr professionell aufgezogene Bestellmöglichkeit über das Internet, die sich mit den Auftritten der Berliner Opern problemlos messen kann, dürfte wohl ein Übriges getan haben.
Als es am Donnerstag 19 Uhr schlug war die Kirche jedenfalls gut gefüllt.
Sieben Stücke standen auf dem Programm. Zum Auftakt einmal Händel mit der Batzdorfer Hofkapelle und Leo von Doeselaar an der Truhenorgel.
Dann trennte man sich. Zwischen zwei Vivaldi-Konzerten von der Hofkapelle setzte von Deoselaar sich an die Orgel der St. Marien Kirche um - was wohl sonst - Bach zu intonieren. Allerdings passend zum Rahmen das "Concerto d-Moll" (BWV 596), welches Bach nach einem Vivaldi-Konzert geschrieben hat.
In der zweiten Hälfte des Konzertes wurde eine Fasch-Sonate von zwei Händel-Kompositionen gerahmt. Die letzte schlug den Bogen zum Anfang. Hier war Leo von Doeselaar wieder mit der Truhenorgel dabei.
Die Batzdorfer waren mit dreizehn Musikern vor Ort - sechs Violinen, zwei Violen, Kontrabass, Cello, zwei Lauten und ein Cembalo - und boten eine brillante geschlossene Ensembleleistung. Mein Eindruck, dass das Zusammenspiel von Orchestern enger ausfällt, wenn einer der Musiker die Leitung hat, anstelle eines zusätzlichen Dirigenten, hat sich wieder einmal bestätigt.
Warm, harmonisch und mit fröhlicher Feierlichkeit rahmten Fasch und Händel das Konzert, während der von mir normalerweise nur bedingt geliebte Vivaldi in diesem Fall mit erkennbar italienischem Temperament gespielt wurde, was beide Stücke zu Highlights des Abends machte. Der Bach war wohl nötig, um von Deoselaar, der hier einmal mächtig patzte, angemessen zu beschäftigen. Die erhabenen, ernsten Töne des großen Meisters, die von der Königin der Instrumente in das alte Gemäuer gespült wurden, passten aber nur bedingt in das übrige Programm. Für mich jedenfalls war hier ein Bruch in der Empfindung, der sich auch in der Erinnerung nicht auflösen lässt.
Die unmittelbare Emotionalität einzelner Musiker war beeindruckend und mitreißend. Insbesondere Daniel Deuter, der erste Geiger, und der Mann am Kontrabass, Donatus Bergemann, zogen bald nach Konzertbeginn die Blicke auf sich. Bis dahin waren sie von der geschätzt zwei Meter langen Laute Stefan Maass' gefesselt.
Wäre dies ein Rockkonzert gewesen, wäre man geneigt von Stageacting zu sprechen. Deuter schwang bei den ruhigen Stücken mit seinem ganzem Körper den Melodiebögen hinterher und wenn Allegro auf dem Programmzettel stand, habe ich gelegentlich fest damit gerechnet, dass gleich das rot gefütterte Jackett ins Publikum fliegt und die rechte Hand den Krawattenknoten auf Halbmast zerrt.
Währenddessen sprang der Kopf Bergemanns wie eine kleine Maus am mächtigen Kontrabass auf und ab. Das Gesicht leuchtete vor Vergnügen. Jede Note schien mit grenzenlosem Vergnügen aus den Saiten des Instruments herausgepickt zu werden. Auch hier schien man nur ein Handweit davon entfernt zu sein, dass der Bass plötzlich zwei Mal um die eigene Achse gedreht wird, wenn ein Stück die Gelegenheit dazu gegeben hätte.
Anderthalb Stunden Konzertdauer erlaubten einige längere Blicke durch die Kirche, in der das fantastische Konzert stattfand. St. Marien ist ein begeisternder Sakralbau, in dem sich erstaunlich viel auch von vorreformatorischer Ausstattung erhalten hat, u.a. der mächtige Lettner, der über den Köpfen der Musiker schwebte; aber auch riesige (nachreformatorische) Epitaphien von einer so üppigen Ausstattung, wie ich sie selten gesehen habe. Allein diese Kirche lohnt den Weg nach Bernau, das sich in den letzten Jahren mächtig herausgeputzt hat. Die Gemeinde hält die Kirche täglich mehrere Stunden geöffnet - keine Selbstverständlichkeit bei evangelischen Kirchen.
Verwirrend sind fast poppig bunte Farbfelder an den Ansätzen der Bogenrippen der Gewölbedecke. Auch wenn ich weiß, dass das wohl der ursprünglichen Farbgebung entspricht, kann ich ein Gefühl des Gestörtseins dennoch nie unterdrücken, wenn ich derartige Restaurationsansätze sehe.
Ähnlich geht es mir mit den Stellwänden über Partnerprojekte mit Grosny u.ä., die in den Seitenschiffen und im Altarumgang stehen, oder dem bunten Pappbaum mit Bildern aus den Kindergruppen der Gemeinde unter der Kanzel. Keine Frage, diese Belege lebendiger Gemeindearbeit gehören ohne jeden Zweifel in die Kirche als Ort des zentralen Gemeindegottesdiensts - und dennoch schreckt der Blick, der über jahrhunderte alte Gebäudeteile und Kunstschätze gewandert ist, unwillkürlich zurück, wenn er auf diese selbst gebastelten Zeugnisse gegenwärtigen Lebens stößt.
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Ein wohl unauflöslicher Widerspruch zwischen altem und neuem Leben, Museum und Neugestaltung. Also weg mit diesen Grübeleien und freuen wir uns stattdessen daran, wie begeisternd der Batzdorfer Hofkapelle die Verbindung Alter Musik mit neuem Leben gelungen ist.
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