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Artikel

Die Liebe zur gelben Banane - Die Dresdener Ska-Kapelle YELLOW UMBRELLA im Gespräch

Info

Gesprächspartner: Thomas, Gero, Jens

Zeit: September 2007

Ort: Berlin - Dresden

Interview: E-Mail

Stil: Ska

Internet:
http://www.yellowumbrella.de

Vor vier Jahren hatte sich die Dresdener Ska-Kapelle Yellow Umbrella aufgelöst. Vor zwei Jahren war sie plötzlich wieder am Start. Jetzt endlich erscheint das neue Album Little Planet. Norbert von Fransecky hat sich hinter die Tastatur geklemmt, um sich bei Bandsprecher Thomas Hellmich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Thomas hat seine Finger weitgehend geschont. Dafür haben Jens und Gero um so wilder gehämmert. Natürlich wollte Norbert erst einmal wissen, wieso es bei den "Aufgelösten" so schnell zu einem Sinneswandel gekommen ist?

Jens:
Unsere Sinne, besonders die Ohren haben etwas vermisst. Wir waren angenervt vom ewigen Touren, von den unzähligen Kilometern auf deutschen und europäischen Straßen, vom ewig gleichen Trott, den es auch als Musiker gibt. Wir wussten zum Zeitpunkt der Auflösung nicht, dass es nicht lange dauern würde, bis wir uns wieder zusammen finden.

Gero

Gero:
Wir haben schon ca. ein halbes Jahr nach dem Split wieder miteinander telefoniert und die Quintessenz dieser Gespräche war: Hey, was'n Quatsch, lasst uns einfach weiter machen! Uns allen hat die Band gefehlt.

Norbert:
Sind die Yellow Umbrella vor und nach der Auflösung dieselben oder hat es gravierende Umbesetzungen gegeben?

Jens:
Wir haben mit Bernard Lanis am Saxophon und Alex Buck an der Gitarre zwei Verstärkungen dazu bekommen. Gravierend nicht, eher groovierende Umbesetzungen!

Norbert:
Wie sieht es dabei mit der musikalischen und textlichen Kontinuität aus?

Jens:
Ich denke, Yellow Umbrella verändert sich immer, weil wir uns alle als Menschen verändern. Und wenn natürlich noch zwei Menschen hinzukommen, zudem zwei exzellente Musiker und starke Charaktere, dann hat das natürlich einen Einfluss - einen positiven.


Norbert:
Musikalisch seid ihr eine entspannte Partyband. Tolle Musik zum Relaxen und Abfeiern. Textlich sieht das ganz anders aus. Insbesondere der Mittelteil der CD klingt fast wie der Soundtrack zum G8-Gipfel mit massiver Kapitalismus-, Materialismus- und Globalisierungskritik. Wo sind die Wurzeln eurer Kritik?

Jens:
Eigentlich entstehen unsere Songs meistens aus Momenten der Melancholie. Ich glaube, da kann ich sowohl für mich wie für Alex und auch Bernard sprechen. Dass sie dann doch so fröhlich daherkommen, liegt eben an der positiven Grundstimmung des Reggae und Ska. Vielleicht auch einfach an komischen Assoziationen: Reggae gleich Sonne und Friede - Freude - Eierkuchen. Schon die Musik von Bob Marley hat bissige Texte mit zuckersüßen Melodien verbunden.
Momentan erleben wir nach dem Zusammenbruch des Kalten Krieges eine neue Epoche, die Globalisierung genannt wird und einhergeht mit Sozial- und Ökodumping. Die Konzerne wollen immer billiger produzieren auf Kosten der Menschen und der Umwelt. Dagegen sollten möglichst viele Menschen aus aller Welt etwas haben. Wir jedenfalls haben was dagegen!

Norbert:
Ich weiß nicht, ob `Little Planet´ ein Konzeptalbum ist, aber ich entdecke einen inhaltlichen Bogen. Am Anfang etwas Blödsinn, gewürzt mit dem Kommentar zur PISA-Studie ("arm bleibt dumm") in "The World is not fair", dann die genannten kritischen Inhalte. Am Ende kommen dann Texte, die auf der Suche zu sein scheinen ("Find my Way", "Wanderin' on") mit dem abschließenden Ruf nach einem Leuchtturm.
Das könnte man zusammenfassen: Die Welt ist auf einem Irrweg. Ich weiß auch nicht weiter. Wo finde ich Orientierung.
Ist das überinterpretiert?


Thomas

Jens:
Jede Interpretation hat ihre Berechtigung, schließlich basiert sie auf einer subjektiven Wahrnehmung. Auch unsere Songtexte im Übrigen! Aber grundsätzlich sprichst du die großen Themen an, die uns und so glaube ich die meisten Menschen beschäftigen: Wie sich politisch positionieren bei dem ganzen Irrsinn? Dann die persönliche Sinnsuche in diesem Leben! Man hätte sicherlich auch erst die Sinnsuche und dann die Politik aufs Album packen können. Aber deine Interpretation stimmt schon irgendwie.

Gero:
Die Antworten auf solche Fragen sind in der Tat nicht leicht zu finden. Ich denke, dass der offene Tenor in unseren Texten auch eine Herausforderung für den Hörer ist, eine eigene Antwort zu finden oder zumindest mal darüber nachzudenken.


Norbert:
Euer Cover präsentiert sich recht galaktisch - mit Astronauten, die sich irgendwo im Weltall vergnügen. Nicht gerade typisch für eine Ska-Band. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Jens:
Die ursprüngliche Idee war: Erst wenn alle Menschen einmal kurz in das Weltall fliegen und auf unsere kleine Erde gucken könnten, dann würden sie sehen, dass man von dort oben die deutsch-polnische Grenze oder Hautfarben nicht erkennen kann. Unser Planet zeigt von dort die Verletzlichkeit, die, sollten wir sie eines Tages verstehen, unser Denken verändern könnte.

Norbert:
Eine zweite überraschende Idee ist das Trio-Cover "Energie". Welchen Draht habt ihr zu Stefan Remmlers "Minimal-Art" (Remmler) aus den Anfangstagen der Neuen Deutschen Welle?

Jens:
Die erste Trio-Scheibe ist für mich eine der besten aus deutschen Landen. Außerdem hat Gero in der Nähe von Großenkneten (Heimatort des Trio; NvF) gewohnt.

Gero:
Ich ganz persönlich bin großer Trio-Fan und habe aus der Neuen Deutschen Welle in den 80ern eine Menge gute Musik herausfiltern können. Extrabreit, Spliff, Hubert Kah haben super Songs geschrieben und performt.

Norbert:
Was hat es mit dem skurrilen Liebeslied zwischen einer gelben Banane und einem gelben Regenschirm auf sich, mit dem ihr das Album eröffnet?

Thomas:
Hier geht es um unsere französische Plattenfirma Banana Juice und uns. Der Song war ein Geburtsgeschenk.

Norbert:
Während man von vielen finanzkräftigen Majors häufig CDs mit Minimal-Ausstattung in die Hand bekommt, präsentiert ihr euch mit einem schicken Digi-Pack inclusive fettem Booklet.
Lohnt sich der Aufwand finanziell?


Jens:
Nein, aber die Platte sieht so schöner aus!

Diskografie

Marie Juana
Flight No. 20-8-3
Stoned-steady
The Schuhkarton-Tapes
Brothers in Style (Split-EP mit den Special Guests)
Little Planet
Norbert:
Nach Eurer Auflösung wart ihr nicht gerade untätig. Ihr habt ein Reggae-Kulturzentrum in der Dresdener Neustadt gegründet. Erklärt mal was das ist.

Gero:
Das gibt es in dem Sinne leider nicht mehr. Wir haben dort Veranstaltungen durchgezogen, uns ein kleines Büro eingerichtet und unter unserem Label "Rain Records" unser Merchandise vertrieben.

Thomas:
Es gab kleine Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, live vertontes Super-8-Kinderkino, afrikanische Märchen als Puppentheater usw.

Norbert:
Was bedeutet die Re-Aktivierung von Yellow Umbrella für das Kulturzentrum - das Ende, eine massive Reduzierung - oder könnt ihr Band und Zentrum gleichzeitig schultern?

Thomas:
Das bedeutete leider das Ende des Ladens.

Gero:
Das Interesse der Leute war sehr rege, aber seit wir wieder als Band aktiv sind, fehlt einfach die Zeit, ein Projekt wie dieses mit der entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit, Booking, etc. aufrecht zu erhalten. Dort ist jetzt ein Kinderladen drin, was ich für genauso wichtig halte.

Norbert:
Spielt das Zentrum eine Rolle in der Dresdener Neustadt, die ja an alternativen Kulturprojekten nicht gerade arm ist? Ich muss zugeben, ich treibe mich auf dieser Seite der Elbe lieber rum, als zwischen Zwinger und Frauenkirche.

Gero:
Wie gesagt, damals haben das viele Leute wahrgenommen. Einige der Leute, die heute in den nachgewachsenen Reggae- und Skabands in Dresden aktiv sind, haben immer mal wieder bei den Konzerten oder auch nur zum Kaffeetrinken reingeschaut. Wir sind sehr froh, unseren Teil zu dieser Szene beizutragen; in der Vergangenheit, wie heute.

Norbert von Fransecky

Norbert von Fransecky


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