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Artikel

PORCUPINE TREE - Steven Wilson über die erste Live-DVD, neue Songs und die Diskografie seiner Band

Info

Gesprächspartner: Steven Wilson (Porcupine Tree, Blackfield)

Zeit: 30.10.2006

Interview: Telefon

Stil: Progressive Rock

Internet:
http://www.porcupinetree.com
http://www.myspace.com/deadwing
http://www.blackfield.org/

Bei der Suche nach den derzeit populärsten Bands im Progressive-Rock-Umfeld kommt man an einer nicht vorbei: PORCUPINE TREE. Dies bewiesen einmal mehr die mehr als gut gefüllten Hallen während der kürzlich absolvierten Herbsttournee der britischen Band. Auch wenn Bandleader Steven Wilson die Genrebezeichnung "Progressive Rock" heute nicht mehr allzu gerne hört, da er nicht gerne mit Dinosauriern wie Yes oder Genesis in einen Topf geworfen werden will, umschreibt es die Musik von PORCUPINE TREE einigermaßen gut. Anspruchs- und phantasievolle Rockmusik, die nicht in ein vorgefertigtes Muster passen will und sich in immerwährender Fortentwicklung (engl.: Progression) befindet. Aber im Gegensatz zu vielen Musikerkollegen liegt Steven Wilson und seinen Bandkollegen nichts ferner als spielerische Selbstbeweihräucherung. Sie stellen lieber komplett das stimmungsvolle Songwriting in das Rampenlicht.
Obwohl es 2006 kein neues Material von PORCUPINE TREE gab, war es alles andere als ein langweiliges Jahr für die Fans der Band. Im Juni brachte man das lange nicht mehr erhältliche Album Stupid dream aus dem Jahre 1999 als Re-Release wieder auf den Markt. Im September folgte eine Konzertreise, bei der die Band erstmals einen Vorgeschmack auf das im neuen Jahr zu erwartende Album gab (wir berichteten). Zu guter letzt brachte man mit Arriving somewhere... die erste Live-DVD in der Bandgeschichte heraus. Es gab also Einiges zu besprechen, als MAS Ende Oktober bei Steven Wilson in London durchklingelte. Dieser entpuppte sich in dem halbstündigen Gespräch als sehr freundlicher und auskunftsfreudiger Gesprächspartner. Anfangs recht ruhig und zuvorkommend, wurde er, je mehr man in seine Musik eintauchte, immer euphorischer. Hier spricht kein Musiker, der etwas vorzuspielen versucht, sondern einer, der jedes einzelne Wort ehrlich meint. Die Zeit verging so wie im Fluge und obwohl die eine oder andere Frage aufgrund der geringen Zeit noch offen blieb, gab Steven Wilson viele lesenswerte Dinge von sich.





MAS:
Seit Ende Oktober hat eure erste Live-DVD Arriving somewhere... seinen Platz in den Verkaufsregalen eingenommen. War es jetzt die genau richtige Zeit für dieses Projekt oder ist dies etwas, was Du schon lange geplant hattest, aber es bis zum heutigen Tag nicht realisieren konntest?

SW:
Ja, dies ist etwas, das wir schon lange hätten tun sollen. Wir schienen die letzte Band zu sein, die eine DVD veröffentlicht. Je länger wir damit warteten, desto größer wurde der Druck ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Aber wir wollten, dass das Ergebnis etwas Besonderes wird. Wir hatten viele Pläne für diese DVD, aber es war uns nicht möglich alle davon umzusetzen. Unter anderem war geplant eine Banddokumentation von Lasse Hoile zu integrieren. Die Zeit dafür rannte uns aber immer mehr davon und die Sache wurde komplizierter als wir dachten. Der Schnitt des Konzerts nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Wir wollten etwas mehr cineastisches, etwas, das sich ein bisschen vom Rest der DVD's auf dem Markt unterscheidet. Es wurden viel mehr Editierungen und Graduierungen als üblich eingearbeitet. Ich halte es für etwas, das ein wenig aus der Masse heraus sticht und ich denke, dass es sich für die Fans gelohnt hat ein wenig darauf zu warten.

MAS:
Der Konzerfilm wirkt für mich auch eher wie ein Art-Film als eine einfache Aufzeichnung eines Live-Konzerts.

SW:
Ja, genau. Einige Fans werden davon vielleicht ein wenig irritiert sein und es nicht mögen. Aber glücklicherweise denken die meisten Leute, dass dies ein positiver Aspekt des Films ist. Dies ist auch etwas, was die Sache etwas mehr Porcupine Tree-mäßig macht. Porcupine Tree war schon immer eine Band, welche bekannt dafür ist, sich auf einen gewissen visuellen Aspekt zu konzentrieren. Und ich denke die DVD folgt dieser Tradition, Dinge visuell ein wenig stimulierender und nicht auf die übliche Weise anzugehen.

MAS:
Meiner Meinung nach ergänzt sich das Visuelle mit der Musik auf eine prächtige Art.

SW:
Dieser Meinung bin ich auch. Uns wurde schon immer gesagt, unsere Musik hätte etwas Cineastisches. Es fügt sich also sehr gut zusammen.

MAS:
Warum wurden die Aufnahmen ausgerechnet in Chicago gemacht? Lag dies an dem guten Equipment dort oder ist das amerikanische Publikum etwas Spezielles für euch?

SW:
Es war von jedem etwas. Es gibt ein spezielles Publikum an jedem Ort auf der Welt für uns. Es hätte zahlreiche Möglichkeiten gegeben in verschiedenen Städten aufzuzeichnen, weil das Publikum dort besonders stimmungsvoll ist. Aber der Grund für Chicago war am Ende der positive Vibe des Chicagoer Publikums. Aber auch die Halle, das Park West, passte sehr gut zu unserer Produktion. Es hat eine sehr große Bühne und viel Platz für die Kameras. Wir konnten drei große Leinwände einsetzen. Und über alldem war es uns möglich dort an zwei aufeinander folgenden Abenden aufzutreten. Und das war sehr wichtig, denn wir wollten nicht, dass der Druck auf uns lastete den Film an einem einzigen Abend aufzeichnen zu müssen. Wir wollten zwei Konzerte filmen und sie dann so zuschneiden, als ob es sich um ein einziges Konzert handelt. Dadurch, dass wir an zwei Abenden im gleichen Saal, in der gleichen Kleidung, mit demselben Licht und der gleichen Produktion spielten, war es uns möglich die Songs zweimal zu spielen und die beste Version auszuwählen um sie dann zusammenzuschneiden. Im Grunde genommen handelt es sich um die Highlights der beiden Konzerte. Ich wollte daraus aber kein Geheimnis machen, denn es wird auch auf der Verpackung der DVD erwähnt. Es war also eine sehr wichtige Entscheidung für uns. Es gab nicht viele Orte, an denen wir dies hätten tun können.

MAS:
Auf der letzten Tour, auf der auch diese DVD aufgezeichnet wurde, habt ihr auch Songs gespielt, welche nicht auf regulären Alben zu finden sind. Wie wählst Du in der Regel die Songs aus, die ihr auf Konzerten spielt? Die Setlisten ändern sich von Tour zu Tour teils drastisch. Soll es damit nur für die Fans interessanter werden oder auch für euch selbst?

SW:
Jede Band macht es auf ihre Weise. Wir versuchen jedes Mal die Setlisten von einer Tour zur nächsten ziemlich zu verändern. Aber wir behalten diese dann für eine komplette Konzertreise bei. Wie zum Beispiel bei der Tour im letzten Monat. Wir spielten eine ganze Stunde neues Material und einige Highlights unseres Backkatalogs. Aber wir spielten dieses Set jeden Abend. Die Idee dahinter ist, dem Ganzen einen Form und einen Fluss zu geben. Und wenn eine gewisse Sequenz gut funktioniert und es Dir Spaß macht sie zu spielen, kommt dies auch beim Publikum an. Aber wir wollen auch, dass es interessant für beide Seiten bleibt. Für das Publikum wie für uns. Es gibt Leute, die wir auf jeder Tour bemerken. Und diese wollen auch nicht die gleichen Lieder immer und immer wieder zu hören bekommen. Aber auch wir wollen nicht jedes Mal immer nur die gleichen Songs spielen müssen. Bei der Auswahl des Sets für die DVD war es uns wichtig Sachen zu spielen, die nicht auf einem Album enthalten sind. Für einige werden diese Songs komplett neu sein. So zum Beispiel "So called friend" oder "Mother and child divided". Die meisten Leute, welche diese DVD kaufen, haben diese Lieder noch nie gehört. Das macht es noch interessanter.

MAS:
Ich war auf einem der Konzerte der letzten Tour. Die Fans dort schienen die neuen Songs sehr zu mögen, einige waren sogar regelrecht aus dem Häuschen darüber. Wie waren die Reaktionen allgemein auf diesen Konzerten?

SW:
Wirklich fantastisch! Es war eine Überraschung für uns alle. Das Höchste was wir erwartet haben, war, dass die Leute geduldig die neuen Titel anhören und einfach auf die alten Songs warten. Aber es war so, dass die neuen Titel in vielen Städten sogar den Porcupine Tree-Klassikern vorgezogen wurden. Und dies war wirklich überraschend. Um ehrlich zu sein: Wie waren vorher sogar etwas nervös. Es ist schon ein bisschen viel von den Fans verlangt, eine Stunde lang komplett unvertrautes Material abzuwarten. Aber sie warteten nicht nur ab, sondern reagierten ziemlich positiv darauf und zeigten ihre Begeisterung darüber. Und das gibt uns jetzt echtes Selbstvertrauen für die kommenden Aufnahmen. Und ich denke jeder von uns fühlt, dass dies unser bestes Album werden könnte. Und die erhaltenen Reaktionen scheinen dies zu bestätigen. Ich war sehr sehr glücklich darüber, wie das neue Material aufgenommen wurde!

MAS:
Sind diese Lieder noch in Arbeit und ihr wolltet sie nur live ausprobieren? Entwickelten sie sich von Konzert zu Konzert weiter?

SW:
Sie entwickelten sich sehr während der ganzen Tour. Wir hatten lediglich eine Idee wie sie klingen und wie sie arrangiert sein sollten. Aber wir hatten sie vorher noch nicht aufgenommen. Wir waren damit einen Monat unterwegs um sie zu spielen und damit sich jeder daran gewöhnte und jedes Detail kennen lernen würde. Wir ließen allerdings auch zu, dass sich die Performance selbst entwickelte. Es sollten auch Ideen gesammelt werden, die im Studio so vielleicht nicht zu Stande gekommen wären. Besonders Gavins Schlagzeugparts veränderten und entwickelten sich auf dieser Tour sehr. Am Ende spielte er mit viel mehr Selbstvertrauen und hatte eine bestimmte Richtung ausgearbeitet, was am Beginn der Tour noch anders war. Wenn man dies bedenkt, war es ein sehr positiver Schritt dies zu versuchen. Das Spiel jedes Einzelnen in der Band bestätigte dies.

MAS:
Was können die Fans nun von diesem zukünftigen Album erwarten? Meiner Meinung nach klangen die neuen Titel wie eine natürliche Weiterentwicklung der auf Deadwing eingeschlagenen Richtung.

SW:
Nun, ich denke man hört einige neue Aspekte heraus. Es gibt einen Song, der ziemlich industrialmäßig klingt. Dies ist etwas ganz Neues für uns. Es gibt keine Stücke, die wirklich kurz wären, die meisten sind sogar ziemlich lang. Der Längste hat eine Spielzeit von 20 Minuten. Die anderen Stücke sind alle zwischen sieben und acht Minuten. Für uns ist dies eine Art Bruch mit dem Schreiben von kurzen Stücken und mehr eine Hinwendung zu längerem und progressiveren Material. Mehr als wir es in vielen Jahren hatten. Dies ist etwas, was mit "Arriving somewhere but not here" seinen Anfang nahm. Dies hebt die Musik definitiv auf ein höheres Niveau. Es ist epischer und ambitionierter. Dieses Mal liegt das Interesse weniger im Schreiben von kürzerem und Song basierten Material.

MAS:
Flapsig gesagt ist die Zeit der Radiohits hiermit vorbei.

SW:
Um ehrlich zu sein, haben wir diese kurzen Stücke in der Vergangenheit nicht geschrieben weil uns gesagt wurde wir sollten dies tun oder weil wir selbst dachten es sei notwendig. Dieses Mal fühlten wir uns einfach, dass dies der Weg ist, den wir gehen wollen. Ich wollte etwas, dass komplett, wie man es nennt, unkommerziell ist. Etwas, das als Albumprojekt gesehen wird. Und das Interesse daran kurzes und radiofreundliches Material zu schreiben war einfach nicht vorhanden. Ich wollte niemals etwas aus einem falschen Grund machen. Ich mache meine Songs aus ganz egoistischen Gründen. Wenn ich etwas machen möchte tue ich es, wenn nicht, dann eben nicht. In diesem Sinn ist es eine natürliche Entwicklung meines Interesses an albumorientierter Musik. Es ist etwas, dass weniger Mainstreamappeal hat als vorher. Aber vielleicht habe ich unrecht und es wird unser bestverkauftes Album. Wer weis das schon.

MAS:
Du hast eben schon diesen Longtrack erwähnt. Der erste dieser Art seit vielen Jahren. Welche Art von Lied ist für Dich einfacher zu schreiben - ein sehr langes Stück bei dem man viele experimentelle Dinge mit einbauen kann, oder ein kompaktes mit schönen Harmonien und einem guten Refrain?

SW:
Ich würde sagen, weder das eine noch das andere. Um ehrlich zu sein, können die kurzen manchmal sogar die schwersten sein. Weil es einfach schwerer ist etwas Spezielles in einem derart konventionellen Format rüberzubringen. Es ist ein so oft verwendetes Format. Es ist manchmal schwierig Persönlichkeit und Charakter in einen Popsong zu bringen. Auf der anderen Seite sind die langen Stücke strukturell ziemlich komplex und es kann sehr schwer sein sie auszuarbeiten. Ich bin kein Freund von Longtracks wie sie manche Bands machen, die klingen als hätten sie nur jede Menge Einzelteile zusammengekettet. Ich will, dass meine langen Stücke eine Struktur haben die Sinn macht und die ihnen einen gewissen Status verleihen. Und dies zu erreichen ist wirklich nicht gerade einfach. Dieser neue Longtrack zum Beispiel hat mich einen Monat Arbeit gekostet bis ich die richtige Struktur und den richtigen Fluss fand. Es war eine ziemlich schmerzhafte Erfahrung ihn zu schreiben und fertig zu stellen.

MAS:
Wann ist geplant die neue CD herauszubringen?

SW:
Momentan ist es geplant sie Mitte April zu veröffentlichen. Aber wir haben gerade erst damit begonnen sie aufzunehmen. Ich hoffe, dass wir die Aufnahmen bis Weihnachten abgeschlossen haben. Wir werden damit anzufangen es Anfang nächsten Jahres zu bewerben, es im April in die Läden bringen und danach eine Tour hierfür zu spielen.

MAS:
Mit Roadrunner habt ihr jetzt ein neues Label für euch gewinnen können. Warum habt ihr euch ausgerechnet dafür entschieden? Porcupine Tree ist nicht gerade eine Band wie man sie auf einem Metallabel wie diesem erwartet.

SW:
Ok, dies sind mehrere Dinge. Erstens denke ich, dass Roadrunner nicht unbedingt ein reines Metallabel sind. Wenn man ihren größten Act nimmt, ist die Nickelback. Sie sind nicht gerade eine Metalband. Und davon gibt es dort noch mehrere. Zum Beispiel die Dresden Dolls. Aber Du hast Recht. Am bekanntesten sind sie für ihre extremen Metalbands. Ich denke Roadrunner sind genau richtig für Porcupine Tree an diesem Punkt unserer Karriere. Wir haben es für zwei Alben mit einem Majorlabel versucht und es war ein ziemlicher Kampf für uns. Denn es ist nicht einfach für einen kleinen Fisch in einem großen Teich. Man steht immer im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Labels mit Acts wie Madonna oder den Ret Hot Chili Peppers. Warum sollten sie sich allzu sehr anstrengen eine Porcupine Tree-Single zu bewerben, wenn sie eine Madonna-Single auf den Markt bringen können. Diese können sie um einiges leichter in die Läden bringen als ein Porcupine Tree-Album. Wir litten ein wenig unter dieser üblen Art von Syndrom. Als wir mit den Gesprächen mit neuen Label begannen, sahen wir uns nach einem um, dass nicht zwingend ein Majorlabel ist, aber die Power hat sich mit einem zu messen. Dabei blieb nur eines übrig. Und dies war Roadrunner. Aber das ist nicht der einzige Grund. Ich sah was sie für die Band meines Freundes Mikael Akerfeldt, Opeth, getan haben. Ich sah wie sie Opeth aus dem Underground empor hoben. Sie sind zwar nach wie vor mehr eine Underground- als eine Mainstreamband sind, aber sie maximierten ihr Potential eine große Masse zu erreichen. Und das hat mich ziemlich beeindruckt. Und ich, genauso wie unser Management und das Label, denken, dass wir dies auch für Porcupine Tree erreichen können, um damit die nächste Stufe zu erreichen. Aber auch hier, nur die Zeit wird dies zeigen.

MAS:
Kürzlich gab es einen Re-Release des Albums Stupid dream zusammen mit einer Bonus-DVD. Eine tolle Sache zum Preis einer Einzel-DVD. Warum hast Du hierfür ein anderes Artwork gewählt?

SW:
Ich hasse das Originalcover! Damals war es einfach eine Situation in der uns die Zeit dafür davon lief und wir uns mit einem Cover abgeben mussten mit dem wir nicht glücklich waren. Es ist manchmal eine unschöne Sache im Musikbusiness, dass man Zeitpläne einhalten und Kompromisse in der verfügbaren Zeit eingehen muss. Weist du, in einer idealen Welt würde ich mir soviel Zeit nehmen wie ich benötige, um das Richtige Artwork für ein Album zu finden und es so aussehen und klingen zu lassen wie es nötig ist. Aber es gab in der Vergangenheit Zeiten in der das nicht möglich war, da wir Touren gebucht hatten oder Veröffentlichungstermine einhalten mussten. Und in diesem Fall war es so, dass wir das Album nicht derart individuell gestalten konnten, wie es wünschenswert gewesen wäre. Ich war ziemlich glücklich die Gelegenheit zu haben dies nun zu ändern. Dieses neue Cover ist meiner Meinung dem alten überlegen. Und auch hier denke ich, gibt es Fans die mir widersprechen. Aber wir selbst müssen mit einem Produkt und dem Material das wir veröffentlichen glücklich sein. Ich muss damit länger leben als jeder andere. Wenn ich selbst damit schon nicht glücklich werde, ist das nicht gut. Aber nun bin ich es. Also ist alles bestens.

MAS:
Damit ist jetzt fast jedes Porcupine Tree-Album wieder erhältlich. Das einzige welches noch fehlt ist Lightbulb sun. Wird dieser Umstand in naher Zukunft ebenfalls noch geändert?

SW:
Ja, definitiv! Lightbulb sun wird in ähnlicher Form wieder veröffentlicht werden wie sein Vorgänger Stupid dream. Das heißt mit einer Bonus-DVD auf welcher sich ein 5.1-Mix des Albums, sowie weitere kleine Extras befinden. Dieser 5.1-Mix nimmt allerdings relativ viel Zeit in Anspruch. Da in den nächsten Monaten allerdings zahlreiche Dinge anstehen - einige davon hatte ich bereits vorhin erwähnt - wird sich diese Veröffentlichung noch einige Zeit hinziehen. Ich denke, dass es bis Sommer 2007 soweit sein wird.

MAS:
Gibt es auch die Chance, dass in diesem Zusammenhang die im Jahre 2001 veröffentlichte und nicht mehr erhältliche B-Seitensammlung Recordings ebenfalls wieder zugänglich gemacht wird?

SW:
Wir haben in den letzten Jahren viele neue Fans hinzugewonnen, welche ständig nach dieser CD fragen. Ich sehe mich damit immer mehr gezwungen diese Songsammlung für sie neu aufzulegen. Die Originalauflage betrug damals 20.000 Stück und ist natürlich schon lange vergriffen. Damals waren Porcupine Tree noch nicht so bekannt wie heute. Deshalb war diese Auflage auch völlig O.K. für mich. Es ist auf jeden Fall geplant Recordings ein weiters Mal herauszubringen. Allerdings ohne irgendwelche Überarbeitung, sondern in der gleichen Form wie im Original. Aber wann es soweit sein wird kann ich Dir noch nicht sagen.

MAS:
Kürzlich wurde eine Myspace-Seite mit dem Skript eines geplanten Deadwing-Films online gestellt. Was gibt es für Neuigkeiten über dieses Projekt mit dem Filmemacher Mike Bennnion?

SW:
Es gibt hunderte von Filmskripte die derzeit kursieren. Und es dauert Stunden sie zu lesen. Mit der Website ist es möglich, uns etwas über die große Masse zu stellen und eine Art Rauschen im Internet zu produzieren. Und dies ist jetzt auch präsent. Wir haben jetzt jede Menge Leute die unsere Website besuchen und sich das Skript sonst wahrscheinlich niemals angesehen hätten. Es gibt eine Quelle aus denen sie sich ein Skript, Grafiken, Bilder und auch eine Geschichte herausnehmen können. Wir bekommen damit mehr Aufmerksamkeit seitens der Filmindustrie. Aber es ist immer noch ziemlich schwer, da von uns vorher noch keiner ein Drehbuch für einen Kinofilm geschrieben hat. Trotzdem bin ich sehr optimistisch was dies angeht. Es steht ganz oben auf der Liste der Dinge die ich tun möchte.

MAS:
Du hast bereits seit Längerem die Arbeiten mit Aviv Geffen am zweiten Blackfield-Album abgeschlossen. Laut Ankündigungen soll es im Januar nächsten Jahres endlich veröffentlicht werden. Was kannst Du mir hierüber erzählen? Wird es eine direkte Fortsetzung des Debüts sein oder seit ihr neue Wege zusammen gegangen?

SW:
Ich denke, dass es eine direkte Fortsetzung des ersten Albums geworden ist. Aber ich glaube es ist viel stärker. Unsere erste CD zusammen entstand eher aus gelegentlichen Sessions über einen langen Zeitraum hinweg. Und niemand wartete auf dieses Album, denn niemand wusste dass es Blackfield überhaupt gibt. Wir verbrachten eine lange Zeit damit es zu machen und hatten damals nicht unbedingt eine große Ahnung in welche Richtung es sich entwickeln sollte. Wir bastelten nur ein paar schöne Songs zusammen. Dieses Mal hatten wir eine klarere Richtung vor Augen und ich denke, dass wir auch bessere Lieder geschrieben haben. Auch die Produktion ist ein wenig besser als auf der ersten CD. Es bewegt sich alles auf einem etwas höheren Niveau dieses Mal. Die Qualität ist definitiv größer als die des ersten Blackfield-Albums. Aber es ist auf jeden Fall im gleichen Stil. Als Blackfield sind wir immer noch dabei unseren Sound und unseren Stil, sowie auch uns selbst zu etablieren. Ich denke, dass wir auf dem nächsten Album etwas mehr experimentieren werden.

Soviel zu den Neuigkeiten, die uns Steven Wilson mitzuteilen hatte. Er ist eigentlich kein Mensch der gerne zurücksieht und seinen Fokus lieber in die Zukunft richtet. Aber als ich ihn darum bat im Zusammenhang mit den Re-Relases und der DVD-Veröffentlichung einen Blick auf die Diskografie von PORCUPINE TREE zu werfen und ein paar Kommentare zu den einzelnen regulären Studioalben abzugeben, tat er dies trotzdem gerne. Hier ein paar Gedanken über das Gesamtwerk seit den Anfängen im Jahre 1989 (nur reguläre Studioalben).




On the Sunday of life (1991):
On the Sunday of life ist mehr eine Sammlung von Tapes die ich ab 1989 in meinem kleinen Studio aufnahm. Ich wollte damals viele verschiedene Dinge auf einmal ausprobieren. Ob es sich dabei um Ambient, Progressive oder simple Songs handelte. Es findet sich hier vieles wieder. Die CD klingt auch nicht wirklich wie das Album einer einzelnen Band, sondern eher wie das Produkt von zehn Bands. Ziemlich experimentell eben. Es sein ein paar Sachen darauf, die mir auch heute noch gefallen.

Up the downstair (1993):
Up the downstair war ein großer Schritt nach vorn. Damals begann ich damit in eine bestimmte Richtung zu arbeiten und mehr songorientierte Sachen als vorher aufzunehmen. Ich finde auch, dass dieses Album einige der besten Songs die ich je geschrieben habe enthält. Nur klang das Endergebnis damals nicht so wie ich es gerne gehabt hätte. Das war auch der Grund dafür, dass ich die Schlagzeugspuren von Gavin für die Wiederveröffentlichung der CD neu aufnehmen ließ. Heute bin ich damit sehr zufrieden.

The sky moves sideways (1995):
Dies ist das Album, welches am wenigsten eigenständig klingt. Es hat einen Sound, von dem ich denke, dass man ihn am ehesten mit klassischen Progressive Rock-Bands wie Pink Floyd verbindet. Es besitzt diesen speziellen weichen und schwerfälligen Progressive Rock-Sound. Für mich als Musiker und Künstler war es sehr wichtig mit der Zeit von diesem Klang wegzukommen und zu versuchen etwas Einzigartiges und mehr eigenständiges zu schaffen. Und ich denke, dass ich seitdem mit Porcupine Tree einen eigenen Sound entwickelt habe.

Signify (1996):
Das erste echte Bandalbum. Definitiv einen Schritt weg vom Sound vorheriger Veröffentlichungen. Heavier, atmosphärischer und mehr auf Songwriting bedacht, als auf lange instrumentale Teile. Es ist ein Album mit dem ich immer noch sehr zufrieden bin. Es hat eine sehr schöne Struktur, einen guten Fluss. Für mich funktioniert dieses Album als solches ziemlich gut. Natürlich sind nicht alle Stücke so gut wie sie hätten sein können. Aber auf jeden Fall ein guter Start der Band-Ära.

Stupid dream (1999):
Stupid dream war eine weitere Hinwendung zu mehr songbasiertem Material und melodischen Gesangsharmonien. Zu dieser Zeit hörte ich eine Menge Sachen wie Brian Wilson und die Beach Boys, Crosby Stills & Nash oder Todd Rundgren. Ich war sehr begeistert von den Möglichkeiten des Einsatzes von Gesangsharmonien. Dieses Album besitzt ein größeres, wie man es nennt, kommerzielles Potential. Aber auch der etwas härtere Aspekt deutet sich hier bereits an. Aber es ist immer noch ziemlich sanft und entspannt, verglichen mit dem was noch kommen sollte.

Lightbulb sun (2000):
Lightbulb sun ist eine direkte Fortsetzung von Stupid dream. Dies kommt auch daher, dass wir es bereits ein knappes Jahr nach der Veröffentlichung seines Vorgängers aufnahmen. Ich denke, dass Lightbulb sun nicht ganz so stark ist wie Stupid dream. Darauf gibt es ein paar Songs die ich ein wenig schwach finde. Aber es war ein wichtiges Album für mich, denn textlich war es meine Art „Trennungsalbum“. Es drehte sich alles darum, Beziehungen aufzulösen. Ziemlich bitter, ein wenig wütend und melancholisch. Ich bin immer noch ziemlich stolz auf die Texte einiger Lieder auf dieser Platte.

In absentia (2002):
Das erste Album mit Gavin am Schlagzeug. In absentia war für mich unser Durchbruchalbum. Hier fanden wir endgültig einen Sound der komplett eigenständig ist, während aber immer noch die Wurzeln im klassischen Progressive Rock-Sound erkennbar sind. Ich fühlte damals, dass In absentia die stärkste Auswahl an Liedern enthält, die ich je geschrieben hatte. Es liegt ein langer zeitlicher Abstand zwischen Lightbulb sun und In absentia. Und das erlaubte es diese Masse an sehr starkem Material zu schreiben. Aber das war nicht alles. Das neue Label, ein größeres Aufnahmebudget, der härtere Sound, Gavin als Neuer in der Band. Dies alles gab dem Bandgefühl eine Art Erfrischung. Und ich denke immer noch, dass In absentia unser bestes Album bis heute ist.

Deadwing (2005):
Deadwing fühlte sich an wie eine Festigung und Forsetzung des Sounds von In absentia. Ich fühlte, dass die Songs nicht so stark sind wie auf In absentia. Nicht viel schwächer, nur ein kleines Gefühl, vergleich dem Material auf In absentia. Insgesamt war Deadwing der Versuch etwas zu machen was ein wenig cineastischer mit längeren Stück ist. „Arriving somewhere but not here“ ist ein solches Beispiel. Und das bringt uns ins Heute.

Mario Karl


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