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Ort: Essener Philharmonie
Etwas verloren nahmen sich die gerade zwei Dutzend Notenständer und das schlanke Wiener Fortepiano in den holzgetäfelten Weiten des Alfred-Krupp-Saal der renovierten Essener Philharmonie aus. Und bei den ersten samtig-zarten Klängen, die das Anima-Eterna-Orchester und Jos van Immerseel ihren historischen Instrumenten entlockten, fragten wir uns auf unseren Plätzen in Reihe 10 schon, ob und was davon auch noch ganz hinten und oben auf den Rängen ankommen würde - vielleicht war dsa zarte Klangbild der Hauptgrund dafür, dass sich die Plätze nach der Pause etwas gelichtet hatten.
Auf dem Programm standen am 15. Oktober drei Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart, KV 238, 453 und 488. Es war die erste Staffel von insgesamt vier Konzertveranstaltungen, die Immerseel mit seinem renommierten Ensemble in der Philharmonie bestreitet. Folge 3. und 4. sind für den 24./25. Februar 2007 angesetzt (Philharmonie Essen).
Immerseel hat die Klavierkonzerte schon Anfang/Mitte der 90er Jahre komplett auf CD eingespielt, doch war nun zu erleben, wie sehr sich auch bei ihm und seinem Ensemble die Spielkultur verfeinert hat, so dass die Interpretation jetzt wesentlich organischer und farbenreicher ausfällt.
Ensemble Anima Eterna, Foto: Philharmonie Essen |
Wer den gut ausbalancierten CD-Klang bei den Einspielungen des Ensembles im Ohr hat, musste sich in der Live-Situation erst etwas umstellen. Nach kurzer Zeit waren die Ohren allerdings gespitzt für den warmen, geschmeidigen Streicherklang und die hervorleuchtenden Holzbläsertöne. Anima Eterna produzierte ein fein austariertes, homogenes Klangbild, das nur gelegentlich durch kleine Intonationsprobleme der Hörner und einmal vom Kiekser einer Oboe getrübt wurde. Überhaupt war wenig von der Rauheit zu vernehmen, die man gemeinhin mit alten Instrumenten assoziiert. Anima Eterna profilierte nicht so sehr den von vielen Ensembles favorisierten Spaltklang, sondern ein schimmerndes, eher weiches Klangbild, dass von der resonanzfreundlichen Holztäfelung des Saalbaus unterstützt wurde.
Jos van Immerseel, Foto: Philharmonie Essen |
Während die Konzertmeisterin Midori Seiler vom Pult der ersten Geige aus das Orchester leitete, konnte sich Immerseel ganz auf sein Klavierspiel konzentrieren. Die Dynamik des Fortepianos ist begrenzter als beim modernen Konzertflügel, das Instrument besticht aber durch seinen unglaublich klaren Anschlag und den feinen Silberklang in den oberen Registern. Auch wenn es im Tutti nur mehr eine Farbe im Gesamtklang ist und virtuose Details hier schnell verwischen, verschafft es sich doch Gehör. Immerseels Spiel war von diskreter Virtuosität, vor allem in den schnellen Ecksätzen agierte er mal verspielt, dann wieder zupackend und mit nachdrücklichen Akzenten. Die Kadenzen improvisierte er frei. Im Konzert Nr. 17 (KV 453) wuchs sich das beim 2. Satz zu einem atemberaubend intimen Zeugnis der innigen Beziehung des Interpreten zu Mozart aus, dessen Material er hier in fast romantisch anmutender Weise weiter aussponn.
Ohnehin ließ Immerseel in den mit himmlischer Ruhe ausgespielten langsamen Mittelsätzen sein Instrument am schönsten singen. Dabei war seine Deutung frei von jeder Rührseeligkeit, die sonst etwa dem Andante des Konzerts Nr. 23 (KV 488) nur allzu gerne beigegeben wird. Das Publikum fesselte Immerseel statt dessen durch die feinen Nuancen seines erlesenen introvertierten Spiels; wie sehr das Fortepiano für die melancholischen Molltrübungen und mitunter jähen harmonischen Abstürze von Mozarts geschaffen ist, ließ sich gerade hier eindrucksvoll vernehmen.
Langanhaltender Applaus.
Georg Henkel
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