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Zeit: 03.06.2006
Ort: Hannover, "Bad"
Pfingsten - Zeit der Besinnung, Familienbesuche und gemütlichen Essen mit den Lieben. Oder aber: Pfingsten - Zeit für harte Rockmusik, Zeltplatz, Bier und Nächte durchmachen!
Für mich zählt seit 2003 die zweite Variante, denn seitdem kenne ich das Swamp Room Festival in Hannover. Organisiert vom Label "Swamp Room Records", das sich um die Erhaltung alter Vinylschätze aus 60er und 70er Rock / Psych und anderem Obskurem genauso kümmert wie um Psychobilly und eben dieser genannten Richtungen aus heutiger Zeit. Es wird zum Marathon gebeten, Pfingstsamstag und -sonntag treten jeweils 10 oder mehr Bands auf, um bis zum Morgen zu rocken bis der Arzt kommt. Zuletzt fand es traditionell immer im "Chez Heinz" statt, einem Kellerraum vom "Fössebad". Dieses Jahr ging es zum ersten Mal in das altehrwürdige Hannoveraner "Bad", schön im Herrenhäuserpark gelegen. Dies hat zunächst einmal den Vorteil, dass es nicht mitten in einem Wohngebiet liegt, als zweiter großer Pluspunkt sollte sich bald die viel bessere Luft während der Konzerte herausstellen, und auch die Atmosphäre unterhalb der Besucher war viel entspannter als im stickigem "Chez Heinz".
Was der Veranstalter leider nicht organisieren kann ist das Wetter. Haben wir 2003 und 2004 noch geschwitzt und über die Hitze gestöhnt, so haben wir 2005 und dieses Jahr richtig Glück gehabt, dass es nicht geschneit hat. Naja, das ist übertrieben, aber es war schon ziemlich kühl. Andererseits animierte uns dies zum Spazieren anstatt rumzuhängen, was wirklich gut für Kopf und Seele war und fit machte für die zweite Nacht.
Nun aber zur Musik. Dieses Jahr traten sagenhafte 26 Band an zwei Abenden auf. Diese kann ich natürlich unmöglich hier alle beschreiben, doch ich kann sagen, es war das beste Line-Up, das es bisher je gab. Bisher gab es immer ein paar Country beeinflusste Psychobilly- oder aber auch Surfbands, die an sich nicht schlecht waren, aber im Konzept deplatziert wirkten. Dieses Jahr gab es eigentlich nur eine deplatzierte Band, und das waren Arundo, die zuvor den Außenplatz beschallt hatten und Mittelaltermusik boten. Die Band war fantastisch, guter Gesang und schöne akustische Musik, doch in dem ansonsten von Rock, Psych und Stoner durchsetzten Abend völlig deplatziert.
Hier nun das Line-up des ersten Abends:
Typhoons / Teddyboys from the crypt / Staggers / Curlee Wurlee / Arundo / Strange Flowers / Electric Orange / The Pleasures / Phased / Josiah / Colour Haze / Lombego Surfers / Cowboys on Dope
Die ersten beiden Bands boten zum Einstieg gute Power, Rock mit Stoner und Psych, aber auch leichten Countryeinflüßen. Gut zum Aufwärmen. Mit Curlee Wurlee traten dann alte Bekannte auf, die schon häufiger auf dem Festival waren. Power Girlie Gitarrenpop, musikalisch erstklassig, nur mir persönlich geht nach einiger Zeit der etwas piepsige Gesang der ansonsten sehr ausstrahlungsstarken Sängerin auf den Keks. Nach dem erwähnten Mittelalter Aussetzer kamen dann mit den Strange Flowers der erste Höhepunkt für meine Ohren, feinster Psychrock mit genau der richtigen Priese (Punk)Rock. Electric Orange boten dann einen sehr trancehaltigen Psychedelic Rock, viele elektronisch gewürzte, lange, ausufernde Songs.
Mit The Pleasures kam dann die Undergroundvariante von den momentan angesagten Glampunk Bands. Wildgeschminkte Typen spielen einen verrückten Boogiepunk mit Glamrock als Anzug - nicht schlecht. phased boten dann stoner-getränkten Spacerock, der zum Schweben einlud. Die folgenden Josiah waren ähnlich gelagert, konnten dabei aber ihre The Who Vorliebe glücklicher Weise nicht verhehlen. Geile Orgeln und Gitarren. Über die anschließenden Colour Haze brauche ich nicht viel zu erzählen, die Psych-Stoner Band ist live als Bank bekannt und so war es auch dieses Jahr. Hiernach setzte dann mein erster und einziger kleiner "toter punkt" ein, schließlich war es ja auch schon ca. 4:00 Uhr morgens. Die Lombego Surfers rüttelten mich mit ihrem Alternative Pop, gewürzt mit Stoner und Psychsounds, ein wenig auf. Die abschließenden Cowboys on Dope annimierten mich anfangs fast zum Gehen, da ich sehr müde war. Ihr Lofi Alternative Pop mit Countryeinflüßen, gespielt mit Bass, Gitarre und als Perkussion einem Gitarrenkoffer, ließ mich nicht wirklich munterer werden. Doch sie blühten richtig auf, so dass mich ihre Coverversionen von "Psycho Killer" der Talking Heads und zwei Beatles Cover (eines war "When I am sixtie - four" ein anderes vom Revolver Album) auch noch um 6:00 Morgens wach hielt. Also schlich man sich bei Tageslicht angenehm erschöpft ins kalte Zelt.
Der zweite Tag begann im Gegensatz zum Ersten bereits um 16:00 Uhr. Hier gab es zunächst die traditionelle Swamp Room Schnäppchen Auktion, bei der Skuriles und Unbekanntes der Swamp Room Mailorder zu "Fischmarktpreisen" über den Tisch gehen. Das habe ich mir kurz angeschaut, danach musste ich mich doch erst einmal kurz erholen, also setzten wir uns ein wenig ins Auto um zu relaxen. Deshalb verpassten wir die ersten beiden Bands. Hier nun die Liste der Bands des zweiten Abends:
KILAUEAS / THE RICHMEN / SEDUCERS / BAZOOKA BOPPERS / CHRIS VAN CHROME / PAINTED AIR / SICK ROSE / NOETICS / FIRST BAND FROM OUTERSPACE / MANDRA GORA LIGHTSHOW SOCIETY / VIC DU MONTE /DEADCHOVSKY /WOOG RIOTS / SWAMP SESSION
Die ersten beiden, wie gesagt, kann ich nicht bewerten. Mit den Seducers gab es dann zum Warmwerden Punk Rock`n`Roll mit Psychedelly Einflüssen. Dann folgte mit den Bazooka Boppers bereits der erste Höhepunkt. Knalliger Girlie Punk´n Pop mit einer absolut scharfen Frontfrau und einer heißen Show!
Mit Chris van Chrome folgte dann eine Mischung aus Cure-mäßigem Wavepop plus Psychgitarren und einem himmlischem Chor.
Die ebenfalls schon häufiger aufgetretenen Painted Air boten ihren gewohnten Doors-getränkten Rock. Darauf folgten Sick Rose, die ansprechenden, aber nicht bahnbrechenden Indie Gitarrenpop boten. Doch darauf folgten dann die Gewinner des ganzen Festivals. Die deutschen Noetics, mir vorher völlig unbekannt, kamen auf die Bühne und feuerten ihren Set ab, den ich mal als Konsens aus dem Tribial Psych der Orzic Tentacles und dem manischem Beat von Korai örom bezeichnen möchte. Eine Stunde lang dröhnten die verrückten Rhythmen und Sounds aus den Keyboards, dazu flirrten die Gitarren und es wurden auch noch diverse Digeridoos eingestzt. Da hab ich mal eben drei Bier bei abgetanzt und war wieder fit.
Fit für die First Band from outaspace, die ihren verrückten Spacerock live noch energievoller rüber brachten, und mich endlich wieder nüchtern werden ließen. Damit waren zwei (unerwartete) Höhepunkte abgefeuert, obwohl mein Spezieller eines jeden Swamp Room Festivals erst noch kam. Die Mandra Gora Lightshow Society, fester Bestandteil des Festivals, da Band des Chefs (der mir im übrigem ein nettes Autogramm auf die neu LP gab, Wilhelm, die Brust gibbet nextes Mal! ;-) ). Im Gegensatz zu den anderen Jahren gaben diese sich ziemlich songorientiert, was aber der süßen, beatlesken Psychedelic in ihrem Sound keinen Abbruch bedeutete. Gewohnt guter Set.
Nach diesem Dreier konnte nichts mehr toppen. So blieben die angepunkten Vic Du Monte blass. Deadshovsky jedoch boten einen Indierock, der mich mit seinen an "And Also The Trees" und die Cocteau Twins erinnernden Gitarren um 4:00 Morgens verzaubern konnte. Die abschließenden Woog Riots boten rockigen Indiepop, der mich nicht vom Hocker riss. Zuletzt gab es dann noch einen Swamp Room Jam, der mit einer sehr bluesigen Einlage begann. Wer neben Wilhelm von Mandra Gora (Gitarre) auf der Bühne stand, kann ich nicht sagen. Es wurde danach noch etwas gegroovt, aber gegen 6:15 musste ich dann doch schlafen.
Insgesammt das beste Swamp Room bisher und ich freue mich schon auf das nächste Pfingstfest.
Wolfgang Kabsch
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