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You can’t keep a good Band down - 35 Jahre URIAH HEEP im Spiegel des neuen Box-Sets Chapter & Verse (Kapitel 2)

In der vergangenen Ausgabe haben wir anhand der ersten CD des 6-CD-Box-Sets `Chapter & Verse´ auf die Vorläufer-Bands von Uriah Heep zurückgeblickt. Nun beginnt die eigentliche Geschichte der Hard Rock-Legende.

Kapitel 2: Zauberer, Magier und Phantasie - der Weg in die Ewigkeit

“Gypsy“ - die erste Uriah Heep-Single

“Gypsy“ ist der erste Song vom ersten Uriah Heep-Album, der erste Song, den Uriah Heep als Uriah Heep aufgenommen haben und das einzige Stück des ersten Uriah Heep-Albums, das bis heute selbstverständlicher und völlig unverzichtbarer Teil jedes Uriah Heep-Konzertes ist. Während die meisten anderen Uriah Heep-Stücke, die auf dieser ersten CD von Chapters & Verses enthalten sind, in alternativen Versionen erscheinen, gibt es “Gypsy“ daher im Original. Was ihr hier hört, das sind die ersten Töne, die Uriah Heep-Fans jemals von ihrer Band auf Vinyl hören konnten, und sie gehören zu einer der genialsten Kompositionen des 20. Jahrhunderts.

Insgesamt, das wird auch auf dieser Zusammenstellung deutlich, waren Uriah Heep bei den Aufnahmen zu ihrer ersten LP allerdings noch eine andere Band, als die, die bald anfangen sollte Rockgeschichte zu schreiben. Das ist kein Zufall. Als Mick Box (Git), David Byron (Voc), Paul Newton (B), Alex Napier (Dr) und der gerade frisch zur Band gestoßene Keyboarder Ken Hensley in die Lansdowne Studios gingen, hatten sie noch keinen eigenen Namen, wenn nicht den von Spice, der alten Band von Box und Byron. Aber erst mit Ken Hensley hatte diese Band ihre Magie gefunden. Das hatte auch Manager Gerry Bron erkannt und den für die Band völlig überraschenden Studio-Termin gebucht. Und es war Ken Hensley, der den neuen Namen Uriah Heep ins Spiel brachte, ein eher negativer Name, aber das hat in der Hard Rock und Metal-Szene ja bis heute Tradition. Uriah Heep ist ein widerlicher, schleimiger Typ aus dem Roman David Copperfield von Charles Dickens.


Bluesiger, verhaltener und traditioneller klang der Sound von Very ’eavy, very ’umble im Vergleich zu den folgenden Alben. Auch Jazz-Einflüsse waren möglich (die gefühlvolle Box/Byron-Komposition “Wake up (Set your Sights)“). Aber man war bereits extrem heavy und druckvoll. Der Vulkan bereitete sich auf seinen Ausbruch vor. Insgesamt aber ist es durchaus passend die Songs dieser ersten Uriah Heep-LP noch mit auf die erste Sampler-CD zu packen, auf der die Vorläufer-Bands gefeatured werden.

“Bird of Prey“ dagegen gehört aus europäischer Perspektive gesehen natürlich schon zu der zweiten Uriah Heep-LP Salisbury. Dass es dennoch auf dieser ersten CD des Box-Sets erscheint, verdankt es der Tatsache, dass hier der US-Mix vertreten ist. Und jenseits des großen Teichs erschien “Bird of Prey“ bereits auf der später als in Europa erschienen US-Version von Very ’eavy, very ’umble. Aus meiner Sicht ist der Mix etwas schwächer als der originale, aber das ändert nichts daran, dass die Gitarren und der Gesang dafür sorgen, dass dieser Klassiker die Seele des Hörers in himmlische Sphären entrückt. Ja, es war richtig dieses Stück 1976 als den Vertreter von Salisbury auf die erste Best of-LP von Uriah Heep zu packen. Denn der geniale Titeltrack ist mit über einer Viertelstunde zu lang für eine Best of - und daher auch auf Chapter & Verse nicht vertreten - und das erst später zum Hit gewordene “Lady in Black“ kann dem Raubvogel nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen.

CD 2: Eine Legende etabliert sich

Ken Hensley ca. 1975

Wie schnell sich Ken Hensley in der Band etabliert hat, zeigen die Credits von Salisbury, dem zweiten Uriah Heep-Album. Auf drei Tracks erscheint Hensley als Co-Autor. Die restlichen drei hat er alleine geschrieben - darunter Lady in Black, die ewige Visitenkarte von Uriah Heep. Noch ist die Band allerdings nicht wirklich gefestigt. Keith Baker heißt mittlerweile der Etat-mäßige Drummer, und der ist keineswegs der Nachfolger von Napier. Zwischendurch gab es da noch einen gewissen Nigel Olsson, der auf zwei Songs des Debüts zu hören ist.

Was packt der Compiler von Salisbury in das Box-Set? “Bird of Prey“ ist schon weg. ”Lady in Black“ muß!! ”Salisbury”, eine der ersten Crossover-Kompositionen zwischen Rock und Klassik, die ihrer Zeit um Jahre voraus war, ist zu lang. “Come away Melinda“ ist eine UFO-Coverversion - eine Rarität bei Uriah Heep. Das nächste Cover erscheint 13(!) Jahre später auf Abominog. Der Compiler wählte “Time to live“. Das ist zweifellos Best of-tauglich. Ich hätte allerdings beide noch übrig gebliebenen Alternativen vorgezogen, sowohl das sanfte “The Park“ und vor allem das furiose “High Priestess“.
Aus heutiger Sicht ist das Unverständnis mit dem Melissa Mills das Album im Rolling Stone verriss kaum nachzuvollziehen. “Wenn diese Band es schafft, begehe ich Selbstmord.“ beginnt sie ihre Review. Ob Frau Mills noch unter den Lebenden weilt, ist mir nicht bekannt - ganz im Gegensatz zum Objekt ihres Missfallens.


Look at yourself, Heep-Album Nummer drei, ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur die sehr experimentelle Ausrichtung, die auf Chapter & Verse besonders durch “Shadows of Grief“ repräsentiert wird, hebt das Album aus dem Heep-Oeuvre heraus. Auch das Cover, auf dem eine spiegelnde Folie aufgebracht war, so dass der Betrachter sich selber ansah, war äußerst aufwendig gearbeitet. Noch hatte eben jedes Heep-Album sein eigenes Gesicht…
…und seine eigene Besetzung. Ian Clarke hatte kurzeitig Keith Baker abgelöst, war bei der Veröffentlichung von Look at yourself aber schon wieder draußen. So erscheint die Band auf dem Album-Cover als Quartett - ohne Drummer. Dafür gibt es hier etwas bei Uriah Heep recht seltenes: Gastmusiker. Mannfred Mann erscheint am Moog (“July Morning“) und die Rhythmus-Gruppe von Osibisa (“Look at yourself“) sorgte für das nötige Getrommel. Somit verzieren Gäste die beiden genialsten Tracks dieses Albums. Wer bei “July Morning“ keine Gänsehaut bekommt, muss ein emotionaler Autist sein. Die Wahl der Gäste war kein Zufall. Beide Acts sind wie Heep auf dem Bronze-Label unter Vertrag. Heep werden es bleiben, solange es das Label gibt.

Auszüge aus Demons and Wizards und The Magician’s Birthday beschließen die zweite CD, an deren Ende Uriah Heep als Weltstars da stehen. Mit den recht kurzen Tracks “Easy Livin’“ und “The Wizard“ und dem längeren ”Circle of Hands“ ist Demons and Wizards, das karrieretechnisch wohl wichtigste Heep-Album, eher stiefmütterlich behandelt. Allerdings stellen die beiden kurzen Stücke zwei der vier wichtigsten Uriah Heep-Singles aller Zeiten dar. Allein betrachtet könnten sie einen eher oberflächlich rockig-poppigen Eindruck von Demons and Wizards erwecken. ”Circle of Hands“ korrigiert diesen Eindruck, der bei einem weiteren Anhören des streckenweise eher progressiven Albums wohl völlig verschwinden dürfte.

Das klassische Uriah Heep Line up (Februar 1972 - Februar 1975)

Mit Demons and Wizards hatten Uriah Heep zum ersten Mal zu einem stabilen Line up gefunden. Nach dem Ausstieg von Paul Newton war die gesamte Rhythmus-Sektion vakant. Hensley holte seinen alten Kumpel Lee Kerslake von den Gods an Bord. Den Bass durfte sich der Australier Gary Thain umschnallen, nachdem ein Versuch mit dem Ex-Colosseum-Bassisten Mark Clarke gescheitert war. DAS klassische Heep-Line up war komplett - und spielte in einem Jahr gleich zwei Alben ein. Die beiden Alben sind sich so ähnlich, dass manche Kritiker The Magician’s Birthday als zweiten Aufguss von Demons and Wizards verunglimpfen. Ein ungerechtes Urteil - das wird auch auf Chapter & Verse deutlich. Denn wer möchte Titeln wie “Sunrise“, “Tales“ oder dem überragenden Titeltrack eigenen Charakter absprechen?? “Sweet Lorraine“, der eigentliche Überhit des Albums, fehlt hier, weil er die Live-CD, die sechste CD des Box-Sets, eröffnet.
The Magician’s Birthday war die berechtigte Ernte, dessen was man gesät hatte. Und endlich war die Band weltweit durchgestartet. Ein Erfolg, der mit dem in Japan eingespielten Live-Album dokumentiert werden sollte.


CD 3: Zwischen Himmel und Hölle

Viele erfolgreiche Bands engagieren immer wieder berühmte Musiker, die somit immer wieder in immer anderen berühmten Bands mitspielen. Man schaue sich nur die häufig wechselnden Stars an Bord der Deep Purple/Black Sabbath/Rainbow/Whitesnake/etc-Famile an. Bei Uriah Heep gibt es so etwas vorerst kaum. Die Ausnahme heißt John Wetton. Der Bassist, der 1975 Gary Thain ersetzte, war vor- und hinterher bei so angesagten Formation wie Roxy Music, UK oder Asia tätig. Bevor er bei Uriah Heep einstieg, veröffentlichte das erste klassische UH-Line up aber noch zwei Alben.


Am Anfang steht mit Sweet Freedom eines der unterschätztesten Heep-Alben überhaupt. Es enthält mit “Stealin’“ immerhin einen der wichtigsten Uriah Heep-Live-Klassiker überhaupt. Ich erinnere mich noch genau, wie ich das Vinyl auf dem Hannoverschen Flohmarkt erstanden habe. Zehn Mark wollte der Vorbesitzer haben. Die hatte ich aber nicht mehr. So wechselte das geniale Album für meine letzten 7,42 DM den Besitzer.
Erfreulicherweise wird die erste außerhalb Englands aufgenommene Uriah Heep-Scheibe hier mit 5 Tracks fast eine halbe Stunde lang gefeatured. Und dieses Mal spricht mir der Compiler mit seiner Auswahl aus der Seele. Insbesondere “If I had the Time“ und vor allem das geniale Anti-Kriegs-Lied “Pilgrim“ fehlen mir regelmäßig auf den UH-Best ofs.

Das „neue“ Single-Cover von “Lady in Black“

Das Drogenproblem von Gary Thain, die Spannung zwischen den beiden kreativen Polen Hensley und Byron und wohl auch der Stress des Erfolges hinterließen ihre Spuren. Wonderworld ist immer noch ein Album, nach dem sich Tausende von Bands die Finger lecken würden, aber hier ist das Urteil des mehrfach aufgebrühten Teebeutels erstmals in der Geschichte von Uriah Heep zumindest teilweise begründet. Nur etwas mehr als zehn Minuten stehen für dieses Album auf Chapter & Verse zur Verfügung. Unter anderem für das kraftvoll melodische “Suicidal Man“. Auf der zweiten Auflage der ersten Uriah Heep-Best of wurde es gecancelt, um dem mittlerweile zum Hit avancierten “Lady in Black“ Platz zu machen. Nicht ganz zu Unrecht war man wohl der Ansicht, dass man eher auf diese alles andere als schlechte Nummer verzichten könne, als auf den Salisbury“-Beitrag "Bird of Prey".


Der Einstieg von Roxy Music-Basser John Wetton beflügelte die Band erneut. Return to Fantasy ist eine der Perlen in der Geschichte von Uriah Heep, die wesentlich mehr Highlights enthält, als auf diesem Six-Pack enthalten sind, und die locker mit Meistwerken wie Salisbury oder Demons and Wizards mithalten kann. Insbesondere der Titeltrack, das folgende “Devil’s Daughter“ und das dramatisch aufgebaute “A Year or a Day“ sind Highlights der Rockgeschichte.

Ein zweites Mal wird die Band von Drogen heimgesucht. Dieses Mal ist es das eine kreative Zentrum David Byron. Sein Alkoholkonsum wird unerträglich. Anders als Gary Thain stirbt er immerhin (noch) nicht, sondern kann nach seinem Ausstieg bei Uriah Heep zwei Soloalben und eine Scheibe mit Rough Diamond an den Start bringen. Das zweite Album mit John Wetton leidet aber unter der problematischen Bandsituation und wird noch nach Wonderworld und Very ’eavy, very ’umble die schwächste Scheibe der Band bis zu diesem Zeitpunkt. Schlecht ist das immer noch nicht. Hier wird die Relativitätstheorie Realität. Grandios im Vergleich mit anderen Bands - eher unspektakulär im Vergleich mit dem restlichen Heep-Output.

Fortsetzung folgt...

Norbert von Fransecky


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