····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Artikel

Aussteigen – immer wieder Aussteigen! - Uwe von Trotha erzählt sein Leben am Rande der Gesellschaft

Info

Autor: Uwe von Trotha

Titel: Aus dem Leben eines Bastards. Checkpoint Charlie vs. BRD

Verlag: Ventil

ISBN: 978-3-95575-222-4

Preis: € 25

321 Seiten

Ton Steine Scherben, Kraan, Guru Guru – Anfang der 70er gab es eine Reihe von Bands, die eigene Wege gegangen sind – und damit nicht bei der Musik aufgehört haben. Inspiriert u.a. von der Friedens-, Öko- und Frauenbewegung wollten sie eine neue Art von Leben ausprobieren – jenseits der Leistungsgesellschaft, des Konsumismus, der Kleinfamilie, am liebsten jenseits jeder vorgegebenen staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung. Das kommunitäre Leben in einer selbstgestalteten Umwelt lockte viele auf’s Land, wo man in alten Bauernhöfen anfing zu leben, zu musizieren, ggf. eigene Lebensmittel zu produzieren und eigene Beziehungsformen auszuprobieren.

In der Regel sind diese Ausflüge ins Alternative letztlich gescheitert. Die Teilnehmenden sind wieder in relativ normale Existenzen zurückgekehrt. Aber das Alltagsleben auch von Menschen, die nicht Teil dieser Experimente waren, wurde durch die gemachten Erfahrungen zum Teil aufgebrochen, so dass diese mit dem Leben Experimentierenden dazu beigetragen haben, die Bundesrepublik Deutschland (zumindest für ein oder zwei Generationen) bunter, offener und lockerer zu machen.

Der AIDS-Shock der 80er, die Desillusionierung vor allem der politischen Linken durch das Scheitern des Sozialismus, die Verunsicherungen nach der Wiedervereinigung und der woke Viktorianismus unserer Tage dreht das Rad hier massiv zurück. Die Lockerheit der 70er Jahre ist Vergangenheit.

Uwe von Trotha ist erst einmal eine weitere Existenz, die in den 70ern mit dem Leben experimentiert hat. Auch er hat Musik gemacht, mit der weniger bekannten Band Checkpoint Charlie. Er beschreibt die anfänglichen Erfolge der Band, die auch auf konsequentem DIY beruhte. Die Band konnte so machen, was sie wollte. Und auch von Trotha zog es in eine Kommune.

Und auch von Trotha scheiterte als die Kommune mehr oder weniger Teil einer Sekte wurde. von Trotha unterscheidet sich von den meisten anderen dadurch, dass er immer wieder anfängt aufzuhören, dass er immer wieder aussteigt, wenn das selbstgewählte oder teilweise aufgezwungene Leben klemmt und nicht (mehr) die Freiheit und die Konsequenz hat, die er für unverzichtbar hält.

Von Trotha nimmt nicht das Gute, was er in alternativen Lebensphasen erkannt hat, mit hinein in eine bürgerliche Existenz. Er nimmt das, was er im „normalen“ Leben als hilfreich erlebt, hinein in seine Lebensentwürfe, um sie langfristig lebbar zu machen. Und er findet die Kraft immer wieder neu anzufangen. Die Band Checkpoint Charlie dominiert sein Leben nicht. Aber auch mit ihr startet er immer wieder neu.

Dass man ihn (auch beim Lesen von Aus dem Leben eines Bastards) immer wieder für einen ausgemachten Spinner hält, der massiv übertreibt, andere Lebensentwürfe überheblich abkanzelt und das Dauer-Pubertieren zum Vorzeichen vor seinem Leben macht, liegt wohl in der Natur der Sache.

Nach anfänglicher Sympathie fällt es auf Dauer schwer, sich mit ihm wirklich solidarisch zu fühlen. Aber mit seiner überzeugten Unzufriedenheit mit dem, was da ist, und der geradezu religiösen Überzeugung, dass das Gras hinter irgendeinem Hügel wirklich grüner ist, lädt er zu der Frage ein, was man selber aus seinem Leben noch machen will.

Norbert von Fransecky


Zurück zur Artikelübersicht