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Info
Zeit: 25.10.2024
Ort: Jena, KuBa
Fotograf: David Teuma
Internet:
http://www.kuba-jena.de
http://www.facebook.com/childtheband
http://www.facebook.com/paralyzedband
Nein, paralysiert sind Paralyzed ganz und gar nicht, dass sie als Support für Child antreten dürfen – sie freuen sich statt dessen sichtlich und bringen das auch wiederholt verbal zum Ausdruck. Pünktlich 21 Uhr legen sie los, und am Ende der reichlichen Dreiviertelstunde dürften sie den einen oder anderen neuen Anhänger gewonnen haben. Dabei sind sie gar nicht so leicht in eine Schublade zu stecken, wenn man mal von der großen absieht, auf der „70er-Rock“ steht, und dort gehören sie eher zur bluesbeeinflußten Sorte. Sänger Michael artikuliert sich allerdings in einer rauh-herzlichen Art und Weise, wie man sie eher von diversen Südstaatenrockern her kennt, während Paralyzed mit dieser Ausprägung sonst wenig am Hut haben. Sie treten als Quartett an, wobei Michael neben seinem Gesangsjob auch noch Leadgitarre spielt. Die Rhythmusgruppe ist natürlich auch klar – Position 4 ist allerdings ungewöhnlich besetzt, zum einen weiblich (das stellt in dieser Sparte ja immer noch eine gewisse Seltenheit dar), zum anderen pendelt Caterina zwischen Keyboard und Rhythmusgitarre. Kabinettstückchen, beides gleichzeitig zu spielen, darf man hier nicht erwarten (da gibt’s ja so ein paar Akrobaten, die das fertigbringen), aber das braucht es auch nicht – die historischen Orgelklänge, die beispielsweise unter dem Opener „Pilgrim Boots“ liegen, füllen den Basissound auch so genug auf. Insgesamt bleibt das Tasteninstrument aber ein eher seltener Gast, der Fokus liegt klar auf den Gitarren, wobei es interessant ist, den unterschiedlichen Spielstil genauer zu beobachten, was durchaus nicht nur an der Lead-Rhythmus-Aufteilung liegt (Caterina bewegt den rechten Arm viel stärker als Michael). Paralyzed gehen innerhalb ihres Spektrums durchaus vielschichtig an die Songs heran, auch was den Detailliertheitsfaktor der Arrangements betrifft, so dass etwa auf das sehr lange „Railroad“ das kompakte „Green Eyes“ folgt. Besagtes „Railroad“ und das programmatisch betitelte „Heavy Blues“ sind dabei neue, noch unkonservierte Songs, deren Studiofassungen es erst auf dem im Frühjahr 2025 zu erwartenden dritten Album geben wird – der Rest des Sets verteilt sich auf das selbstbetitelte Debüt und den Zweitling Heavy Road. Das Gros des Materials bewegt sich eher im zügigeren Midtempo, hier und da schalten Paralyzed aber auch auf Doomschleicherei herunter, etwa in der ersten Hälfte von „Devil’s Bride“ – einen ganzen Doomsong trauen sie sich aber zumindest hier in der Livesituation nicht. Einige Übergänge innerhalb der Songs wirken leicht holprig, aber weite Strecken wissen zu überzeugen und machen auch dank des klaren Sounds in angenehmer Lautstärke richtig viel Hörspaß. Ein wenig unglücklich gerät der Abschluß von „Rosie’s Town“, als das Baßgedröhn durchgeht und sich im Publikum niemand mit Applaus zu unterbrechen traut, wonach aber schon der nächste Song „Noise On The River“ kommt – aber das trübt die allgemein positive Stimmung nicht, und die Bamberger (was die Bambergerin ausdrücklich einschließt) werden fleißig beklatscht, liefern eine muntere Show ab (auch wenn das Synchronbanging im Closer „Orange Carpet“ noch etwas mehr Synchronizität vertragen hätte) und dürfen, wenn es nach dem Rezensenten geht, gern wiederkommen.
Setlist Paralyzed:
Pilgrim Boots
Railroad
Green Eyes
Lucy
Devil’s Bride
Rosie’s Town
Noise On The River
Heavy Blues
Orange Carpet
Child (Foto) kommen aus Australien und haben nicht das Wort „Problem“ vor ihren Bandnamen gestellt – täten sie das, könnte man darin natürlich einen deutlichen Fingerzeig erwarten, dass sie sich einer ganz bestimmten Form australischer Volksmusik widmen. Aber nein, nach AC/DC klingt während ihres Sets die erste Minute von Song 4 (Titel sind Schall und Rauch), mehr nicht. Man konnte natürlich schon anhand des Bandfotos gespannt sein, was das Trio so fabrizieren würde, finden sich dort doch Rasputin, ein Italometaller und ein Silverchair-Neogrunger optisch vereint. Am Ende des Sets stellt man fest, dass der Paralyzed-Songtitel „Heavy Blues“ auch zu Child gepaßt hätte, vielleicht gar noch besser, weil er im Prinzip als Stilbeschreibung taugt und sich folgerichtig hier auch als solche wiederfindet. Dabei machen die Australier schnell klar, dass sie vom Erfüllen irgendwelcher Erwartungshaltungen so ganz und gar nichts halten – anhand der genannten optischen Beschreibung nicht, aber auch in weiteren Komponenten nicht. Der auch Gitarre spielende Fronthüne etwa besitzt keine waldschratige, sondern eine erstaunlich weiche Stimme, mit der er seine bluesigen Weisheiten an den Mann respektive die Frau im Publikum bringt – unglücklicherweise spricht er allerdings mit fiesem australischem Akzent, so dass man sich schon sehr anstrengen muß, um die Ansagen wenigstens teilweise zu verstehen, zumal sie bisweilen auch noch ein Stück vom Mikrofon entfernt gesprochen werden. Auch im Songwriting folgen die drei Melbourner nicht zwingend logisch anmutenden Pfaden und lassen einen Song auch schon mal mitten im Solo vor einer wie auch immer gearteten Klimax enden – von den üblichen Wiederholungen des Hauptthemas oder des Refrains nach dem Solo halten sie sich hier und da auch fern. Und auch der Setlistaufbau überrascht – Child versuchen nicht etwa, mit einem kernig-knackigen Opener die Anwesenden auf Betriebstemperatur zu bringen (okay, das Aufwärmen haben Paralyzed ja auch schon übernommen), sondern legen nach einem wuchtig-bombastischen Auftaktakkord gleich mit drei ihrer im unteren Midtempo angesiedelten trägen Bluesnummern los, die zwar bisweilen mit kernigen Riffs unterfüttert werden, aber dort, wo der Gitarrist Leads spielt (und das tut er oft), einen erstaunlich unvoluminösen Touch annehmen, so dass der Rockfaktor oft erstaunlich weit unten liegt und man das Ergebnis zwar als Heavy Blues, aber eben nicht als Bluesrock zu klassifizieren geneigt ist. Wer die Alben der Australier besitzt, kann nachhören, ob das in der Studioversion mit einer zusätzlichen Rhythmusgitarre anders gewichtet ist, aber live muß man sich auf die Herangehensweise einlassen können, um Child gut finden zu können. Der erwähnte vierte Song schraubt das Tempo dann eingangs tatsächlich mal etwas nach oben, aber das bleibt ein Strohfeuer, und das Trio fällt alsbald wieder in die gepflegte Trägheit zurück. Irgendwann überlegt man mal, wie das weitergehen soll – und die Band kontert prompt und holt einen fetten echten Doom-Song heraus, der interessanterweise Motive aus dem Intro von Black Sabbaths „War Pigs“ verarbeitet, das Tempo aber deutlich weiter unten ansiedelt als Iommi und seine Spießgesellen. Weil die Jungs vom fünften Kontinent das Kriechtempo so gut finden, legen sie den folgenden Setcloser, nun wieder in ihrem gewohnten Heavy Blues, im gleichen Downbeat an, was freilich immer noch reicht, um einen großen Energieschub zu transportieren und ein Grande Finale zu erzeugen, wobei dieses wie der ganze Set ebenfalls sehr klar und fast zurückhaltend abgemischt ist. Große Teile des gut gefüllten Saales zeigen sich jedenfalls sehr angetan vom Gehörten und überreden das Trio noch zu einer Zugabe, in der die Australier dann phasenweise vollends in ein kurz vorm Funeral Doom liegendes Tempo herunterschalten. Was also als Heavy-Blues-Gig begann, endet als Doom-Gig – unerwartet, aber definitiv hörenswert. (Dass während des Schreibens dieses Reviews die Landsleute Silent Knight mit ihrem Full Force-Album im CD-Player lagen, die einen völlig anderen Stil fahren, allerdings auch nicht den, den man anhand des Bandnamens erwarten würde, steht auf einem anderen Blatt.)
Roland Ludwig
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