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25 Years after - Mein Leben mit der CD; Folge 161: Carman - R.I.O.T.

In der Juni-Ausgabe dieser Kolumne hatte ich für den August eine Premiere versprochen. Der August ist da – und mit ihm die erste CD, die ich außerhalb Europas erworben habe.

Zeitpunkt des Geschehens: Der 16. August 1999. Ort des Geschehens: Das Union Square Einkaufszentrum in der Union Deposit Road in Harrisburg, Pennsylvania, der größten(!) Stadt (ca. 50.000 Einwohner), die ich bei meinem ersten Aufenthalt in den USA besucht habe.

Der Plattenladen Disc go round, der sich damals auf dem Gelände des Einkaufszentrums befand, existiert offenbar nicht mehr. Aber die ersten vier CDs, die ich dort vor 25 Jahren auf außereuropäischen Boden erworben habe, stehen seitdem in meinem Regal. Sie verbindet eins: Alle stammen von eindeutig christlichen Bands, die bei Disc go round, ein eigenes Fach im Laden hatten, überschrieben mit „Gospel“, was in diesem Fall aber nichts mit dem Musikstil zu tun hat, sondern mit der Botschaft, die die Bands verbreiten. Neben der CD von Carman, die ich als Monats-CD ausgewählt habe, waren das die Metal-Bands Bride und Holy Soldier, sowie die eher soften Rocker De Garmo & Key.

Leider fand die komplette US-Reise im August statt. Daher wird von den insgesamt 10 in den USA erworbenen CDs (plus des Ayreon-Doppelalbums Into the electric Castle, das ich auf dem Rückflug auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol eingetütet habe) in dieser Kolumne nur eine vertreten sein. Im September geht es dann wieder in Europa weiter.

Anlass meiner ersten „US-Experience“ war ein Pastoralkolloquium, das von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg gemeinsam mit der Penn Central Conference (PCC) der United Church in Christ (UCC) veranstaltet wurde. Die PCC ist sozusagen die UCC-Landeskirche im mittleren Pennsylvania. Diese in der Regel zweijährig stattfindenden Kolloquien sind das Rückgrat der Partnerschaftsarbeit der beiden Landeskirchen. Im Wechsel in Berlin/Brandenburg und Pennsylvania treffen sich amerikanische und deutsche Pfarrpersonen, um sich zu aktuellen Fragen, die die kirchliche Arbeit in einer immer stärker säkularisierten Welt betreffen, auszutauschen.


Neben Vorträgen und Diskussionen im katholischen Precious Blood Spiritual Center in Columbia, in dem wir untergebracht waren, prägten Vor-Ort-Begegnungen das Kolloquium. Die waren sehr unterschiedlich. Am Anfang haben wir The Shared Ministry in Harrisburg besucht, eine Gemeinde, zu der sich eine UCC-Kirche (im deutschen Kontext wäre das eine „normale“ evangelische Gemeinde) und eine methodistische Gemeinde zusammengeschlossen hatten, um zu überleben. (Mittlerweile wurde die Gemeinde aufgegeben.) Die Mitglieder der Gemeinde stammten im Wesentlichen aus der weißen Mittelschicht, die in die Vororte Harrisburgs abgewandert waren, aber ihrer Kirche im Zentrum Harrisburgs die Treue gehalten hatten, wo nur noch wenige weiße MittelschichtlerInnen lebten. Die Gemeindearbeit konzentrierte sich daher stark auf diakonisches Handeln an Bedürftigen im Umfeld der Kirche.

Im Kontrast dazu stand der Besuch einer neu gegründeten afroamerikanischen Pfingstkirche in einem ehemals schwarzen Viertel Harrisburgs. Beeindruckend für uns war die professionelle Tontechnik in dieser armen Gemeinde. Für den Gottesdienst stand ein Mischpult zur Verfügung, das manch einem deutschen Musikclub zur Ehre gereicht hätte. Auch hier war die Gemeinde fast schon zum Fremdkörper geworden. Viele Afroamerikaner waren sozial aufgestiegen und hatten den Stadtteil verlassen, der immer mehr von Latinos geprägt wurde.
1999 umstritten – Den Bischöfen waren Kickboards zu modern, aber sie haben Vollgummireifen ohne(!) Luft

Rücksturz ins 18. Jahrhundert. Das Lancaster County, in dem unser Kolloquium stattfand, ist eines der wichtigsten Siedlungsgebiete der Amish People, einer religiösen Gruppe, die versucht an einem bäuerlichen, vorindustriellen Lebensstil festzuhalten. Elektrizität, Autos, Computer, moderne Telekomunikation, modische Kleidung und vieles mehr sind den Mitgliedern dieser religiösen Gemeinschaft verboten – z.B. alle Fahrzeuge, die mit luftgefüllten Reifen fahren.

Wer die Amish für ein Relikt der Vergangenheit hält, irrt allerdings. Die Anzahl der Amish People wächst aufgrund einer sehr hohen Geburtenrate und einem hohen Prozentsatz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich für ihre Kirche und ihren Lebensstil entscheiden. Laut einer Studie des Center for Anabaptist and Pietist Studies in Elizabethtown wuchs die Zahl der Amischen von ca. 125.000 im Jahre 1992 auf 230.000 im Jahre 2008.

Die Wochenenden vor und nach dem Kolloquium habe ich bei einer Familie und einem Pastor in dieser Region verbracht, in der Amische und Engländer (der Amisch-Begriff für alle Nicht-Amischen) neben- und miteinander leben. Ich erlebte so eine Realität, in der im Amerika des ausgehenden 20sten Jahrhunderts graue Amisch-Kutschen, so genannte Buggys, neben Mega-Trucks und modernen PKWs das Straßenbild prägten.

Aber die Idylle war nicht ungebrochen. Auf dem Weg von Harrisburg nach Columbia fuhren wir am Susquehanna River entlang, an dem sich das Atomkraftwerk Three Miles Island befindet, das es zu trauriger Berühmtheit gebracht hat, als es am 28. März 1979 im Block 2 zu einer teilweisen Kernschmelze gekommen war, und die USA kurz vor einer Atom-Katastrohe a la Tschernobyl stand. Der Film Das China-Syndrom, der zwei Wochen vor dem Vorfall erschienen war und eine ähnliche Katastrophe zum Thema hatte, bekam bedrückende Realität.

Ich stand bei meinem ersten USA-Besuch auch zum ersten Mal auf der Kanzel einer amerikanischen Kirche, der Zion United Church of Christ of New Providence. Dieses Mal noch nicht, um die Predigt zu halten. Ich hielt ein kurzes Grußwort und hatte zuvor in der Sonntagsschule, die für Erwachsene vor dem Gottesdienst stattfand, über die Situation des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in Deutschland und besonders in Berlin berichtet.

Amerika – das ist landläufig das Land der Mega-Citys und Wolkenkratzer. Von diesem Amerika habe ich bei meinem ersten USA-Aufenthalt nur wenig mitbekommen. Meine folgenden Besuche von Kolloquien in den USA haben eigentlich immer mit zwei oder drei Tagen Akklimatisieren in New York begonnen. Und ich habe die Chance genutzt nach den Kolloquien Städte wie Chicago, Boston und Washington kennen zu lernen.

1999 war die Anreise noch als Gruppenflug organisiert worden. Wir sind auf dem Flughafen Newark gelandet, wo uns unsere amerikanischen Gastgeber mit PKWs und Kleinbussen abgeholt haben. Mit ihnen sind wir sofort in das eher ländliche Lancaster County gefahren, ohne größere Städte näher zu berühren.

Dennoch hatte ich meine erste Begegnung mit New York. Bewusst war es mir damals nicht. Aber vom Flughafen aus konnte man die Skyline Manhattans sehen - noch mit den Twin Towers des World Trade Centers. Dass die nur noch gut zwei Jahre Existenz vor sich hatten, konnte damals natürlich niemand ahnen.

Norbert von Fransecky


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