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Wishbone Ash sind in der Stadt und haben ihr Kultalbum Live Dates im Gepäck. Die LP wurde 1973 veröffentlicht und hat nun mittlerweile 50 Jahre auf dem Buckel. Um das Jubiläum entsprechend zu feiern, haben sie den Klassiker letztes Jahr mit der aktuellen Besetzung neu eingespielt.
Das Spectrum ist bei Wishbone Ash traditionell sehr gut gefüllt. Die meisten der Anwesenden sehen die Band sicher nicht das erste Mal. Eine Vorband gibt es nicht. Wishbone Ash beginnen um 20 Uhr mit dem Instrumental „Real Guitars Have Wings“. Powell und Co. sind topmotiviert und versprühen von der ersten Sekunde an Spielfreude, Energie und jede Menge positive Ausstrahlung. Ja, sie sind wieder da und das ist gut so! „We Stand As One“ vom jüngsten Studioalbum „Coat Of Arms“ klingt klasse und rockt. Powells Stimme ist in Bestform und er genießt es sichtlich, wieder mit seiner Band auf der Bühne zu stehen.
Unter großem Jubel kündigt Powell an, dass nun Live Dates komplett aufgeführt wird. Die markanten Anfangstöne vom Mega-Klassiker „The King Will Come“ fungieren als Start einer einzigartigen musikalischen Zeitreise, die vor fünfzig Jahren begann und zum Glück immer noch andauert. Das Argus-Dreigestirn wird mit „Warrior“ und dem genialen „Throw Down The Sword“ komplettiert. Beide Stücke haben textlich nichts von ihrer Aktualität eingebüßt und werden mit Wucht und Präzision gespielt. Schlagzeuger Mike Truscott wirkt mit seinem feinsinnigen und bei Bedarf kraftvollem Spiel wie eine Startbahn, auf der das Flugzeug Wishbone Ash vollgepackt mit Musik wie auf dem Cover der Live-LP in unbeschreibliche Sphären abheben kann. Bassist Bob Skeat ist der musikalische Fluglotse, der sämtliche Melodieläufe kennt und dafür sorgt, dass alles in geordneten Bahnen abläuft.
Bodenständigkeit beweisen die Briten mit „Rock’n’Roll Widow“, bei dem Gitarren-Derwisch Mark Abrahams seiner Pedal-Steel-Gitarre hochkonzentriert wie einst Ted Turner die irrwitzigsten Töne entlockt. Powell fragt, ob jemand weiß, worüber es bei dem Stück geht. Ein Fan in den ersten Reihen meldet sich und Powell hält ihm einfach den Mikrofonständer hin. Der Fan ist völlig überrascht und meint nervös, dass er den Inhalt des Songs schon erklären kann, aber nur auf Deutsch. Powell bittet ihn, dies zu tun. Danach bedankt er sich unter großem Jubel des Publikums bei dem fachkundigen Konzertbesucher.
„Ballad Of The Beacon“ zaubert mir immer ein Lächeln ins Gesicht. Wie eine frische Sommerbrise umschmeicheln die in sich verzahnten Solos und die traumhaften Melodien meine Ohren und man möchte fast schon meinen, der Frühling beginnt genau in diesem Moment. Die Blues-Bratpfanne wird mit dem coolen „Baby What You Want Me To Do“ angeheizt. Dabei wird die Temperatur signifikant nach oben geschraubt. Textlich ist hier alles drin, was ein guter Bluessong braucht. Powell und Abrahams solieren sich hier um die Wette und versetzen das Publikum in Verzückung. Abrahams ist seit 2017 in der Band. Er spornt Powell zu Höchstleistungen an und sorgt bei dem fabelhaft aufgelegten Bassisten Skeat für ein Dauergrinsen. Dabei wirkt er hochkonzentriert und spielt manchmal geradezu entfesselt.
„The Pilgrim“ bietet eine kurze Verschnaufpause, bevor „Blowin‘ Free“ wieder sämtliche Kräfte mobilisiert. Hier verfliegt jeglicher Trübsinn, der Alltag rückt in weite Ferne. Für mich versprüht dieses Stück Musik tausend Mal mehr gute Laune als sämtliche Faschingsveranstaltungen, die derzeit im Fernsehen präsentiert werden. Und dabei bin ich sogar stocknüchtern. Die Dampframme „Jailbait“ lässt die Gitarren noch einmal verstärkt qualmen und das Spectrum steht Kopf. „Lady Whiskey“ beweist in eleganter Weise, welche Juwelen Wishbone Ash bereits vor fünfzig Jahren komponiert haben. „Phoenix“ gleicht einer musikalischen Achterbahnfahrt. Es enthält alles, für das Wisbone Ash bekannt und berühmt geworden sind. Musikalische Finesse, die markanten Twin-Gitarren, progressive Elemente und wahnwitzige Soli, bei denen mir regelrecht der Mund offen stehen bleibt.
Danach ist der reguläre Teil gefühlt viel zu früh vorbei und die Musiker bedanken sich bei dem bestens aufgelegten Augsburger Publikum, das bereits zu „Wishbone Ash“-Sprechchören angesetzt hat. Kurz darauf kehren die Musiker wieder auf die Bühne zurück und lassen mit einem furiosen „Living Proof“ noch einmal ihr ganzes Können aufblitzen. Nun ist Feierabend, was nach zwei Stunden auch völlig in Ordnung geht. Wishbone Ash verabschieden sich und hinterlassen ein Publikum, das mit Sicherheit bestens unterhalten wurde.
Ich weiß nicht mehr, wie oft ich die Band schon live gesehen habe. Aber eins weiß ich sicher: ich bin auch im nächsten Jahr wieder dabei. Danke Jungs!
Setlist:
1. Real Guitars Have Wings
2. We Stand as One
3. The King Will Come
4. Warrior
5. Throw Down the Sword
6. Rock 'n Roll Widow
7. Ballad of the Beacon
8. Baby What You Want Me to Do
9. The Pilgrim
10. Blowin' Free
11. Jail Bait
12. Lady Whiskey
13. Phoenix
14. Living Proof
Stefan Graßl
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