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Info
Zeit: 03.02.2024
Ort: Kulturhaus Spandau
Fotograf: Norbert von Fransecky
Internet:
http://www.watering-eye.de
Als Norbert sich am 3. Februar auf dem Weg in die Spandauer Altstadt machte wusste er nicht, was ihn erwarten würde. Die Band, die im Kulturhaus Spandau auf dem Programm stand, hatte er schon längst in den ewigen Jagdgründen gewähnt als er sich Ende Januar daran machte seine monatliche Kolumne zu schreiben, in der er sich mit einer CD beschäftigt, die er vor exakt 25 Jahren bekommen hat.
Kolumne und Review zu Watering Eye waren bereits im Wesentlichen fertig als seine Frau ihm einen Flyer in die Hand drückte, mit dem ein kurz bevorstehendes Konzert von eben diesen Watering Eye angekündigt wurde.
Wie aus der genannten Kolumne ersichtlich ist, hatte Norbert bereits eine gewisse Geschichte mit Watering Eye. Also beschloss er über dieses Konzert zu berichten.
Aber was würde ihn erwarten? Eine gähnend leere Halle, in der sich die Frauen, Mütter und Töchter (bitte im Hinterkopf gendern!) der Musiker mit einigen Ewig-Gestrigen – und dem MAS-Schreiber – verlieren würden?
Die Realität sah völlig anders. Statt 19 Uhr hatte ich mir 19.30 Uhr notiert. Watering Eye waren schon auf der Bühne. Ein Ehepaar, das Karten hatte reservieren lassen, musste den Rückzug antreten. Das Konzert war bis auf den letzten Platz ausverkauft und reservierte Karten, die bis Konzertbeginn nicht abgerufen worden waren, waren bereits anderwärts verkauft worden. Kurzfristig war sogar die Pressefreiheit bedroht, aber dann wurden wir doch noch in den Saal gelassen.
Grobi mit dem Chapman Stick |
Es war schnell klar, die Spandauer Watering Eye hatten hier ein echtes Heimspiel. Das merkte man der Kommunikation mit dem Publikum an. Einige Fragen, die ich im Kopf hatte, wurden von Sänger und Gitarrist Oz Camera in seinen Ansagen beantwortet. So war mein Eindruck, die Band habe das Zeitliche gesegnet, so falsch nicht. Zumindest hatte sie wohl fast 20 Jahre auf Eis gelegen und ist nun seit einem guten Jahr wieder aktiv.
Dabei ist weiterhin der harte Kern um Drummer Ajun, Oz Camera (Gitarre, Mandoline, Gesang) und Grobi am Chapman Stick. Dazu kommen jetzt die Cellistin Janna Hasanovic, die zweite Sängerin Jana Koch und Gitarrist Reinhard Schneider, der bei einem Stück auch die Posaune auspackte. Am Ende des ersten Sets übernahm Gründungsmitglied Michael Roger Stabenow für drei Stücke als Gast den Gesang.
Aufgrund meiner Verspätung nahmen wir unsere Plätze erst während dem mir bislang unbekannten Stück „Wayfaring Stranger“ ein und verpassten dadurch leider vor allem das großartige „Hela“, das direkt davor gespielt wurde und – wenn man der Tracklist, die mir Reinhard Schneider nach dem Konzert in die Hand drückte, trauen kann – mit „Riders on the Storm“ verknüpft wurde. Hätte ich gern gehört. Einer der Höhepunkte des ersten Sets war das abschließende Waterboys-Cover „Bring ‘em all in“, bei dem so richtig die Post abging.
von links nach rechts: Grobi, Jana Koch, Oz Camera, Michael Roger Stabenow, Ajun, Janna Hasanovic und Reinhard Schneider |
Wirkliches Konzertfeeling ist aber nur punktuell entstanden. Das hat eine ganze Reihe von Gründen. Zum einen ist das Kulturhaus Spandau kein Live-Club, sondern ein Theatersaal, in dem man in die Klappsitze versinkt, was die Möglichkeit des körperlichen Mitgehens auf ein Minimum reduziert. (Notiz am Rande: Als ich irgendwann mit dem Bein im Takt mitging, sprach mich die Dame, die vor mit saß, an. Es sei ja schön, dass ich so mitginge, aber das bringe ihren Sitz unangenehm zum Vibrieren.) Die langen Ansagen vor fast jedem Stück stellten zwar ein positives Band zwischen Publikum und Band her, standen einem dynamischen Stimmungsaufbau aber im Wege und unterbrachen Ansätze zu Spannungsbögen, die sich z.B. bei „Fass mich nur an“ und „Sitz wie Fremde“ aufbauten.
Die neue Sängerin Jana Koch ist mit ihrer starken und dynamischen Stimme eindeutig ein Gewinn für die Band. Ihre Performance ist allerdings noch sehr stark von Kontrolle geprägt. Gelegentlich traut sie sich einen Jauchzer über den reinen Gesang hinaus. Aber es entsteht eher der Eindruck, dass hier eine Emotion aufgeführt wird, als dass sie wirklich gefühlt wird. Damit steht sie allerdings nicht völlig allein. Denn last not least sind Watering Eye Anfang 2024 auf der Bühne noch keine eingespielte Einheit. Von ihrer Musik mitreißen ließen sich vor allem Ajun, der treibende Motor hinter dem Schlagzeug und Cellistin Janna, die den Sound der Band an diesem Abend zu einem guten Teil prägte.
Reinhard Schneider – dieses Mal mit Posaune |
Aber das kann man möglicherweise auch anders sehen. Das (zu einem nicht geringen Teil Ü-60)-Publikum feierte Oz Camera, Grobi & Co jedenfalls immer wieder geradezu frenetisch ab. Und von der Emotionalität her befindet sich das Oeuvre von Watering Eyes, das zu einem guten Teil aus ruhigen Nummern besteht, durchaus zwischen der eines Rock- und eines Klassikkonzerts.
Auf dem Programm standen zu jeweils etwa einem Drittel Stücke der beiden Alben Mut, Rose und bislang unveröffentlichtes Material. Dazu kam mit „Deine Träume“ ein Stück aus dem Kindermusical Nicodemus. Gerade die Anzahl der neuen Stücke lässt die Hoffnung aufkeimen, dass bereits an ein weiteres Album gedacht wird.
Ich jedenfalls wünsche Watering Eye für die Zukunft die Chance regelmäßig auf (anderen) Bühnen zu stehen, um die Live-Qualität zu entwickeln, die ihren faszinierenden Stücken entspricht.
Ajun - das Kraftwerk im Hintergrund |
Setlist
Love will survive
Dance in the Morning Light
Falling
Butterflies
Hela
Wayfaring Stranger
Small and confused
The Cage
Weekend
Bring ‘em all in
*************
Deeper than all
Teardrops
Fass mich nur an
Gerome
November
Wild Fire
Sitz wie Fremde
Who am I
Deine Träume
High up and down
*************
In the Deep
Das Lied vom Guggisberg
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